Wer vom Stromriesen Endesa angerufen wird und von den Vorteilen eines neuen Tarifs überzeugt werden soll, kann das Gespräch schnell beenden: Auf die Frage nach einem Tarif, mit dem ausschließlich grüne Energie bezogen werden kann und der nicht den auf Mallorca vorherrschenden Kohle-Erdgas-Mix beinhaltet, muss die Verkaufsagentin aus dem Callcenter passen. So etwas hat der frühere Monopolist bislang nicht im Angebot.

Doch auch wenn auf der Insel bislang weniger als drei Prozent der hier erzeugten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen, gibt es Alternativen für umweltbewusste Stromverbraucher. Mehr als 2.000 Haushalte auf den Balearen kaufen inzwischen als Teilhaber ihre Energie von der Kooperative Som Energia („Wir sind Energie"), die ausschließlich Strom aus Solar-, Windkraft-, Wasserkraft- oder Biogasanlagen bezieht.

Gemessen an den rund 500.000 Stromkunden auf den Balearen ist das freilich nicht allzu viel - immerhin knapp sieben Jahre, nachdem Son Energie an den Start gegangen ist. Doch angesichts der Tatsache, dass die Initiative bislang vor allem auf Mundpropaganda und die sozialen Netzwerke statt große Werbekampagnen setzt, ist Alex Durán trotzdem zufrieden. „Wir verstehen uns als Pioniere", meint der Koordinator der Kooperative auf den Balearen. Ein kräftiges Wachstum wäre sogar kontraproduktiv. Denn neben der Ökologie werden auch Transparenz und Demokratie großgeschrieben. „Bei einer großen Zahl von Teilhabern wäre die Mitbestimmung nur noch sehr gering", so Durán.

Der Wechsel zu Som Energia ist leicht - es genügt, die Website www.somenergia.coop aufzurufen, gegen einen einmaligen Betrag von 100 Euro Teilhaber zu werden („hazte socio" im Reiter „servicios") und anschließend ein Online-Formular mit Daten auszufüllen, die sich ohne Aufwand in der standardisierten Stromrechnung nachlesen lassen („contrata la luz"). Endesa schickt eine letzte Rechnung, im Anschluss übernimmt die Kooperative. Jeder Teilhaber kann zudem Verträge für bis zu fünf weitere Stromabnehmer abschließen.

Die Tarife der Anbieter sind angesichts geringer Gewinnmargen von zwei bis vier Prozent im regulierten Strommarkt auf den Inseln in etwa gleich - mal liege man im Jahresdurchschnitt ein bisschen unter Endesa, mal ein bisschen darüber, heißt es. Und auch die Stromrechnung ist praktisch identisch, schließlich schreibt der spanische Gesetzgeber ihren Aufbau bis ins Detail fest. Dass trotzdem wenige Kunden wechseln, begründet Durán zum einen mit der vorherrschenden Mentalität spanischer Verbraucher. „Eine Umfrage ergab vor Kurzem, dass rund die Hälfte noch nie den Stromanbieter gewechselt hat." Viele wüssten nicht einmal, dass das überhaupt ginge. Ein Hindernis sei aber auch, dass der staatliche Sozialtarif (bono social) nur für die großen Stromkonzerne gelte.

Den größten Marktanteil hat Som Energia in Katalonien, wo sich auch der Gesellschaftssitz befindet und die Mehrheit der derzeit rund 50 Mitarbeiter beschäftigt ist. Spanienweit kommt die Kooperative auf knapp 47.000 Teilhaber und 74.000 Kunden. Statt Werbung erhalten sie Einladungen zu Mitgliederversammlungen, Infos für eine neue Online-Plattform zur Partizipation oder Newsletter zum Fortschritt der eigenen Projekte zur Energieerzeugung, die derzeit knapp sieben Prozent der vermarkteten Energie beisteuern.

Auf Mallorca ist bislang noch keines dieser Projekte am Start. Weder wolle man sich an großen Solarparks beteiligen, die auf der Insel im Gegensatz zum spanischen Festland nur schwer mit dem Landschaftsschutz zu vereinbaren seien, meint Durán. Noch versprächen kleinere Projekte bislang genügend Rentabilität. Stattdessen unterstütze man Teilhaber bei der Installation von Solaranlagen zur Selbstversorgung - auch wenn in Spanien die Einspeisung des selbst produzierten Stroms ins Netz nicht vorgesehen ist und sich Anlagen deshalb erst deutlich später amortisieren als etwa in Deutschland. In einem Pilotprojekt in Katalonien stellt die Kooperative die nötige Beratung und sucht per Ausschreibung günstige Installationsfirmen.

Es sind gerade die Defizite der spanischen Stromwirtschaft, die Som Energia neue Kunden bescheren. Immer dann, wenn über die Nähe zwischen Politik und Stromkonzernen, die Hürden für die Installation von Solaranlagen auf dem eigenen Dach oder hohe Fixkosten in der Stromrechnung berichtet wird, kommt auch die Kooperative in den Medien zu Wort - und die Zahl der Neukunden steigt. „Wir profitieren in gewisser Weise von den Mängeln im System", so Durán.

Auch wenn die Kooperative beim weiteren Wachstum ihren Charakter nicht verlieren soll, sieht der Balearen-Koordinator jede Menge Potenzial. Denkbar sei zum einen, regionale Ableger zu bilden, damit Transparenz und Partizipation weiterhin gesichert sind. Zum anderen kann sich Durán auch gut die Gründung weiterer Kooperativen vorstellen - die dann keine Konkurrenz wären, sondern die Bestätigung, dass die Pioniere von Som Energia auf dem richtigen Weg sind.