Einen kleinen Dekoladen in einem mallorquinischen Dörfchen eröffnen oder ein Café direkt am Meer. Vielleicht auch einfach einen Fahrradverleih, oder warum nicht irgendwas Digitales, wo man gleich mit dem Laptop am Strand arbeiten kann? Der Traum von Auswandern, von Sonne, Insel und Freiheit - er mündet bei vielen deutschen Mallorca-Residenten in die Selbstständigkeit. Wenn schon raus aus dem deutschen Arbeitsalltag, dann so richtig: Neuanfang als sein eigener Chef.

Da werden Banker zu Biobauern und Gärtner zu Gastronomen. „Die Umsteiger haben allerdings aber meist wenig Erfolgschancen", sagt Susanne Heibl. Die Österreicherin berät und begleitet als Inhaberin der „Unternehmensgruppe Susanne Cerdá Steuerberatung & Immobilien" seit Jahrzehnten überwiegend deutschsprachige Kunden, die sich auf der Insel selbstständig machen wollen. Das Alter der angehenden Freiberufler sei bunt gemischt. „Das Erfolgsrezept ist, das zu tun, was man gut kann", erklärt Heibl (geborene Cerdá). „Ich habe schon so viele gesehen, die sich hier in der Gastronomie eta­blieren wollten und gescheitert sind, weil sie keine Ahnung davon hatten." Diejenigen, die wissen, was sie tun, seien hingegen oft erfolgreich. „Kenntnisse oder Ausbildung sind sogar noch wichtiger als die Sprache." Besonders junge Menschen im IT-Bereich, deren Arbeits­utensilien in einen Laptop passen, stünden häufig gut da.

Auch hier aber gilt: Nicht immer ist die Realität des Selbstständigen so erfreulich wie die Vorstellung davon. Dann scheitert es an Genehmigungen, harter Konkurrenz oder schlichtweg falscher Kalkulation. „Oft kommen Menschen zu uns, die schon mitten im Prozess zur Selbstständigkeit sind, sich aber gar nicht informiert haben", so Mònica Cirauqui vom Verwaltungsbüro Gabinet Balear de Gestió Laboral. Das gelte für Spanier wie für Deutsche.

Es sind immer mehr Menschen, die ihr Glück als autónomo auf den Balearen versuchen. In kaum einer anderen Region Spaniens stieg die Zahl der Selbstständigen in diesem Jahr stärker an. Knapp 90.000 Menschen sind auf den Inseln als Freiberufler tätig, davon sind etwa 4.000 Deutsche. In Gesamtspanien machen die Freiberufler rund 16 Prozent der Erwerbstätigen aus, in Deutschland sind es nur etwa zehn Prozent. „Hier auf den Inseln haben wir kaum Industrie, auch das bedingt, dass sich viele Menschen selbstständig machen", sagt Mònica Cirauqui.

Ein neues „Ley de Autónomos" (Selbstständigen-Gesetz) könnte dazu beitragen, dass es bald noch mehr werden (siehe Kasten). Die Zentralregierung in Madrid verspricht mehr Flexibilität und Erleichterungen für die Selbstständigen. Auch von Experten auf der Insel werden die im Januar 2018 in Kraft tretenden Neuerungen begrüßt - wenn auch weniger euphorisch. „Vieles ist bei genauerem Hinsehen gar nicht so revolutionär wie es scheint, aber einige Neuerungen im Gesetz sind tatsächlich lobenswert, es geht in die richtige Richtung", findet Cirauqui.

Im Gegensatz zu Deutschland, findet Andreas Lutz, Vorsitzender vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). „Hier ist es in den vergangenen Jahren rechtlich gesehen für Selbstständige immer schwieriger geworden." Das spiegele sich auch in den stark rückläufigen Zahlen der Freiberufler wider.

Sollte Mallorca also tatsächlich eine gute Anlaufstelle für Menschen sein, die sich außerhalb der Bundesrepublik verwirklichen wollen? Die Frage ist schwer zu beantworten, da sind sich alle Experten im MZ-Interview einig und beschränken sich auf Erläuterungen statt Bewertungen. Einer der grundlegendsten Unterschiede zwischen deutschem und spanischem Recht für Selbstständige ist die Versicherungspflicht. Während Freiberufler in Spanien dazu verpflichtet sind, sich bei der Seguridad Social anzumelden - diese schließt Kranken-, Renten- und eine Art Arbeitslosenversicherung ein -, ist in Deutschland nur die Krankenversicherung Pflicht. „Sie können wählen zwischen privater und gesetzlicher. Die gesetzliche kostet rund 410 Euro im Monat, hinzu kommen 90 Euro für die freiwillige, aber ratsame Arbeitslosenversicherung", so Lutz zur Lage in Deutschland. „500 Euro im Monat muss man erst einmal zusammenbekommen."

In Spanien können die Freiberufler selbst entscheiden, wie viel sie in die Seguridad Social einzahlen, mindestens müssen es aber 275 Euro im Monat sein. Dennoch ist der Schritt in die Selbstständigkeit hier normalerweise größer, da dieser Betrag auch für Teilzeitselbstständige gilt und die Seguridad Social weniger Leistungen übernimmt als die gesetzliche Krankenkasse in Deutschland. Starthilfen gibt es in beiden Ländern, in Spanien übernimmt der Staat beispielsweise in den ersten Monaten des Autónomo-Daseins große Teile der Sozialversicherungsbeiträge.

„Jeder sollte sich bewusst machen, dass Selbstständige in Spanien nicht automatisch wenig einzahlen und wenig bekommen, sondern dass sie auch freiwillig mehr einzahlen können und dann später mehr Krankengeld und Rente beziehen", sagt Mònica Cirauqui. Außerdem sei es in Spanien gang und gäbe, sich in mauen Phasen bei der Seguridad Social wieder abzumelden, um Zahlungen zu vermeiden. Das wird vor allem auf der von saisonalen Schwankungen geprägten Urlaubs­insel häufig getan.

„Grundsätzlich ist wichtig, dass man sich gut über die hiesige Gesetzeslage und die Chancen der eigenen Geschäftsidee informiert, am besten mit einem Experten", so Cirauqui. „Gerade als Ausländer, denn die Gesetzeslage unterscheidet sich zwischen den einzelnen Ländern sehr." Günstige Beratungen bietet auch die Handelskammer Cambra de Comerç an. Diese kann zudem bei der Marktbeobachtung helfen. „Es muss nicht gleich ein detaillierter Businessplan sein, aber man sollte schon wissen, wie die Nachfrage in etwa aussieht und wer die Mitbewerber sind", sagt Cirauqui. Dann - und mit ein bisschen Glück - steigen die Chancen, dass der Traum vom Freiberufler auf der Sonneninsel sich nicht als Albtraum entpuppt.

Das neue Gesetz für Selbständige - die wichtigsten Änderungen ab Januar 2018:

Vergünstigungen der Beiträge für die Seguridad Social:

Wer seit mindestens zwei Jahren (bisher: seit mindestens fünf Jahren) nicht mehr freiberuflich gearbeitet hat, bekommt bei einer erneuten Anmeldung als autónomo Vergünstigungen in den Anfangsmonaten.

Mindestbeitrag („base de cotización") der Seguridad Social:

Ein autónomo kann den Beitragssatz bald vier statt zwei Mal pro Jahr ändern. Mònica Cirauqui: „Das ist vor allem für diejenigen wichtig, die saisonalen Schwankungen unterliegen und nicht immer mehr als den Mindestsatz zahlen können."

An- und Abmelden:

Statt wie bisher nur monatsweise ist die An- und Abmeldung bald tageweise möglich. „Das bedeutet eine große Kostenersparnis für diejenigen, die projektbasiert arbeiten", so Cirauqui.

Mutter-/Vaterschaftsurlaub:

Auch ohne angestellte Vertretung bekommt der Selbstständige in dieser Zeit bald eine 100-prozentige Vergünstigung der Beiträge.

Aktive Verrentung:

Selbstständige in Rente dürfen bald weiter in ihrem Betrieb arbeiten und bekommen 100 statt wie bisher 50 Prozent der Rente ausgezahlt, wenn sie mindestens einen Angestellten haben.

Spesenabrechnung:

Bis zu 26,67 Euro pro Tag Steuerleichterung für nicht mit Bargeld gezahlte Spesen (bei Auslandsreisen bis zu 48,08 Euro).

Kommentar: Nicht vergessen - Maloche bleibt auch auf Mallorca Maloche