Freitag, 12 Uhr, am ýPao-Pao", Höhe Balneario 12. Irgendwo muss hier doch Krach sein, schließlich ist ein Kegelclub namens ýBöse Buben" vor Ort. Doch Fehlanzeige, kein gebrülltes dreifaches ýGut Holz", kein dröhnendes Gelächter, kein anzügliches Pfeifen hinter zügig vorbeieilenden Strandschönheiten ist zu hören. ýBöse Buben", das war einmal, und vielleicht meinten es die Gründer im Jahr 1963 auch nicht ganz so ernst mit ihrer Namensgebung.

ýWir sind ja ruhig, sonst wären unsere Frauen doch nicht so großzügig", sagt Friedhelm Sentker, seines Zeichens erster Böser Bube des Vereins. Mit ihm sind es acht gestandene Herren aus Lingen im Emsland, die da eher gemächlich rund um das Holzfass im ýPao Pao" stehen, mit einem frisch gezapften Bierchen im Anschlag. Es ist ihre Art, ihren 30. Mallorca-Jahrestag zu feiern. So oft kommen sie schon an die Playa, mal mit mehr, mal mit weniger Kegelbrüdern - aber immer ohne Frauen, das versteht sich von selbst.

Acht Kegler, das wäre schon viel bei Friedhelm Rau und den Jungs vom Kegelverein ýO´je" aus Sulz am Neckar. Vier Freunde sind von den zehn Gründungsmitgliedern nach Mallorca geflogen, manche mussten aus gesundheitlichen Gründen absagen, ein Kamerad hatte schon gebucht und war kurz vor dem Abflug plötzlich verstorben. Die Kegler haben über den Verlust getrauert, verfallen jedoch nicht in Melancholie. Nach der Ankunft im Hotel ýLancaster" wird an der Poolbar erst mal Rotwein in Plastikbechern geordert. ýWir haben jetzt ein Alter, da kann schon mal etwas passieren. So isch´ halt", sagt Josef Unterleider in breitem Schwäbisch. An manchen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mitkommen konnte, erinnert man sich gerne.

Wie an den damals schon 120 Kilogramm schweren Kegelbruder, der kurz nach der Ankunft im Hotel mit dem Plastikstuhl zusammenklappte. ýJuhee, ich bin auf Mallorca", wird von ihm als Ausspruch überliefert. Heute wiegt er noch einige Kilos mehr und verzichtet der Gesundheit zuliebe auf enge Sitzreihen im Flieger, instabile Hotelstühle und zu viel Hitze.

Dann waren da noch die Moped-Touren über die Insel, als es noch keine ausgebauten Straßen gab. Einfach Querfeldein-Heizen und dann in einer Bar einkehren oder hoch zu Ross mit Sombrero auf dem Kopf sich wie in ýEine Handvoll Dollars" fühlen. Die Easy-Rider- und Cowboy-Zeiten sind vorbei und ýO´Je" könnte mittlerweile die Antwort auf die Frage nach dem allgemeinen Befinden lauten.

Auch Josef Unterleider lässt keine Gelegenheit aus zu betonen, dass man sich an der Playa de Palma sehr zurückhaltend bewege, eigentlich äußerst ýbrav", geradezu ýschüchtern" sei. Dennoch: Am Abend geht man ins ýBolero", wie früher. Morgen dann vielleicht zum Grillen auf die Finca von Friedhelm Rau. Der hat seit einigen Jahren bei Inca seinen Zweitwohnsitz und fühlt sich pudelwohl. Er habe sogar seinen mallorquinischen Nachbarn die deutsche Pünktlichkeit beigebracht, sagt er stolz.

Die Schwaben-Kegler sind ihren norddeutschen Kollegen um einige Jahre voraus: Mallorca stand bei ihnen schon 35 Mal auf dem Programm. Das erste Hotel, erinnert sich Friedhelm Rau, habe ýPlaya Azul" geheißen und in Can Pastilla gelegen. Damals sei es ein Hostal, also eine Pension mit Toilette auf dem Gang, gewesen. Heute gibt es das ýAzul Playa" immer noch, der blaue Kasten ist allerdings zu einer durchgestylten Luxus-Herberge geworden, deren Tarife das Budget der vier Rentner schon mit einer Übernachtung sprengen würden.

Während bei den Sulzer ýO´Je"-Keglern der traditionelle Mallorca-Aufenthalt entspannt angegangen wird, hat der Lingener Friedhelm Sentker von den ýBösen Buben" ein straffes Programm aufgestellt und jedem Teilnehmer in Form eines DinA4-Zettels ausgehändigt: Nach einem Samstag mit ýFreizeit" folgt am Sonntag der erste ýOffizielle Frühschoppen" und zwar von 12 bis 14 Uhr im Pao-Pao, ýinoffiziell" geht es dann ab 21 Uhr im ýBolero" weiter. Abendessen gibt es immer um 19 Uhr. Nach einem Tagesausflug oder Frühschoppen am Montag steht am Dienstag schon wieder eine ýOffizielle Veranstaltung" an, und zwar die ýPool- oder Strandparty" ab 14 Uhr.

Abends ist mal nichts vorgesehen, damit man sich am Mittwoch um Punkt 12 wieder pünktlich zum ýOffiziellen Frühschoppen" im Pao-Pao einfinden kann. Donnerstag heißt es dann offiziell: ýAbschied nehmen von Mallorca", ab 21 Uhr im Biergarten ýBitburger". Der Begriff ýoffiziell" ist ernst zu nehmen: Wer zu spät kommt, zahlt zehn Euro in die Vereinskasse.

Solch durchorganisierte Fahrten mit monothematischen Veranstaltungen sind heute nicht mehr jedermanns Sache. Um es auf den Punkt zu bringen: Die ýBösen Buben", deren Mitglieder zwischen 48 und 72 Jahre alt sind, plagen Nachwuchssorgen. Friedhelm Sentker denkt laut darüber nach, dass es in diesem Jahr die letzte offizielle Kegeltour gewesen sein könnte.

Die Gesundheit spielt auch nicht mehr so mit: Im vergangenen Jahr musste Horst Klebs, Schriftführer und Autor der 1.000 Seiten starken Vereinschronik, mit einer Kolik ins Krankenhaus. Gut, dass Monika Abrines vor Ort war. Die gebürtige Lingenerin und ehemalige Schulkollegin von Friedhelm Sentker lebt seit über 30 Jahren auf der Insel. Die ehemalige Tui-Reiseleiterin arbeitet heute für die deutsche katholische Gemeinde auf Mallorca.

Damit der Verein nicht ausstirbt, haben es die Sulzer auch schon mal mit Jüngeren probiert. ýAber die passten irgendwie nicht in unsere gewachsene Kameradschaft", befindet Walter Bühl. Die Gründungsmitglieder haben sich alle über die Fußballjugend des FVR Sulz/Neckar kennengelernt. Mit 18 haben sie dann ihren Kegelclub ins Leben gerufen, der in diesem Jahr sein 50. Bestehen feiert.

Daraus sind wahrhaftig Freundschaften fürs Leben gewachsen. Kaum vorstellbar, dass eine Gruppe von 18-Jährigen in Zeiten von Spielkonsole und einem übergroßen Freizeitangebot heute auf die Idee kommen würde, einen Kegelclub zu gründen. ýDas ist ja auch viel zu teuer geworden", sagt Josef Unterleider. Damals habe die Bahn vier Mark für zwei Stunden gekostet, heute 20 Euro. ýWir sind nur noch vier Leute, das ist auch für uns zu teuer."

Ähnlich jung waren einst auch die Lingener: Nach der Fußballjugend beim SV Olympia Laxten, haben einige von ihnen den Kegelverein gegründet, damit man sich nicht aus den Augen verlor. Das ist jetzt 45 Jahre her. Es gibt also viel Stoff für Anekdoten, wie etwa der allererste Mallorca-Besuch 1975 im Hotel, in dem teilweise die Fenster fehlten. Heute können die ýBösen Buben" über ýDon Bandito" herzhaft lachen, den richtigen Namen weiß niemand mehr. Mit einem Bierchen wird dann der Redakteur verabschiedet, natürlich darf ein dreifaches ýGut Holz" nicht fehlen. Es klingt nach Abgesang auf eine deutsche Mallorca-Tradition.

Zurück bei den ruhigen Schwaben: Beim Foto für die Zeitung kommt Leben in die ýO´Je"-Clique: Mit den nackten Füßen im Kinderbecken herumplanschen, das macht Laune. Auch zur Polonäse vor der Pool-Paar stellen sich die vier Schwaben gerne auf. Es wird gefeixt und gelacht, die ersten Sonnenbadenden blicken auf, um zu sehen, woher plötzlich der Lärm kommt, der sogar die Musikbeschallung übertönt.

Der letzte Blick auf die vier Kegelfreunde zeigt einen Kegelbruder auf der Liege, lässig auf einem Arm abgestützt über einer Sonnenbadenden lehnend. Man müsse ja erklären, was hier gerade passiere. Die Schüchternheit des Sportskameraden ist wie weggeblasen. Das könnte ein lustiger Abend im ýBolero" werden. Man weiß ja nie, ob man so jung wieder zusammenkommt.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:>/b>- Die Polonäse geht weiter: Gottlieb Wendehals ist wieder da- Mallorcas Reiche kommen auf leisen Sohlen- Gerettet: Das Weihnachtslamm