Ladrillero wurde kreuz und quer durch die Straßen der Stadt Coria gehetzt. Als dem Stier die Kräfte ausgingen, sank er auf einer Wiese neben der Kathedrale der westspanischen Stadt zu Boden. Ein Gnadenschuss machte seinem Leben ein Ende. Aber Ladrillero, dessen Name auf Deutsch "Ziegelbrenner" bedeutet, hatte noch Glück im Unglück. Bislang war es auf dem alljährlichen Volksfest von Coria üblich gewesen, dass die durch den Ort getriebenen Stiere mit Dartpfeilen beschossen wurden.

Ladrillero jedoch musste nicht als lebende Zielscheibe herhalten. Bürgermeister Juan Valle Barbero hatte in diesem Jahr die Pfeile erstmals verboten und es untersagt, den Stier mittels Blasrohren zu beschießen oder mit Knallkörpern zu bewerfen. Dem sozialistischen Stadtoberhaupt ging es dabei allerdings nicht so sehr um den Tierschutz, sondern um das Ansehen seiner Stadt: "Es ist bekannt, dass die Pfeile dem Stier kaum Schmerzen bereiten, aber sie fügen dem Ruf unseres Festes enormen Schaden zu", betonte er in seinem Erlass.

Der Brauch des "Toro de Coria" (Stier von Coria) ist eines der Volksfeste in Spanien, die am stärksten im Visier von Tierschützern stehen. In den vergangenen Jahren waren die Stiere dort häufig am ganzen Körper - einschließlich der Augen und Hoden - von Pfeilen übersät worden. Ähnlich umstritten wie die Hatz in Coria sind zwei andere Feste, bei denen den Tieren besonders übel mitgespielt wird. Dies sind der "Toro de Vega" in Tordesillas, wo Lanzenträger einen Kampfstier zu Tode stechen, und der "Toro de fuego" (Feuerstier) in Medinaceli, wo ein Stier mit brennenden Kugeln an den Hörnern durch den Ort getrieben wird.

Tierschützer verlangen seit Jahren ein Verbot dieser Bräuche und protestieren dagegen, dass das Misshandeln und Töten von Tieren zu einem Volksvergnügen wird. Bisher mussten sie sich jedoch zumeist mit Teilerfolgen - wie jetzt dem Verbot der Dartpfeile - zufriedengeben. Die Bewohner der jeweiligen Städte halten hartnäckig an ihren Bräuchen fest und berufen sich auf alte Traditionen. Die Regionalzeitung "Hoy" verwahrte sich zum Beispiel scharf gegen Proteste von Tierschützern in Coria: "Da kommen Leute von weither angereist und wollen uns sagen, wie wir zu leben haben", schrieb das Blatt. "Unser Volksfest ist ein jahrhundertealtes Ritual und ein Teil unserer Kultur. Diese findet nicht nur in Theatern und Bibliotheken statt."

Nach einer Legende soll in Coria in grauer Vorzeit alljährlich per Losentscheid ein junger Mann ausgewählt worden sein, der - mit einem Dolch bewaffnet - von den anderen Bewohnern zu Tode gehetzt wurde. Der Zufall wollte es, dass in einem Jahr die Wahl auf den Sohn einer reichen Aristokratin fiel. Die Frau setzte der Legende nach durch, dass anstelle ihres einzigen Nachkommen ein Stier geopfert wurde. "So gesehen wurde ein gewisser Fortschritt erzielt", meint denn auch die Madrider Zeitung "El País". "Vielleicht kommt man eines Tages dahin, auch darauf zu verzichten, Tieren Leid zuzufügen."

Allerdings haben die Tierschützer in Spanien auch einiges bewirkt. Mehrere Ortschaften schafften grausame Bräuche ab oder entschärften sie: In Manganeses de la Polvorosa werfen junge Leute zum Dorffest keine lebende Ziege mehr vom Kirchturm, sondern nehmen eine Puppe oder Feuerwerkskörper. Mehrere Orte verzichteten bei ihren Dorffesten auf den Brauch, lebende Hähne oder Gänse an den Füßen mit einem Seil über eine Straße zu hängen und ihnen von Reitern die Köpfe abreißen zu lassen. Der Touristenort Can Picafort auf Mallorca untersagte es, lebende Enten von Booten aus auf das Meer zu schleudern.