Falsche Bescheidenheit ist nicht sein Ding. "Ich bin der wichtigste Latino-Künstler der Welt", sagt Julio Iglesias gerne. Doch in seiner Heimat fühlt sich der spanische Schlagerstar nicht so richtig geliebt. Und das wurmt ihn. "Ich möchte nicht mit der Qual sterben, in meinem Land verkannt zu werden", gestand er kürzlich in einem Interview. Einige Schlagzeilen der vergangenen Wochen werden dem Sänger, der am 23. September 65 wird, deshalb gar nicht gefallen haben.

In Benidorm an der Costa Blanca, wo vor 40 Jahren seine Karriere begann, habe die Stadtverwaltung im August Eintrittskarten für das Jubiläumskonzert verschenken müssen, um die 7000 Menschen fassende Stierkampfarena voll zu bekommen, war da etwa zu lesen. Auf Mallorca sei sogar ein Auftritt abgesagt worden, weil zu wenige bereit gewesen seien, 500 bis 750 Euro zu zahlen, um Iglesias zu hören. Selbst Gerüchte, er sei herzkrank, machten in letzter Zeit die Runde. "Alles erfunden!", winkt er ab.

"La vida sigue igual" (Das Leben geht so weiter), hieß das Lied, das ihn 1968 berühmt machte. Doch die Zeiten, in denen der ewig braun gebrannte Künstler aus Madrid riesige Stadien füllte, scheinen vorbei. Auch BHs und Slips der weiblichen Fans fliegen nicht mehr so wie einst auf die Bühne. Iglesias' Gestik hat sich dagegen in 40 Jahren kaum verändert: Die wie zum Gebet aneinander gepressten Handflächen und sein dabei gebeugtes Haupt wurden zum Markenzeichen.

"Ich singe nur noch, um mein Leben zu verlängern. Geld habe ich schon lange nicht mehr nötig", sagt der Multimillionär mit Wohnsitz in Miami unumwunden. Aber Anerkennung und Erfolg braucht er schon. "Jahrelang wollte er sein wie Sinatra. Jetzt, wo er es geschafft hat, möchte er Gott sein", sagte seine Ex-Frau Isabel Preysler einmal.

Den Erfolg hat sich Iglesias allerdings hart erarbeitet. Als er mit 19 Jahren nach einem schweren Autounfall monatelang halb gelähmt im Krankenbett lag, schien alles vorbei. Aus der Traum von der Torwart-Karriere und dem Ruhm bei seinem Verein Real Madrid, wo er als großes Talent galt. Dass Iglesias, der seinerzeit selbst im Schulchor abgeblitzt war, damals aus Zeitvertreib eine Gitarre nahm und Lieder schrieb, sollte sich als Glücksgriff erweisen. Mit seiner Stimme zog er Millionen Menschen rund um den Globus in seinen Bann, zu seinen Glanzzeiten wurde alle 30 Sekunden irgendwo auf der Welt eines seiner Lieder im Radio gespielt, heißt es.

Bis heute hat er mehr als 80 Platten in verschiedenen Sprachen herausgebracht - darunter auch mehrere auf Deutsch - und rund 300 Millionen Alben verkauft. Ohrwürmer wie "Hey", "Un canto a Galicia" ("Wenn ein Schiff vorüberfährt") oder sein Duett mit Diana Ross "All of You" wurden Welthits. Hinzu kommen Aufnahmen mit Frank Sinatra, Stevie Wonder, Willie Nelson, Dolly Parton oder Paul Anka. Kein Solist hat bislang mehr verkauft als Iglesias, heißt es im Guinness Buch der Rekorde. Mehr als 2600 Schallplatten in Gold und Platin sowie über 5000 Konzerte führt die Statistik auf.

"Eigentlich verdiene ich mein Geld nicht mit meiner Stimme, sondern mit dem Kopf", meint der Sänger zu seinen lukrativen Verträgen, die er stets selbst aushandelt. Mit 57 Jahren holte er dazu sogar noch sein Jura-Examen nach.

Dass ihm seine Karriere lange wichtiger war als seine Familie, gibt Iglesias zu. Seine Ehe mit Isabel Preysler zerbrach 1978. Aus der Verbindung stammen die - ebenfalls singenden - Söhne Enrique und Julio José sowie Tochter Chabeli. Auch einen weiteren Preis forderte der Ruhm: Ende 1981 wurde sein inzwischen gestorbener Vater, ein bekannter Frauenarzt, von ETA-Terroristen entführt und nach 19 Tagen gegen ein hohes Lösegeld frei gelassen. Heute dreht sich in Iglesias' Privatleben alles um seine niederländische Lebensgefährtin Miranda Rijnsburger, mit der er fünf Kinder hat. Der Kleinste ist gerade ein Jahr alt. "Sie haben mir die Jugend zurückgegeben", sagt er.