Von Silke Droll An Geros Seite sitzt Deutschlands derzeit bekannteste Vertreterin der Zunft der Trance-Experten und Reinkarnationstherapeuten: Doreen Büchner (42) hat auf dem privaten Fernsehsender Vox in der Reality-Doku-Serie „Wer war ich?" Millionen Zuschauer an Rückführungen in die Vergangenheit teilhaben lassen. Bei den an Weihnachten 2005 und im Sommer 2006 ausgestrahlten Sendungen fanden sich die Probanden beispielsweise vor Jahrhunderten in England und Frankreich, als Schäferjungen und Weberinnen, Frauen als Männer und umgekehrt wieder. Schlagzeilen machte Büchner auch mit der Vergangenheitsschau von Daniel Küblböck. Das niederbayerische Pop-Sternchen aus der Fernsehshow „Deutschland sucht den Superstar" hatte als Kameltreiber im Palästina vor 2.000 Jahren Jesus an sich vorbeiziehen sehen. „Ein sehr interessanter Mensch", erinnert sich Büchner an ihn. Praxis in Llucmajor geplant

Die Publicity brachte Büchner in Deutschland auch mehr Klienten in ihre Praxis in Wörrstadt bei Mainz. Trotzdem will sie sich ein zweites Standbein auf Mallorca aufbauen und zwischen Deutschland und „Sonne und Meer" pendeln. Ihr Ziel ist eine Praxis in Llucmajor. Bis es so weit ist, führt sie ihre Klienten in einem angemieteten Raum in einem Laden in Arenal in ihr früheres Dasein zurück.

Dort liegt mit geschlossenen Augen Gero. Der alleinerziehende Vater glaubt fest an Wiedergeburt. Doch gleichzeitig zweifelt er, ob es ihm gelingen wird, die Gegenwart für eineinhalb Stunden komplett loszulassen. Büchner macht Mut. „Sie sind nicht aufgeregter als Daniel Küblböck, und bei dem hat´s auch geklappt", sagt sie. Gero soll sich auf die Töne der Musik und ihre Stimme konzentrieren, ruhig atmen und die Geräusche von draußen vergessen. Auf der Reise in die Vergangenheit geht es zunächst mehrere Rollen rückwärts in Geros jetzigem Leben. Büchner fordert ihn auf, von markanten Erlebnissen in früheren Lebensphasen zu erzählen. Gero fallen der heiße Sommer ein, als er mit 23 Jahren nach Mallorca gezogen war, die Geburt seiner Kinder und die schönen Feste aus seiner Schulzeit. An die Zeit als Kleinkind kann er sich kaum mehr erinnern.

Zeit für den Sprung in die Vorzeit. „Wir gehen ganz einfach und mühelos weiter zu ihrem früheren Leben, das uns erklärt, warum Frauen sie verlassen", sagt Büchner, die neben Gero sitzt und seine Worte auf einem kleinen Block notiert. Wie bei einem Anlauf zum 100-Meter-Sprint wird rückwärts gezählt 10 - 9 - 8 - 7 - 6 - 5 - 4 - 3 - 2 - 1. „Sie betreten Ihr früheres Leben und schauen sich um", sagt Büchner. Gero ist still. Im Vorgespräch hatte Büchner erklärt, dass in diesem Moment innere Bilder in ihm hochsteigen würden und alles, was er tun müsse, sei, diese zu beschreiben. Jetzt sagt sie: „Es dauert ein bis zwei Minuten, bis man eine Ortschaft oder Menschen erkennt." Im Raum ist die Spannung fühlbar. Von Gero ist nichts zu hören. Büchner fragt nach. Ob es hell oder dunkel sei, ländlich oder ein Ort. „Was kommt Ihnen in den Sinn?", fragt sie. Gero räuspert sich. „Nur dass es mir schwer fällt, in den Zustand zu fallen", sagt er. Büchner bleibt dran: „Landschaft oder Ortschaft?" - Gero: „Ich komm da nicht hin." Büchner flößt ihm suggerierend ein: „Ich stelle mir ein früheres Leben vor, das mir erklärt, warum Frauen mich verlassen." - Gero: „Das hört sich irgendwie so blöd an." Den Sprung in die Vergangenheit schafft er nicht und schreibt sich den Flop selbst zu. „Ich glaub, ich bin zu verkopft."

„Sachlicher Zugang"

Trotzdem: Büchners Berufsstolz ist angeknackst. Immerhin ist sie keine Anfängerin auf dem Gebiet der früheren Welten. Seit mehr als zehn Jahren führt die ehemalige Sekretärin Menschen in ihre vorgeburtliche Vergangenheit zurück. Nach ihrer Ausbildung zur Hypnosetherapeutin in England und den USA, entwickelte sie ihre eigene Methode für Rückführungen. Ihre Besonderheit: „Ich gehe sehr sachlich ran. Bei mir gibt es kein Gerede von Engelchen oder Ähnliches."

Mit der stellvertretenden Bewältigung eines Problems aus einem früheren Leben in einer Rückführungssitzung könne man sich eine jahrelange Gesprächstherapie beim Psychologen ersparen, glaubt sie. Ihr Rückführungsmodell gibt sie in Intensivkursen von fünf Tagen auch an andere weiter. Im Jahr 2006 hat sie in Anlehnung an die entsprechende Vereinigung in den USA das „German Institute für Past-Life Research & Therapies (GIPL)" gegründet. Mittlerweile habe sich das Netzwerk zu Europas größter Interessengemeinschaft zu dem Thema mit rund 4.000 Mitgliedern entwickelt. Rückführungen faszinieren anscheinend immer mehr Menschen in Deutschland. Zu Recht, wie Büchner glaubt. Denn: „Wenn jemand ein Problem hat, kann es dafür drei Gründe geben. Entweder ist es ein medizinisches Problem, ein psychologisches oder aber ein karmisches", sagt sie. Insofern ist Geros Problem der Frauen, die nicht bei ihm bleiben, wohl nicht karmisch - also in einem früheren Leben begründet - sondern hat andere Ursachen. Oder er hat gar kein früheres Leben. Denn auch das soll es geben, ganz frische Seelen.

Zu Büchners Ehrenrettung tritt die Besitzerin des Ladens in Arenal an. Die 58 Jahre alte Schweizerin beschäftigt sich viel mit Übersinnlichem, sie meditiert gern und legt Karten. Christina ist sich sicher, dass sie kein Problem haben wird, in ihre Vergangenheit zu gleiten. Sie zieht sich warme Socken an, um auf der mentalen Reise keine kalten Füße zu bekommen, wechselt die Unterlage auf der Kosmetikliege und legt sich selbst darauf. In der Rückschau will sie ergründen, warum sie stets Schuldgefühle plagen.

In der meditativen Vorbereitungsphase auf das Leben vor ihrer Geburt erzählt sie von ihren Ängsten als Kind. „Ich habe immer gedacht, dass jemand unter meinem Bett sein könnte." Ihre Mutter habe sie einmal sehr gescholten, als sie als kleines Mädchen einmal beinahe ihre Schwester in den Kamin geschubst hätte. Büchner sitzt neben ihr und schreibt mit. „Du folgst diesem Schuldgefühl durch Raum und Zeit", sagt sie, als es in die Vor-Zeit geht. Als Christina nicht sofort etwas erkennt, soll sie sich eine Mahlzeit vorstellen, gemeinsame Essen habe es schließlich zu jeder Zeit gegeben. Christina sieht schließlich einen langen Tisch. „Da sind so zehn bis zwölf Personen, angezogen wie Mönche, in einem alten Holzhaus mit einem großen Kamin. Aber die beachten mich gar nicht", sagt sie. Außer ihnen sei noch eine alte Frau im Raum, die Kartoffeln schäle. Die fremdländisch aussehenden Männer wirken bedrohlich auf sie. Sie glaubt, dass die Männer sie ins Feuer stecken wollen, sie kriecht unter den Tisch und sucht eine Gelegenheit zu flüchten. Da gibt ihr die Alte Zeichen und Christina kann weglaufen.

Jahrhundertealte Schuldgefühle

Therapeutin Büchner hakt nach: „Wo ist die Verbindung zu deinen heutigen Schuldgefühlen?" - Christina, noch immer in der Vorstellung ihres früheren Lebens: „Die Oma hat mich gerettet, aber sie war die Leidtragende. Die Männer schmeißen sie in den Kamin, ich sehe sie im Feuer, und ich bin schuld." Hinterher ist Christina ganz aufgekratzt von ihrer Vergangenheitsreise. Sie glaubt im 17. oder 18. Jahrhundert gewesen zu sein. „Die Frauen trugen lange Röcke, und es fuhren Pferdefuhrwerke", sagt sie. Auch Büchner ist froh, dass der Zeitensprung doch noch geklappt hat: „Man kann es nicht erzwingen. Es fließt oder es fließt nicht."

In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Wenn einen das Fernweh packt: Von Mallorca nach Madagaskar

"Sexy Sadie" meditiert nicht mehr: Beatles-Guru Maharishi ist tot

Der falsche Spinner mit der Zieharmonika

Residenten der ersten Stunde: Ein Leben für Mallorcas Gärten