Wenn in diesen Tagen die neue Stromrechnung ins Haus flattert, gibt es jede Menge Lesestoff: Drei eng beschriebene Seiten umfasst die neue factura de la luz, die der Stromerzeuger Endesa seit Anfang Oktober verschickt. Mit im Umschlag ist auch gleich eine Gebrauchsanleitung sowie ein Info-Blatt des spanischen Industrie- und Energieministeriums.

Mit dem Versand der Rechnung ist die neueste Reform des spanischen Energiemarktes auch beim Verbraucher angekommen. Nach dem Tarif-Ärger Ende vergangenen Jahres - die Regierung hatte eine saftige Erhöhung des Strompreises gestoppt - wurden die bisherigen Auktionen an der Strombörse abgeschafft. Stattdessen soll die Rechnung nun die tatsächlich im Abrechnungszeitraum geltenden Preise widerspiegeln - sei es dank intelligenter Stromzähler, die nach und nach installiert werden, oder mit Hilfe von Durchschnittswerten, die täglich für den Stromverbrauch in Spanien errechnet werden.

Es soll also alles transparenter werden. Die Umstellung auf die neue Rechnung sei zwar aufwendig gewesen, so Joan Maians, Sprecher beim Stromerzeuger Endesa. Doch „die meisten Informationen hatten wir ohnehin vorliegen, es ging nur darum, sie in die Rechnung aufzunehmen". Maians geht davon aus, dass die neue Rechnung wie jede Umstellung erst einmal für etwas Verwirrung sorgen werde, aber dem Kunden letztendlich viele nützliche Informationen an die Hand gebe.

Zunächst einmal gibt es wieder merkwürdige Namen. Der staatlich garantierte Standardtarif für Haushalte mit einer Leistung von weniger als zehn Kilowatt heißt nun nicht mehr TUR (Tarifa de Último Recurso, „Letztinstanzlicher Tarif"), sondern PVPC (Precio Voluntario al Pequeño Consumidor, „Freiwilliger Preis für den kleinen Verbraucher"). Es fallen zudem die vielen Grafiken auf, deren Daten vom eigenen Stromverbrauch über die Zusammensetzung des Strompreises bis hin zum Energiemix reichen. Wir erfahren, dass bei einer Zweimonatsrechnung von 113,86 Euro nur 33,27 Euro auf die Stromerzeugung selbst entfallen. Oder dass der Anteil des Kohle- und Atomstroms - via Unterseekabel zwischen Festland und Mallorca - hier besonders hoch ist und wir deswegen im spanienweiten Vergleich einen höheren Kohlen­dioxidausstoß und mehr radioaktiven Müll verursachen.

Doch die meisten Kunden dürften vor allem verwirrt zurückgelassen werden, glaubt Jordi Castilla von der Verbraucherschutzorganisation Facua. „Es sind sehr technische Informationen." Die eigentlichen Widersprüche im spanischen Energie­markt würden nicht aufgelöst. Wenn Konsumenten bewusst Energie sparten, spiegle sich das kaum auf der Rechnung wieder. Das liegt zum einen daran, dass der Anteil der Fixkosten in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist. Zum anderen entscheidet die Art des Zählers darüber, ob dank stündlich aktualisierter Tarife auch der tatsächlich verbrauchte Strom ­abgerechnet wird - oder aber der Preis für die verbrauchten Kilowattstunden auf der Basis von täglich neu errechneten Durchschnittswerten zustande kommt.

Zumindest geht aus der neuen Rechnung hervor, welche Art von Stromzähler installiert ist - ob also das System mit dem sogenannten Smart Meter nachgerüstet ist (con contador inteligente) oder eben nicht (sin contador inteligente). Nach inoffiziellen Angaben gibt es die neuen Geräte in rund einem Drittel aller spanischen Haushalte, genaue Zahlen für die Balearen nennt Endesa derzeit nicht. Verbraucherschützer Castilla verweist darauf, dass man bereits mehrere Fälle vorliegen habe, in denen sich die Angaben in der Rechnung als falsch erwiesen hätten.

Eine weitere Neuerung ist eine Art Flatrate (tarifa plana), die den Kunden spanienweit in der Rechnung laut Gesetz angeboten werden muss. Der Name ist allerdings missverständlich und hat mit gleichlautenden Angeboten etwa im Mobilfunksektor nichts zu tun. Endesa spricht denn auch von einem Festpreis (precio fijo) für einen Zeitraum von zwölf Monaten. Dieser wird auf der Basis des bisherigen Verbrauchs festgelegt - und am Ende wird dann abgerechnet, was man zu viel oder zu wenig gezahlt hat. Endesa-Sprecher Maians betont, dass es keinerlei Extra-Aufschlag gebe, wenn der Verbrauch höher ausfalle als anfangs berechnet.

Während Endesa als Vorteil des neuen Angebots die Planungs­sicherheit nennt, hält Verbraucherschützer Castilla das Angebot für die falsche Botschaft: Statt Energie­sparen zu belohnen, werde eine Art Freibrief zum Aufdrehen für Heizung und Klimaanlage suggeriert, mit der sich zudem am hohen Strompreis nichts ändere.

Genausowenig wie an der Tatsache, dass sich der Wechsel zu anderen Anbietern auch weiterhin kaum lohnt: Die Unterschiede sind minimal, wie ein paar Klicks im Vergleichsrechner der Energiekommission (www.comparador.cne.es) zeigen. Im Beispielfall (5,75 kW, Jahresverbrauch 3.000 Kilowattstunden) liegt der Unterschied zwischen den errechneten Jahrestarifen bei den zehn als günstigste Stromanbieter aufgeführten Unternehmen unter 10 Euro.