Von Kirsten Lehmkuhl

Ferrer war einst einer der kreativsten Köpfe bei Camper, bevor er vor drei Jahren aus dem Job ausgestiegen ist. Um sich der Meditation zu widmen. Der Spiritualität. Dem Umweltschutz. Vor allem dem Umweltschutz. Und fing gleich bei sich selbst an. Er versorgt sich so gut wie selbst. Man könnte es auch autark nennen. Ferrer hält seine eigenen Hühner. Er backt sein Brot jeden Tag selbst, er presst sein Olivenöl selbst, 25 Bienenstöcke sorgen für Honig. Er produziert seinen Strom selbst aus Sonnenenergie, er trinkt das Regenwasser, das von seinen Dächern läuft.

Ein Tropfen auf den heißen Stein. ?Deshalb müssen alle bewusster mit der Natur umgehen", fordert er. Und engagiert sich in Mallorcas Slow-Food-Bewegung, die sich als Gegenpol zum Fast Food versteht (MZ berichtete). Dabei umfasst Slow-Food viel mehr als gutes Essen: gesunde, nachhaltig produzierte Lebensmittel aus einem ökologischen Landbau nämlich und den fairen Handel mit Bauern, die ihren Boden schonend bewirtschaften.

?Lebensmittel", sagt Ferrer, ?sollten kein industrielles Produkt sein, sondern in kleinen Betrieben erzeugt werden." Warum? ?Weil die multinationalen Konzerne die Erde zerstören. Weil schlechte Nahrung Körper und Seele vergiftet." Ferrer kommt in Schwung. ?Weil das Problem nicht die Armen, sondern die Reichen sind." Denen gibt er ohnehin stets den gleichen Rat: ?Arbeitet weniger, schlaft mehr." Dann richteten sie weniger Unheil an. ?Und ich behaupte: Wenn die kleinen Landwirte verschwinden, verschwindet unsere Lebensgrundlage."

Er spricht mit leiser Stimme, hält inne, schaut aus dem Fenster. Was dieser Mann plant, ist eine sanfte Revolte. Allerdings eine, ?die Mallorca umkrempeln wird". Glaubt er. So wie er einst die Schuhbranche revolutioniert hat, bis seine ?Campers" in den besten Läden von Berlin bis New York zu haben waren. Er hatte auf ein völlig neues Design gesetzt. Die ganze Firma auf ein umweltorientiertes Unternehmensmanagement. Und plötzlich waren die Schuhe mehr als ein paar trendige Treter. Weil sie eine Botschaft transportiert haben. Der Slogan ?Camina, no corras" (Geh spazieren, renne nicht) war Programm.

Jetzt also will Ferrer alle ins Boot holen, die mit unserer Nahrung zu tun haben. Fischer und Landwirte, Uni-Professoren, Wissenschaftler und Lehrer, Köche und Lokalbesitzer. Mit allen wollen die Slow-Fooder einzeln sprechen, alle sollen überzeugt werden, dass es nur einen Weg gibt, um den Globus - und damit uns selbst - zu retten: eine ökologische Wirtschaftsform, mit einem tiefen Respekt für andere Lebewesen.

Allein: Bei rund 2.500 Restaurants nur auf Mallorca gibt es da einiges zu tun. ?Ja", sagt er. ?Und? Wir werden mit allen reden, die mit uns reden wollen." Dieses Engagement werde eine tiefgreifende Veränderung in politischer, sozialer und kultureller Hinsicht herbeiführen. Eine Bewegung in Gang setzen, die nicht mehr zu stoppen sein wird. Denn gutes Essen gibt Kraft, Energie, Power. Gutes Essen gibt Macht: ?Kämpfen wir gemeinsam gegen die Zerstörung der Natur, gegen den Straßenbau, gegen die Zersiedelung der Landschaft. Wir können es schaffen. Mallorca ist zu retten", sagt er.

Ferrer hat sich bereits verändert. Er geht meistens zu Fuß, um nicht auch noch CO2 in die Luft zu blasen. Stiefelt den Berg von seinem Haus hinab ins Dorf, und das sind Kilometer. Nur in Ausnahmefällen benutzt er den Wagen. Auf Flugzeuge will er, der früher um die Welt und besonders gern in die USA, nach Indien und Japan jettete, in diesem Jahr sogar komplett verzichten. Diesem Beispiel sollten alle folgen, fordert er. ?Sonst bleiben wir Gefangene des Öls und des Konsums." Ausnahmen will er nur wenigen gewähren: Männern wie Al Gore zum Beispiel, dem ehemaligen US-Vizepräsidenten und Öko-Aktivisten. Weil dessen Motiv richtig sei. Einer schließlich muss ja die grünen Gedanken in die Welt tragen.

Ohne Kompromisse geht es also nicht. Und das betrifft auch die Person Ferrer. Er ernähre sich vegetarisch, erzählt er. Um dann schmunzelnd fortzufahren, dass er eine Sobrassada aber doch im Kühlschrank habe, diese Paprikawurst vom Schwein ? Ferrer sitzt in grober blauer Kleidung in seinem Korbsessel, einer Art Blaumann für Landarbeiter. Materiellen Dinge wie Kleidung hat er abgeschworen: ?Ich habe mir schon drei Jahre nichts mehr zum Anziehen gekauft. Ich brauche das nicht."

Sein statt Haben ? Schluss mit diesem Konsumverhalten. ?Wenn wir der Erde Schaden zufügen, fügen wir uns selbst Schaden zu, weil alles miteinander verbunden ist", lautet sein Fazit. Und das heißt auch: Finger weg von McDonald´s, weil das Betriebe seien, die Gewalt gegen die Natur ausübten. Ohnehin geht Ferrer so gut wie nie mehr auswärts in einem Restaurant essen, selbst wenn es anderes bietet als amerikanische Hamburger in allerlei Variationen. Der Grund: In nur einem Lokal auf Mallorca fühlt er sich ?sicher", nur dort hat er den Eindruck, dass sein Geist und sein Körper gut genährt werden. Im ?Es Ginebró" in Inca, seiner Heimatstadt.

Also kocht er zu Hause mit seinen selbst angebauten Produkten in seiner supermodernen offenen Küche, lädt Freunde ein, mit denen er sich gemeinsam Sorgen um den Fortbestand der Erde macht. ?Ich sage Ihnen jetzt etwas voraus und bin überzeugt, dass Sie zu gegebener Zeit an mich denken werden: In drei bis vier Jahren steht in Europa und den Vereinigten Staaten ein totaler Zusammenbruch der Wirtschaft bevor, ein solcher Crash, von dem sich so schnell niemand erholen wird."

Woher er das zu wissen glaube? ?Alle Anzeichen deuten darauf hin, ich habe mit sehr vielen, sehr relevanten Leuten gesprochen." Schon fragten ihn die ersten, sehr reichen Bekannten um Rat, was sie denn angesichts dieses düsteren Szenarios denn tun könnten? Seine Antwort ist so schlicht wie einfach. ?Leg dir einen Obst- und Gemüsegarten an, damit du dich selbst ernähren kannst. Frei nach dem Motto: Lo mas revolucionario es crear un huerto. Einen eigenen Garten anzulegen, ist das Revolutionärste überhaupt." In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Ex-Camper-Designer Guillem Ferrer: Der Al Gore von Mallorca

Deutsche Türken auf Mallorca: Nationalität ist hier Nebensache

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