Um festzustellen, wann Mittwoch ist, bedarf es in Andratx keines Kalenders. Mittwoch ist dann, wenn die Hauptstraße durch den Ort den ganzen Vormittag über völlig verstopft ist, hunderte Menschen mit Körben und Tüten bepackt durch die Gassen ziehen und eine handvoll Ortspolizisten pfeifend und schwitzend versuchen, das Chaos halbwegs in den Griff zu bekommen. Kurzum, Mittwoch ist, wenn Markt ist.

Selbst an heißen Tagen bekommt man in den engen Altstadtsträßchen keinen Sonnenstich. Die Pergolen der links und rechts an den Hauswänden aufgestellten Stände gehen fließend ineinander über und überdachen nahezu den ganzen Weg. Unter ihnen wird so ziemlich alles angeboten, was man im täglichen Leben brauchen kann – oder auch nicht. Töpfe, Pfannen, Gürtel, Kleider, große Hosen, kleine Hosen und von der Zwiebel über den Pfirsich bis hin zu Kartoffeln und Melonen gibt es auch jedes nur erdenkliche Obst und Gemüse. Frisch von der Insel, versteht sich.

Einer der Händler befürchtet wohl ein jähes Ende der Badezeit und bietet bereits jetzt dutzende Strandponchos, die als Handtuch dienen, oder Handtücher, die als Ponchos gedacht sind, zum Dumpingpreis von zwei Euro feil.

Auch am Stand von Annette Rathe gibt es Ungewöhnliches. Eine Art Riesenzucchino liegt in zwei Hälften auf dem Tisch. Jede Hälfte wiegt rund ein Kilo und kostet 4,95 Euro. Wie das Gemüse heißt, weiß weder die Norwegerin, die schon seit 15 Jahren ihre Bioprodukte auf dem Markt verkauft, noch sonst jemand in Andratx. Vielleicht würde es ein Chinese wissen. Aber ein Chinese habe sich noch nie an ihren Stand verirrt. Vor vielen Jahren habe ihr jemand Samen aus dem Land der aufgehenden Sonne mitgebracht, und diese seien prächtig aufgegangen. „Es ist so etwas ähnliches wie ein Kürbis, der nach Salatgurke schmeckt", erklärt die Norwegerin, die aus einem kleinen Dorf unweit eines Fjordes kommt, dessen Namen sie zwar kennt, der aber für Nicht-Norweger eine kaum zu überwindende linguistische Barriere darstellt.

Francisco Martín und sein Sohn Miguel ködern einen Stand weiter noch kaufunschlüssige Kunden mit filigran geschnittenen Probierhäppchen. Sie wissen genau, wie ihre Produkte heißen. Und angesichts der vielen deutschsprachigen Kunden kennen sie auch deren deutschsprachige Bezeichnung. Wenngleich das Wörtchen „Schiiinken" nicht wirklich flüssig über ihre Lippen geht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Markthändlern bestehen sie nicht darauf, dass ihre Waren von der Insel kommen. Das wäre auch geschäftsschädigend, denn für seine Schinkentradition ist Mallorca wahrlich nicht berühmt.

„Ich komme ursprünglich aus der Nähe von Granada", erzählt der 62-Jährige. Sein ganzes Leben habe er mit Schinken und Wurst gehandelt. So, wie er es jetzt mit seinem Sohn tue, habe er es bereits mit seinem Vater von Kindheit an getan. Und der beste Schinken, da gebe es überhaupt keinen Zweifel, komme daher, woher auch Francisco Martín kommt: aus Andalusien.

Die Frage nach dem Wohin nach dem Marktbummel stellt sich nicht. Denn auch da hat der Besucher die Qual der Wahl – an Einkehrmöglichkeiten zwischen den Ständen mangelt es nicht.

Infos

Der Wochenmarkt findet in Andratx jeden Mittwoch von 8 Uhr bis etwa 14 Uhr unterhalb der Kirche statt.

Der Mercado ist sowohl aus Richtung Palma als auch aus Port d´Andratx kommend ausgeschildert.