Ab dem Berggasthof Es Verger wird der Weg richtig schlecht. Schäfchen grasen määhhhend und mit ihren Glocken bimmelnd rund um das beliebte Ausflugslokal. Sie wissen nicht, dass ihnen auf der Speisekarte ein Platz ganz oben reserviert ist. Und der Engländer mit seinem tiefergelegten 318er BMW weiß nicht, dass er bald seinen Unterbodenschutz erneuern darf, denn er wird bis zu dem weiter oben liegenden Waldparkplatz bestimmt ein Dutzend Mal aufsetzten. Und da schrabbelt es auch schon. Wer eine Burg erobern will, der muss mitunter Opfer bringen.

Aber im Vergleich zum Mittel­alter halten sich die Verluste in Grenzen. Mehrfach wechselte die Festung damals blutig ihren Besitzer. Zuletzt wurde sie 1285 von Alfons III. von Aragonien angegriffen, der Mallorca in sein Reich einverleiben wollte. Aber die Insulaner leisteten in ihrer Schicksalsfestung, aus der es kein Entrinnen mehr gab, erbitterten Widerstand und gingen als Helden in die Geschichte ein. Als traurige Helden. Ihre beiden Anführer wurden letztlich aufge­spießt und bei lebendigem Leibe verbrannt.

Wer den schmalen Weg durch das Wäldchen hindurch zu den Überresten der Befestigungsanlage hochspaziert, kann sich kaum vorstellen, dass die Anlage ohne Hubschrauber eingenommen werden konnte. Der Weg ist so ­schmal, dass selbst im 21. Jahrhundert die auf dem Hochplateau neben der Burg eingerichtete Herberge und deren urige Bar noch per Esel mit Lebensmitteln und Getränken versorgt werden muss. Für zwölf Euro kann man sich dort im Schlafsaal einquartieren. Am besten bei Vollmond. Dann, so die Sage, tanzen Hexen auf einem Spinnfaden zu dem gegenüberliegenden, nicht minder wuchtigen Berg.

Da der etwa 20-minütige Aufstieg nicht wirklich viel Kraft kostet, kann man sich, oben angekommen, seinen inneren Kraftreserven widmen. Der Berg ist magisch. Hier strömt besonders reine kosmische Kraft in die Erde ein. Da sind sich die Anhänger der Tiefenökologie ganz sicher. Auch sollen auf dem 825 Meter hohen Gipfel bereits Wunder vollbracht worden sein. Die Legende besagt, dass 1622 ein Pfarrer eine Bittprozession auf den Puig d´Alaró hinaufführte, um das Ende einer langen Dürre zu erflehen. Kurz darauf soll es kräftig geregnet haben. Zum Dank wurde auf dem Plateau eine Wallfahrtskapelle errichtet, zu der auch heute noch Menschen pilgern, um sich bei Gott für die Geburt eines Kindes oder das Überleben bei einem schweren Unfalls zu bedanken.

Die allermeisten Besucher kommen aber wegen der grandiosen Aussicht. Halb Mallorca liegt einem zu Füßen, und an klaren Tagen reicht der Blick bis nach Cabrera. Aus welch Gründen auch immer der Puig d´Alaró bestiegen wird, es sollte nach 13 Uhr oder am Wochenende sein. Sonst muss man sich dieses wunderschöne Stück Mallorca mit den Bauarbeitern teilen, die derzeit der Burg und der Kapelle lautstark zu Leibe rücken.

So gehts hoch:

Von der Autobahn kommend nach Alaró (momentan diverse Baustellen). Durch den Ort hindurch, bis die Straße verkehrsberuhigt wird, dann rechts in Richtung Orient und der Beschilderung Castell d´Alaró folgen. Entweder beim Gasthof Es Verger (Fußweg etwa eine Stunde) oder am Ende des Schotterwegs (Fußweg 20 bis 30 Minuten) parken.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Kindermenu: Fantastische Weihnachtswelten

- Inselgeschichte: Die besondere Historie einer Nachbarschaftsvereinigung