Heinrich Breloer sitzt mit Zeitung, Handy und einer großen Flasche Wasser im Schatten einer großen Pinie im Garten. Ein Freund hat dem Regisseur für den Monat August sein Haus in Algaida überlassen. Zum Arbeiten und Urlaubmachen. Seinen Laptop hat Breloer im abgedunkelten Wohnzimmer aufgestellt. Hier entstehen die letzten Dialoge zum Hörbuch "Buddenbrooks", das auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst erscheinen soll.

Herr Breloer, seit wie vielen Jahren kommen Sie nach Mallorca?

Das erste Mal war ich Anfang der 70er Jahre hier. Ein Kollege vom WDR hatte ein Haus in Alcúdia und schwärmte von der Insel. Und ich habe noch die Worte meiner Mutter im Ohr, die zu den frühen Touristen der 50er Jahre gehörte. Sie sagte damals: ?Junge, da kannst du ein Glas Wein für sieben Pfennig kriegen.´

Wie haben Sie die Insel damals erlebt und was hat sich seitdem verändert?

Mir hat sofort gefallen, was man hier vor 35 Jahren noch sehen konnte. Franco war zwar noch an der Macht, und Oben-ohne-Mädchen wurden gejagt. Aber zum Beispiel die Schlachter- und Bäckerläden, das waren noch richtige Kommunikationsstuben. Während man langsam von Hocker zu Hocker bis zur Theke vorrückte, erfuhr man alles, was die Menschen im Leben bewegte. Früher brauchte man zum Einkaufen auch mindestens vier oder fünf Geschäfte, bis man alles zusammen hatte. Und die Urlauber sind früher in Llucmajor hilflos umhergeirrt, weil es noch keine Straßenschilder gab. Man fuhr nach der Sonne. Wegweiser hat erst die EU großzügig auf der Insel verteilt. In den vergangenen 20 Jahren hat sich viel verändert, Mallorca ist im Zeitraffer modern geworden. Für mich ist die Insel heute ein gelungenes Stück Europa, in dem alle Nationen friedlich nebeneinander leben.

Und wie steht es um Ihren Lieblingsstrand Es Trenc?

Dort war es früher natürlich viel einsamer. Heute liegen in der Hochsaison tausende von Menschen am Es Trenc - ich habe den Strand ja selbst mit dem Buch ?Mallorca, ein Jahr´ populär gemacht. Trotzdem gehört er noch zu meinen Lieblingsplätzen auf Mallorca. Und wenn man morgens früh genug hinfährt, hat man das bahamas-blaue Wasser noch immer für sich allein. Ich spüre den feinen Sand unter den Füßen und begrüße die Fische im Wasser - doch, die Freude ist geblieben. Spätestens mittags bin ich aber wieder weg.

Wie kam es 1995 zu dem Buch ?Mallorca, ein Jahr´, das jetzt bei Kiepenheuer & Witsch neu aufgelegt wurde?

Die Idee kam mir in einem Sommerurlaub in Ses Covetes Anfang der 90er Jahre, ich wohnte direkt am Meer. Mir fiel damals auf, dass Millionen von Menschen auf die Insel kommen, für die es kein Buch gibt. Ich wollte ein unterhaltsames Urlaubsbuch über Mallorca schreiben und hatte damals meinen Co-Autor Frank Schauhoff, der mit einer Mallorquinerin verheiratet ist, kennengelernt. Wir riefen unseren Lektor bei Kiepenheuer & Witsch an, um ihm die Idee zu unterbreiten, danach fingen wir sofort an zu schreiben. Frank und seine Frau Tonina haben mir eine Reihe von Mallorquinern vorgestellt, die wir zu literarischen Figuren unseres Romans gemacht haben. Im Winter haben wir uns dann wieder in Ses Covetes getroffen. Ich bin viel über die Insel gefahren und habe literarische Skizzen angefertigt, um die Stimmungen besser festzuhalten. Der Feinschliff wurde dann einen Sommer später in Köln gemacht, danach war das Buch fertig.

Wird es ?Mallorca, ein Jahr´ Teil II geben?

Dafür ist momentan keine Zeit. Das Buch war auch mehr ein Sommerspaß, die andere Arbeit lief ja trotzdem weiter. Ich habe ?Mallorca, ein Jahr´ damals relativ schnell geschrieben, in der Hauptfigur steckt viel von mir und meinen persönlichen Erfahrungen drin. Das Buch war dann schnell ein Erfolg, ganz ohne Werbung, und hatte auch einen gewissen Gebrauchswert. Ich wollte die Urlauber dazu ermuntern, hinter die Insel-Fassade zu gucken und die Einheimischen mehr zu beachten. Das Buch müsste heute neu gedacht werden, es hat sich viel verändert.

Macht Mallorca Sie kreativ?

Mallorca ist für mich wirklich die Insel des Lichts, ein magischer Ort. Wenn ich hier sitze, an einem langen Nachmittag, die Luft langsam kühler wird und der Blick auf den Bergen der Tramuntana ruht, dann denke ich: Wie wunderbar, so wolltest du immer leben! Die Landschaft und Ruhe lenken mich nicht ab, sie lenken mich hin. Und ein Büro mit Strandzugang macht einfach gute Laune - für mich der höchste Produktionsfaktor. Inzwischen ist ja auch alles sehr bequem geworden. In den 90er Jahren musste ich noch zur Telefonzelle nach Llucmajor fahren und auf eine Verbindung warten. Jetzt gibt´s Handys und fast stündlich eine Flugverbindung nach Deutschland.

Für Ihre Filme wurden Sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, auf welchen sind Sie besonders stolz?

Ich bin auf alle stolz. Am wichtigsten waren natürlich die ersten Adolf-Grimme-Preise, die ich 1982 für ?Das Beil von Wandsbek´ mit meinem Partner Horst Königstein oder 1987 für ?Eine geschlossene Gesellschaft´ bekommen habe. Da fielen zum ersten Mal die Scheinwerfer auf mich. Der Sender hat mir im Laufe der Zeit dann immer größere Projekte anvertraut.

Was haben Sie für Ihre Karriere getan, woher kommt der Erfolg?

Das Filmemachen ist ein Prozess, ich habe ja nie eine Filmhochschule besucht, sondern aus den Erfahrungen meiner Arbeit gelernt. Die Karriere lief eher unbewusst ab, man geht so von Projekt zu Projekt, hat immer den nächsten Film im Auge, und plötzlich dreht man sich um und sieht, was man schon alles gemacht hat. Ich habe immer nur Filme gemacht, die mich persönlich interessiert haben. Meine Vorliebe gilt den unerzählten Geschichten, über die man noch nicht so viel weiß. Das ist dann auch eine persönliche Suche.

Zum Beispiel?

So ist zum Beispiel der Film ?Wehner - Die unerzählte Geschichte´ entstanden. Bestimmte Teile von Wehners Lebensgeschichte lagen damals noch im Dunkeln. Etwa seine Jahre als Mitglied der Kommunistischen Internationale in Moskau oder seine Beteiligung an der stalinistischen Säuberung in Moskau. Im Winter 1991 habe ich als Erster Einsicht in die bisher geheimen Kaderakten in Moskau und im zentralen Parteiarchiv in Ost-Berlin bekommen. Ich habe mit Zeitzeugen und Wehners Lebensgefährtinnen Lotte Loebinger und Lotte Treuber gesprochen, bin durch das riesige Hotel Lux gegangen und durch die Labyrinthe des Moskauer Lubianka-Gefängnisses. Das ist heute gar nicht mehr möglich. Meine Drehbücher handelten oft von Themen, die gerade im Raum standen oder öffentlich diskutiert wurden. Das war nicht immer leicht zu vermitteln. Die RAF-Geschichte wollte zunächst niemand haben, und bei den ?Manns´ gab es in der ARD Bedenken, drei Teile über einen Dichter zur Hauptsendezeit auszustrahlen. Aber der WDR hat zu mir gehalten.

Was hat Sie an der Verfilmung der ?Buddenbrooks´ gereizt?

Nach den Dreharbeiten zum Film ?Die Manns´ konnte ich die ?Buddenbrooks´ noch mal viel besser als Familie Mann entziffern. Denn durch die Recherche zu dem TV-Dreiteiler kannte ich ja inzwischen einige der Familienmitglieder persönlich. Die Produktion ist eine zeitgemäße, realistische Verfilmung des Romans geworden. Ein Schwerpunkt liegt etwa auf dem wirtschaftlichen Untergang der Familie, auf der Globalisierung, die damals im 19. Jahrhundert bereits begann. Dieses Motiv hat Thomas Mann in seinem Roman nur angedeutet, heute ist es aber von besonderem Interesse.

Wie lange dauert es, einen Kinofilm wie die ?Buddenbrooks´ zu drehen?

Insgesamt drei Jahre. Ein Jahr Vorbereitung und Recherche, ein Jahr Postproduktion und ein Jahr Dreharbeiten. Deshalb bin ich ja auch seit zwei Jahren nicht mehr auf Mallorca gewesen! Stattdessen habe ich die vergangenen sechs Monate in einem dunklen Schneideraum in München verbracht und vom Es-Trenc-Strand geträumt. Gleichzeitig ist die Filmarbeit ein sehr intensives Leben, das unheimlich viel Spaß macht. Vor allem, wenn man ein so gutes Filmteam zusammen hat, wie ich es für die ?Buddenbrooks´ hatte. Ein Besseres gibt´s nicht.

Arbeit, Familie, Alter. Was hat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahren für Sie geändert?

Je älter ich werde, umso stärker wird der Wunsch, nicht mehr in so hohem Tempo zu arbeiten. Insgesamt mehr Zeit zu haben, für die Vorbereitungen, für den Film und in der Phase zwischen zwei Projekten. Der Vorrat an Leben wird kleiner, daher geht man immer kostbarer mit Zeit um. Die Arbeit hat aber ihren eigenen Rhythmus und lässt mich viel unterwegs sein. Für die ?Buddenbrooks´ habe ich zum Beispiel sechs Monate im bayerischen Hof gewohnt und war auch zwischendurch viel unterwegs. Für 2009 ist eine einjährige Auszeit geplant. Dann möchte ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen und Ruhe fürs nächste Projekt haben. Etwas Konkretes habe ich noch nicht entschieden, aber ich erstelle schon fleißig Themenlisten. In der Print-Ausgabe lesen Sie außerdem:

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