In dem neuen Ratgeber „Sorgenfrei leben unter Spaniens­ Sonne" gibt der frühere Sozial­referent der deutschen Botschaft in Madrid, Rainer Fuchs, Tipps zu Themen wie Wohnsitz, Rente, Erbschaft, Gesundheit und Pflege. Der promovierte Jurist und Ministerialrat a.?D. war auch lange als Referatsleiter für „Inter­nationale und europäische Sozialversicherung" im Bundesministerium für Arbeit und Sozia­les tätig.

Für Ihre Rechte und Pflichten im Bereich der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung kommt es nicht allein auf den formalen Aufent­haltsstatus und den „offiziellen" gemeldeten Wohnsitz an. Der formale Wohnsitz ist vielmehr nur eines unter vielen anderen Kriterien, anhand derer ermittelt wird, wo Sie Ihren wahren Lebensmittelpunkt haben.

Die europäischen Regelungen der Verordnung 883/2004, die festlegen, welche Rechte und Pflichten Sie als Deutscher in Spanien in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung haben, unterscheiden zwischen dem „Wohnort" als dem gewöhnlichen Aufenthalt einerseits und „Aufenthalt" als dem vorübergehenden Aufenthalt andererseits. Diese Begriffe verwirren aber eher. Das Steuerrecht spricht im Doppel­besteuerungsabkommen mit Spanien etwas klarer von dem Ort, an dem der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt.

Lebensmittelpunkt

Im Sozialrecht, im internationalen Erbrecht und im Steuerrecht kommt es nicht darauf an, wo Sie gemeldet sind, sondern auf den Wohnort, an dem Sie sich gewöhnlich aufhalten, und das ist Ihr persönlicher Lebensmittelpunkt.

Melderecht

Davon zu unterscheiden ist die Frage, wo Sie gemeldet sind und welche melderechtlichen Pflichten Sie in Deutschland und in Spanien haben. Mit Ihrer An- oder Abmeldung in den beiden Ländern sagen Sie prinzipiell nichts über Ihren Lebensmittelpunkt aus, sondern nur darüber, wo Sie eine Wohnung innehaben, die Sie auch ganz oder zeitweise

nutzen.

Grauzone: Wohnung in Deutschland und in Spanien

Wo der Lebensmittelpunkt liegt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts­hofes unter Berücksichtigung der Familien­situation, der Gründe für den Umzug, der Dauer des Wohnens und anderer Umstände zu ermitteln (EuGH Rechtssache C-90/97). Die Frage, wo Sie Ihren Lebensmittelpunkt haben (in Spanien oder in Deutschland) ist also oft nur schwer zu entscheiden. Die meisten deutschen Residenten werden zumindest zeitweise auch in Deutschland leben. Insbesondere dann, wenn sowohl eine Wohnung in Deutschland wie auch in Spanien vorhanden ist, gibt es eine Grauzone, in der nicht immer eindeutig festgestellt werden kann, wo der ­Lebensmittelpunkt liegt. Denn es ist eine sehr individuelle Frage, wo ein Mensch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat. Diese Unsicherheit wird oft auch von Behörden beider Staaten mehr oder weniger hingenommen. Deshalb können Sie Ihren Lebensmittelpunkt in gewissen Grenzen auch etwas beeinflussen.

Wollen Sie in Zweifelsfällen absolute Klarheit, so hilft nur eine Absprache mit den zuständigen Behörden in Deutschland und in Spanien, also auf deutscher Seite vor allem mit Ihrer Kranken- und Pflegeversicherung und Ihrem Finanzamt. Diese Stellen führen dann eine Klärung mit ihren spanischen Partnern herbei. Dann bleibt immer noch die Unsicherheit wegen des anzuwendenden deutschen oder spanischen Erbrechts, die Sie aber testamentarisch lösen können.

Die 183-Tage-Regel

Zum Glück gibt es eine Regel, die allgemein anerkannt ist und an die Sie sich im Zweifel immer halten können: Dort, wo Sie sich mehr als die Hälfte des Jahres - also mehr als 183 Tage im Jahr - aufhalten, befindet sich in aller Regel auch Ihr Lebensmittel­punkt. Ansonsten gibt es nur Anhaltspunkte für die Entscheidung, wo der Lebensmittelpunkt liegt.

Hier die wichtigsten Anhaltspunkte:

* Die Dauer und die Kontinuität Ihres Aufenthalts in Spanien. Hier gilt die genannte Regel aus dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Spanien: Danach liegt in der Regel bei einem Aufenthalt in Spanien von mehr als 183 Tagen auch der Lebensmittelpunkt dort. Das ist aber nur eine Regel, also kann man theoretisch auch das Gegenteil vortragen. Der Gegenbeweis wird aber schwierig sein. Ist der steuerliche Wohnsitz Spanien, so gilt das im Zweifel auch in allen anderen Bereichen, vor allem für die Sozialversicherung.

* Die familiären Verhältnisse und persönliche Bindungen an Spanien und Deutschland spielen eine Rolle. So können regelmäßige Reisen nach Deutschland zu hilfs- oder pflegebedürftigen nahen Angehörigen auch dann für einen Lebensmittelpunkt in Deutschland sprechen, wenn Sie mehr als 183 Tage im Jahr in Spanien leben.

* Ehrenamtliche Tätigkeiten und Engagement in dem einen oder anderen Land mit häufigen Reisen dorthin sprechen für eine Verwurzelung dort.

* Die Wohnsituation: Eigentum in Spanien spricht eher für den Lebensmittelpunkt dort, ein langfristiger Mietvertrag ebenfalls. Umgekehrt spricht ein laufender Mietvertrag oder ein Wohn­eigentum?/?Haus in Deutschland für einen Lebensmittelpunkt in Deutschland. Besteht beides, kommt es wieder auf andere Anhaltspunkte an.

Nach diesen Kriterien entscheiden die Behörden, ob Sie Ihren Wohnsitz im juristische Sinn nach Spanien verlegt haben, ob Sie also in Spanien ansässig sind und dort Ihren Lebensmittelpunkt haben.

„Sorgenfrei leben unter ­Spaniens Sonne" von Rainer Fuchs ist erhältlich bei Amazon, der Buchhandlung Akzente in Palma, der Mallorca Zeitung und beim Autor selbst (ratgeber-spanien@gmx.de). Es hat 192 Seiten und kostet19,90 Euro.