In dem neuen Ratgeber „Sorgenfrei leben unter Spaniens Sonne" gibt der frühere Sozialreferent der deutschen Botschaft in Ma­drid, Rainer Fuchs, Tipps zu Themen wie Wohnsitz, Rente, Erbschaft, Gesundheit und Pflege. Der promovierte Jurist und Ministerialrat a.?D. war auch lange als Referats­leiter für „Internationale und europäische Sozialversicherung" im Bundesministerium für Arbeit und Soziales tätig.

Fallbeispiel:

Nach dem Tod ihres Mannes, der in Deutschland einmal eine Kfz-Werkstatt betrieb, ist Frau Schmitz aus Köln (74 Jahre) auf eine kleine Hinterbliebenenrente angewiesen. Davon kann sie gerade die Kosten für die private deutsche Krankenversicherung in Höhe von monatlich 860 Euro und die laufenden Kosten ihres Häuschens in Llucmajor bezahlen, aber ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Was kann sie tun? Kann sie als Deutsche die deutsche Sozialhilfe auch in Spanien erhalten?

Antwort: Unter Umständen: Ja! In Deutschland unterscheidet man verschiedene Formen der Sozialhilfe:

€ die Grundsicherung für Erwerbsfähige, als Hartz IV bekannt,

€ die eigentliche Sozialhilfe, die nur noch Fälle der Erwerbsunfähigkeit betrifft, und

€ die Grundsicherung im Alter.

Für „Hartz IV" muss man dem deutschen Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen - ein Auslandsaufenthalt ist nur mit Zustimmung des Jobcenters etwa für die Ferien erlaubt. Bei Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter ist es erforderlich, dass der Lebensmittelpunkt in Deutschland liegt. Bewohnt Frau Schmitz also ihr Häuschen beispielsweise nur weniger als die Hälfte des Jahres - die berühmten 183 Tage -, so hat sie grundsätzlich einen Anspruch auf deutsche Grundsicherung im Alter.

Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass die Aufenthalte im Ausland nicht länger als jeweils einen Monat dauern. Das ist die Praxis der deutschen Sozialämter. Also: den Winter auf Mallorca verbringen und deutsche Sozialhilfe oder Grund­sicherung im Alter in Anspruch nehmen - das geht nicht.

Welche Leistungen Frau Schmitz bekommt und ob sie ihr Häuschen behalten kann, hängt von einer Reihe von Fragen ab, die sich nur im Einzelfall entscheiden lassen. Vorrangig ist zunächst der Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Kindern. Bei der Grundsicherung im Alter gibt es jedoch einen großen Freibetrag für die Kinder: Sie dürfen jeweils bis zu 100.000 Euro jährlich verdienen, ohne dass sie vom Sozialamt in Anspruch genommen werden können. Das eigene Häuschen muss generell kein Hindernis für staatliche Hilfe sein, wenn es angemessen groß ist. Schwieriger liegen die Dinge allerdings beim Häuschen in Spanien. Jedenfalls darf es in Deutschland kein weiteres Häuschen geben. Zu klären sind diese Fragen nur mit der für die Sozialhilfe und die Grundsicherung im Alter zuständigen Stelle der Gemeinde des Wohnorts in Deutschland.

Und was ist mit den Kosten der privaten Krankenversicherung?

Frau Schmitz kann von ihrer privaten Krankenversicherung jederzeit verlangen, in den sogenannten Basistarif aufgenommen zu werden. Dieser Tarif deckt in etwa die gleichen Leistungen wie die gesetzliche Krankenversicherung und bietet also einen vollen Schutz. Er kostet derzeit 682,95 Euro monatlich - das ist gerade bei älteren Versicherten oft günstiger als der gezahlte Tarif. Wer bedürftig ist, braucht nur den halben Beitrag von etwa 342 Euro monatlich zu zahlen. Die Grundsicherung im Alter übernimmt gegebenenfalls auch die Kosten der privaten Krankenversicherung.

Und wenn der Lebensmittelpunkt in Spanien liegt?

Die deutsche Grundsicherung im Alter oder Sozialhilfe gibt es in diesem Fall nur noch ganz ausnahmsweise. Es muss eine außergewöhnliche Notlage vorliegen, und es muss außerdem und zusätzlich nachgewiesen werden, dass eine Heimkehr aus den folgenden Gründen nicht möglich ist (§ 24 SGB XII):

€ Pflege oder Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen (Sorgerecht) im Ausland bleiben muss, oder

€ längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung, oder

€ die Schwere der Pflegebedürftigkeit, oder

€ hoheitliche Gewalt (Gefängnis).

Eine außergewöhnliche Notlage setzt voraus, dass eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht, wenn die Hilfe nicht gegeben wird. Als längerfristige stationäre Betreuung gilt ein Zeitraum von etwa sechs Monaten.

Die Schwere der Pflegebedürftigkeit muss so aufwendig sein, dass deshalb eine Rückkehr nach Deutschland nicht möglich ist, auch nicht mit einer Begleitperson. In der Praxis fordern die Behörden oft Transportunfähigkeit. Das erscheint zu eng ausgelegt. Denn dann gäbe es in diesen Fällen gar keine Sozialhilfe für Deutsche im Ausland mehr!

Die Hürden für die deutschen Hilfen wurden wegen des berühmten Falles von „Florida-Rolf", der sich angeblich (aber nicht wirklich!) auf Kosten der Sozialhilfe ein schönes Leben in der Sonne gemacht hatte, sehr hoch gelegt. Das war nicht besonders klug, da bei Rückführung nach Deutschland nicht nur das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen missachtet wird, sondern darüber hinaus in der Regel viel höhere Kosten entstehen! Es gibt also leider nur noch seltene Anwendungsfälle der Sozialhilfe nach Spanien.

Fallbeispiel:

Gerhard B. aus Kiel ist 74 Jahre alt und lebt seit 20 Jahren in der Nähe von Palma. Er ist in Deutschland nicht gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Nach einem Sturz und langem Krankenhausaufenthalt verheilt der Oberschenkelhalsbruch nicht. Das Krankenhaus entlässt ihn in seine kleine Wohnung. Er wird von der Familie seiner verstorbenen spanischen Frau betreut und ambulant versorgt. In Deutschland kennt er niemanden mehr. Seinen

Lebensunterhalt kann er nicht bestreiten. Er möchte in ein kleines Pflegeheim unter deutscher Leitung, das er aber auch nicht bezahlen kann.

Rein formal kann in solchen Fällen die Sozialhilfe aus Deutschland verweigert werden, da die Schwere der Pflegebedürftigkeit nach Behördenmaßstab eigentlich nicht groß genug ist. Aber einen Versuch ist es wert!

Ansprechpartner ist der überörtliche Träger der deutschen Sozialhilfe für Spanien:

Landschaftsverband Rheinland, Dezernat Soziales, Tel.: 0221-809-0 Email: post@lvr.de

Mein Tipp:

Wenn Sie in einem solchen oder einem ähnlichen Fall helfen wollen, sollten Sie unbedingt auch mit dem Sozialamt des letzten Wohnortes oder des gewünschten Zielortes in Deutschland sprechen. Da die Alternative eine Rückkehr nach Deutschland ist, die Kosten der Unterbringung und Pflege in Deutschland aber weitaus höher wären, ist so manche deutsche Gemeinde bereit, die Vorschriften großzügiger auszulegen und Sozial­hilfe nach Spanien zu zahlen. Mit etwas Glück und einem engagierten Sachbearbeiter bei der deutschen Gemeinde, unterstützt durch das Konsulat in Palma de Mallorca, kann das durchaus gelingen.