Valentón hatte noch Glück im Unglück. Der Stier, dessen Name auf Deutsch "Großmaul" bedeutet, musste nur elf Minuten leiden. Dann setzte ein gezielter Lanzenstich seinem Leben ein Ende. Valentón starb nicht bei einem Stierkampf in der Arena, sondern bei einem jener Volksfeste in Spanien, bei denen das Malträtieren und Töten von Tieren zu einem Volksvergnügen wird.

Alljährlich im September wird in der Kleinstadt Tordesillas (200 Kilometer nordwestlich von Madrid) ein ausgewählter Kampfstier auf ein Feld getrieben, wo Dutzende von Lanzenträgern auf das Tier einstechen. Mehr als 30 000 Menschen wohnten in diesem Jahr dem Spektakel bei. In der Vergangenheit konnte der Überlebenskampf des Stieres sich auch schon einmal über eine Stunde hinziehen.

In zahllosen Orten Spaniens halten sich trotz aller Proteste von Tierschützern bis heute traditionelle Feste, bei denen Tiere unter dem Jubel einer ausgelassenen Bevölkerung misshandelt und häufig auch getötet werden. Häufig sind Stiere die Opfer, zuweilen aber auch Ziegen, Gänse, Enten oder Hähne.

Die Tierschutzverbände haben vor allem drei solcher Volksfeste im Visier und verlangen deren Verbot: Dies sind neben dem Fest des "Toro de Vega" in Tordesillas der "Toro de Coria" in Westspanien, wo ein Stier durch die Straßen gescheucht und mit Dartpfeilen beschossen wird, und der "Toro de fuego" (Feuerstier) in Medinaceli im Zentrum des Landes, wo ein Stier mit brennenden Kugeln an den Hörnern durch den Ort getrieben wird.

"Weshalb sind wir Spanier so unzivilisiert?", fragte die angesehene Zeitung "El País" kürzlich. Die Anhänger solcher Feste berufen sich auf jahrhundertealte Traditionen und halten Ortsfremden vor, die Bedeutung dieser Bräuche nicht zu verstehen. "Die malträtierten Tiere symbolisieren das Böse", erläutert der Anthropologe Javier Marcos. "Die Feiern bedeuten eine Purifikation der Gesellschaft, weil am Ende das Rationale und der Mensch über die wilde Bestie triumphieren."

Tierschützer weisen allerdings darauf hin, dass es auch in anderen europäischen Ländern früher ähnlich grausame Bräuche gegeben habe, diese aber längst verboten worden seien. "In Spanien dagegen zeigten die Regierungen sich stets sehr großzügig", meint Manuel Cases vom Tierschutzverband ADDA. "Die großen Parteien spielen immer dasselbe Spiel. Solange sie in der Opposition sind, versprechen sie strenge Tierschutzgesetze. Aber wenn sie an die Regierung kommen, wollen sie davon nichts mehr wissen."

Allerdings haben die Proteste gegen die Tierquälerei auch in Spanien einiges bewirkt. Einige Ortschaften schafften grausame Bräuche ab oder entschärften sie. In Manganeses de la Polvorosa ist es nicht mehr üblich, dass junge Leute zum Dorffest eine lebende Ziege vom Kirchturm werfen. Stattdessen nehmen sie nun eine Puppe oder Feuerwerkskörper. Mehrere Orte verzichteten bei ihren Dorffesten auf den Brauch, lebende Hähne oder Gänse an den Füßen mit einem Seil über eine Straße zu hängen und ihnen von Reitern die Köpfe abreißen zu lassen.

Der Touristenort Can Picafort auf Mallorca untersagte das traditionelle "Entenwerfen". Dabei waren lebende Enten von Booten aus auf das Meer geschleudert, die von Schwimmern eingefangen werden mussten. Statt der Tiere nimmt man nun Plastikenten. Allerdings gelingt es fanatischen Anhängern des Brauchs immer wieder, trotz des Verbots doch ein paar lebende Enten ins Wasser zu werfen.