Wer den Aufzug zum Tower von Palmas Airport Son Sant Joan besteigt, hat bereits mehrere Sicherheitskontrollen hinter sich. Es geht fünf Stockwerke nach oben, dann führt eine breite Wendeltreppe zunächst zur Aussichtsterrasse und weiter durch eine letzte Sicherheitstür hinauf in den Kontrollraum. Drei Lotsen haben neben der Koordinatorin an diesem Freitagmittag (4.3.) Dienst - einer erteilt den Maschinen ihre Start- und Strecken­freigaben, einer regelt den Verkehr der startenden und landenden Maschinen, einer den Verkehr auf den Ab- und Zurollwegen zwischen Landebahn und Parkposition.

Wie meistens starten die Flieger auch heute Richtung Meer, stets gegen den Wind. Der Blick der Lotsen aus 54 Metern Höhe gilt aber weniger der Startbahn als den Monitoren sowie Plastikhalterungen mit Kontrollstreifen aus Papier: Für jede startende und landende Maschine wird ein solcher flight progress strip ausgedruckt - und in der Reihenfolge, in der die Lotsen die Halterungen für Landungen (gelb) und Starts (blau) auf ihrem Pult anordnen, passieren die Flieger auch den Airport - bis zu 66 pro Stunde, eine Zahl die an einem Samstag im August durchaus erreicht werde. Dann sind im Tower fünf Lotsen im Dienst, zwei weitere in Reserve. Schließlich sieht das Gesetz Ruhepausen spätestens nach zwei Stunden vor.

Gerne würde man fotografieren, wie sich die Lotsen die Kontrollstreifen mit einer routinierten Handbewegung gegenseitig zuspielen. Doch das ist nicht erlaubt. Aber allein die Tatsache, dass nach vielen Jahren erstmals wieder Journalisten den Tower betreten dürfen, ist bemerkenswert und zeigt, dass einiges in Bewegung gekommen ist. Arbeitsrechtliche Konflikte, wilder Streik, Privatisierungsinitiativen - in den vergangenen Jahren ging es hoch her, und der Tower war für die Medien tabu. Jetzt luden die Gewerkschaften von Lotsen und Piloten die Journalisten ein, um das Klischee von den privilegierten Berufsgruppen zu korrigieren und Normalität zu demonstrieren.

Im Dezember 2010 war der Streit mit der spanischen Regierung um Privilegien, Überstunden und Gehälter eskaliert. Als die damals regierenden Sozialisten die geplanten Reformen forcierten, meldete sich ein Großteil der Lotsen im Tower und im Kontrollzentrum von Palma praktisch gleichzeitig krank. Der Luftraum wurde geschlossen, der Luftverkehr kam zum Erliegen. Auf dieses Chaos reagierte die Regierung kurzfristig mit einer Militarisierung der Kontrollzentren und Klagen, langfristig mit einer Privatisierung der Ausbildung und der Flugkontrolle selbst.

So werden inzwischen 17 Tower in Spanien nicht mehr vom staatlichen Luftverkehrsnetz Enaire (Red de Navegación Aérea) betrieben. Zu den privatisierten Towern gehört der von Ibiza. Davon ist auch

Mallorca indirekt betroffen, denn die Angestellten der Nachbarinsel wurden nach Palma versetzt. Auch ohne die Neuausschreibung von Stellen in den vergangenen fünf Jahren bekamen Palmas Fluglotsen auf diese Weise die lange Zeit geforderte Verstärkung.

Derzeit arbeiten 44 Lotsen im Tower sowie weitere 100 im Kontrollzentrum von Palma, das einen von insgesamt fünf Flugsektoren in Spanien (FIR) überwacht. Je nach Flugintensität wird der Sektor in bis zu acht Positionen aufgeteilt - an diesem Freitag sind es fünf Pulte, die besetzt sind. Wie die Lotsen arbeiten, zeigt Ausbilderin Maite Garrido im Simulator, einem Saal nebenan, der praktisch baugleich mit dem Kontrollzentrum ist. Auf dem Monitor bewegen sich Symbole aller Flugzeuge über dem Archipel, jeweils mit aufklappbarem Menü im Schlepptau. Per Mausklick lassen sich so alle Infos abrufen, um die Reihenfolge für die Landung festzulegen. Rotfarbene Flächen markieren militärische Hoheitsgebiete, neben zweien nord- und südwestlich von Mallorca sind das auch der Nationalpark Cabrera sowie die königliche Sommerresidenz Marivent bei Palma.

Jetzt im Winterhalbjahr ist der Simulator gut ausgelastet: Solange in der Nebensaison weniger los ist, wird die Zeit - neben dem Abbummeln von Extraschichten der Sommermonate - für Schulungen genutzt. Neuestes Projekt, das in diesen Tagen im Tower an den Start geht: Die papiernen Kontrollstreifen werden vollständig durch einen Touchscreen ersetzt. Nach Málaga sei Palma der erste Flughafen in Spanien mit dem innovativen System, erklären die Lotsen.

Dem immer rasanteren technischen Fortschritt steht eine mittlerweile in die Jahre gekommene Belegschaft gegenüber. „Wir brauchen endlich wieder frisches Blut", meint Garrido. Da Enaire inzwischen seit fünf Jahren keine neuen Stellen ausschreibt und stattdessen die im Zuge der Privatisierung frei werdende Belegschaft auf die verbliebenen Standorte zusammenzieht, gibt es keinen Nachwuchs im Tower in Son Sant Joan.

Wie sehr sich der Berufsstand in­folge der Privatisierung gewandelt hat, weiß Fluglotse Raul Vega von der Gewerkschaft USCA. Vor 2010 seien streng nach Bedarf jeweils 150 staatlich subventionierte Ausbildungsplätze angeboten worden. „Heute dagegen müssen Fluglotsen ihre Ausbildung vollständig selbst bezahlen und haben keine Jobgarantie mehr." Statt den früher großzügigen Gehältern verdiene ein Berufsanfänger heute 30.000 bis 50.000 Euro. Die Ausbildung wurde verkürzt - statt die angehenden Fluglotsen für alle anfallenden Tätigkeiten vorzubereiten, gibt es nun eine Grundausbildung und anschließend eine Schulung direkt vor Ort, die bei jedem Standortwechsel des Lotsen erneut ansteht. „Meine Ausbildung hatte noch anderthalb Jahre gedauert", erzählt Garrido. „Heute sind es nur noch ein paar Monate."

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