Kaum zu glauben, dass ein Loch in einem Felsen so schön sein kann. Es ist 18 Meter lang und sieht aus wie eine schlecht getöpferte Amphore. Um die Öffnung herum wächst anspruchsloses Gestrüpp, sonst nichts. Trotzdem ist das kleine Naturwunder eine Sehenswürdigkeit.

Allerdings kein Geheimtipp mehr, im Gegenteil: Täglich kommen Touristen nach Son Marroig – dem ehemaligen Landhaus des österreichischen Erzherzogs Ludwig Salvator – und schießen die Halbinsel Sa Foradada (die Gelöcherte) mit ihren Kameras ab. Auf den meisten Fotos wird später nur eine kleine, felsige Landzunge zu sehen sein, an deren Ende ein kleiner weißer Fleck klebt. So winzig, es könnten auch Staubkörner sein.

Grund für den Detailverlust: Die Distanz zwischen Touristen und Motiv ist zu groß. Ihr Problem: Sie kommen nicht näher heran, zumindest nicht mit dem Auto, ganz zu schweigen vom Reisebus. Die Lösung: Ein kleiner, steiniger Weg, der sich neben dem Landhaus den Felsen hinabschlängelt. Bis zu Loch und Meer geht man etwa eine Stunde. Das ist den meisten zu viel, sofern sie überhaupt davon wissen.

Schade, denn so lernen sie weder das Loch näher kennen noch die schnuckelige Bar gegenüber, die Hollywood-Star Michael Douglas so gut gefällt, dass er hier hin und wieder zum Entspannen vorbeikommt. Der prominente Nachbar wohnt einen Felsen weiter, in einer ehemaligen Finca des Herzogs.

Um zu Mallorcas außergewöhnlichstem chiringuito zu kommen, geht es erst mal circa vier Kilometer bergab. Nicht steil, aber stetig, weswegen festes Schuhwerk recht praktisch ist. Der Weg wirkt unberührt, zumindest im März. Keine Verbotsschilder, kein Müll, keine Info-Tafeln. Es fühlt sich an, als ob man durch des Herzogs Garten läuft, dem das alles mal gehört hat. Man glaubt gern, dass es hier auch schon vor hundert Jahren so ausgesehen hat.

Zunächst geht es durch Olivenhaine, vorbei an 20 bis 40 Meter hohen Felsvorsprüngen, von denen nach regnerischen Tagen Wasser herabplätschert. An einigen Stellen so oft, dass sich von oben Stalaktiten und von unten Stalagmiten gebildet haben – ohne Höhle drumherum ein ungewohnter Anblick.

Ungewöhnlich sind auch die Bäume. Einige von ihnen kämpfen mit der Schwerkraft, jeden Augenblick könnten sie aus dem Felsen brechen. Andere haben den Kampf bereits verloren und sind umgekippt. Stämme, Büsche und Gesteinsbrocken säumen ihren Weg.

Die Strecke ist idyllisch, aber an vielen Stellen ungesichert. Häufig ist der Abgrund zum Treten nah. Nicht ganz ungefährlich, denn durch die spektakuläre Aussicht schweifen die Augen überall hin, nur nicht nach unten. Wer aufpasst, kommt aber ohne Probleme ans Ziel. Dort angekommen, weiß man gar nicht wohin mit den vielen schönen Eindrücken. Beim Blick auf das Loch erstarrt man ehrfürchtig vor dem, was das Meer vor tausenden von Jahren aus dem Felsen gespült hat. Und beim Blick auf die Bar erfasst einen der blanke Neid auf so einen traumhaften Arbeitsplatz.

Verstehen kann Lidia Fernández Morell beides. Die 38-Jährige kennt diesen Ort, seit sie auf der Welt ist. 1970 hat ihr Vater dort ein kleines Grundstück gepachtet, auf dem ein halb verfallenes Haus stand. Er baute die Ruine zu einer Familien-Finca mit angeschlossener Bar um. Seit 1999 betreibt seine Tochter Lidia den urigen chiringuito, ihre Eltern und sechs Angestellte helfen ihr.

Arbeit gibt es genug, denn von den Oliven bis zum Personal muss alles in Lidias Geländewagen den schmalen Weg herunter. Stress sei das für die Beteiligten aber nicht, denn der traumhafte Arbeitsplatz entschädige für alles. „Dieser Ort ist einzigartig", sagt die gelernte Zahnarzthelferin. In der Stadt zu arbeiten, könne sie sich nicht mehr vorstellen. „Sa Foradada steckt voller Magie."

Weitere Informationen zum schnuckeligen chiringuito

Die Bar „Sa Foradada" liegt am Fuße der Ma-10 zwischen Valldemossa und Deià. Geöffnet ist sie von März bis Oktober, täglich zwischen 12 und 18 Uhr (außer donnerstags). Wer Paella essen möchte oder eine Feier plant, sollte sich vorher unter Tel.: 616-08 74 99 anmelden. Wander-Muffel können sich übrigens mit dem Boot der Familie abholen lassen.