Ihr Auftritt 1968 gilt als einer der wichtigsten Momente der Studentenbewegung gegen die Diktatur. Was genau geschah damals?

Zu dem Konzert kamen rund 6.000 Studenten, die die Lieder kannten und mitsangen. Historiker sagen, dass es allein zahlenmäßig die größte Protestveranstaltung in der Zeit der Diktatur war. Ich habe diesen Moment später in einem Lied beschrieben. Darin heißt es: ?Für ein paar Stunden fühlten wir uns frei, und wer die Freiheit gefühlt hat, besitzt mehr Kraft zu leben.´

Solche Konzerte waren erlaubt?

Normalerweise musste man sich vor einem Auftritt jedes einzelne Lied genehmigen lassen. Dazu musste man die Texte einreichen, die mehrere Zensoren passieren mussten. Allerdings gab es eine Ausnahme für Veranstaltungen innerhalb der Räumlichkeiten der katholischen Kirche und der Universitäten. Die Universitätsleitung hatte das Konzert genehmigt.

Dass kurz zuvor die Proteste in Paris begonnen hatten, war reiner Zufall?

Ja, aber Mai 1968 war nicht nur Paris. Der Prager Frühling, in Mexiko gab es große Aufstände, wir lasen die Reden von Rudi Dutschke auf Italienisch, weil sie auf Spanisch nicht erhältlich waren ...

Protestlieder während der Diktatur, noch dazu auf Katalanisch und mitten in der Hauptstadt. Hatten Sie keine Angst?

Naja, Angst ... Es war eher das Gefühl, dass alles Mögliche passieren konnte. Draußen stand die Polizei mit Wasserwerfern. Ich hatte damals schon Konzerte im Ausland, in Frankreich und Deutschland gegeben. Durch meine Bekanntheit genoss ich einen gewissen Schutz.

Was passierte nach dem Konzert?

Die Studenten liefen zur Demonstration aus dem Universitätsgebäude und wurden sofort von den Wasserwerfern und Knüppeln der Polizei empfangen.

Und Sie?

Einige Studenten brachten mich in Sicherheit und fuhren mich mit dem Auto aus der Stadt. Auch vor dem Eingang zu meinem Hotel wartete die Polizei.

Was hat die Sprache mit dem Protest zu tun? Warum war es verboten, auf catalá zu singen?

Das müssen Sie schon die Zensoren fragen.

Aber es galt als aufsässig, auf Katalanisch zu singen?

Ja, aber ich sang und singe nicht aus Protest auf Katalanisch, sondern weil es meine Sprache ist. Erst die äußere Ablehnung macht es zu etwas Anstößigem. Es war aber auch nicht grundsätzlich verboten. Manche Lieder, vor allem aus der Folklore, durfte man singen, andere nicht. Ich habe einmal katalanische Gedichte aus dem 15. Jahrhundert vertont, die mit der Begründung verboten wurden, dass man sie nicht verstehe. Manche Alben durfte ich aufnehmen und auch verkaufen, aber nicht bei Auftritten singen, oder nur in bestimmten Städten. Es gab kein einheitliches Kriterium in der Diktatur.

Was bedeutete das für Ihre Karriere?

Ein Liedermacher und Sänger lebt von seinen Auftritten und Verkäufen. Wenn ihm die Auftritte verboten werden, ist das fatal.

Was hatte Ihr Konzert mit der französischen 68er-Bewegung zu tun?

In Spanien kämpften wir gegen die Diktatur, aber ein Großteil der Studenten, die auf dem Konzert waren, hätte auch die Forderungen der Studenten in Paris unterschrieben.

Vor 40 Jahren kostete der Eintritt 25 Peseten. Der Erlös wurde streikenden Arbeitern gespendet. Wurde der Eintritt jetzt bei dem Jubiläumskonzert auch gespendet?

Nein. Es gibt inzwischen Hilfsorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen, die sich um so was kümmern.

Derselbe Ort, derselbe Sänger singt die gleichen Lieder, zum Teil dieselben gealterten Zuhörer ... War das eine Erinnerungsveranstaltung, oder haben Ihre Lieder nach wie vor Aktualität?

Ich habe viele neue Lieder gesungen und im Publikum waren überwiegend junge Leute. Es war keine nostalgische Veranstaltung, um ein Tränchen zu verdrücken. Das hätte ich auch nie gemacht.

Die Diktatur ist Geschichte, wofür singen Sie heute?

Die Probleme des kapitalistischen Systems sind ja nicht gelöst, nur weil wir nicht mehr befürchten müssen, verhaftet und gefoltert zu werden. Hunger und Armut bestehen nach wie vor. Damals hatten wir allerdings die Hoffnung, dass es eine Alternative gäbe, den Sozialismus. Heute haben wir diese Alternative nicht mehr. Meine Lieder sind aber auch kein Problemkatalog. Ich drücke durch sie meine Gefühle aus, an die andere anknüpfen können. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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