Von Andreas John Wir haben Glück. Nur wenige Stunden zuvor sah es nicht gerade nach Motorrad-Wetter aus. Dunkle Wolken zogen über dem Osten der Insel auf. Konsul Wolfgang Wiesner stand dennoch, trotz vereinzelter Regentropfen, pünktlich um zehn Uhr vor dem Eingang unseres Treffpunkts, dem Club Robinson in der Cala Serena.

Kurze Zeit später brechen wir zusammen mit Club-Direktor Monti Galmés auf drei Harley Davidsons, die uns die clubeigene Harley-Mietstation zur Verfügung gestellt hat, zu unserer Tour über die Insel auf. Ebenso wie Galmés ist nämlich auch Konsul Wiesner ein leidenschaftlicher Motorradfan. Unglaubliche 2.800 Kilometer hat der 55-jährige Diplomat seit seinem Amtsantritt im Sommer vergangenen Jahres mit seiner Honda Deauville auf der Insel zurückgelegt. „Auf dem Motorrad nimmst du jeden Meter wahr. Du riechst, du schmeckst und du spürst den Wind, der dir von vorne ins Gesicht bläst", beschrieb Wiesner beim Kaffee vor der Abfahrt seine Lust am Motorradfahren. Auslöser dafür war ein Kultfilm aus den späten 60er Jahren. „Easy Rider hat mich damals schon sehr geprägt", sagt Wiesner, der heute in seiner schicken Leder-Kombi und den schweren Stiefeln tatsächlich ein wenig an Rider-Hauptdarsteller Peter Fonda erinnert.

Bereits mit 16 Jahren sauste Wiesner auf dem ersten Mokick, Marke „Hummel", durch seinen Heimatort Uelzen. Später stieg er auf die damals fast schon obligatorische Kreidler Florett um. Wiesners Kleinkraftrad von einst ist im Vergleich zu der schwarzen Heritage Softail Classic, die er an diesem Februartag über die Landstraße im Inselosten steuert, natürlich ein Zwerg. Das fast 1.600 Kubikzentimeter große Harley-Triebwerk unter dem Konsul blubbert so gleichmäßig wie ein Topf kochender Eier auf der Herdplatte. Doch dann wird es für ihn wirklich kurz brenzlig: Aus einem kleinen Feldweg rechts schert plötzlich ein Trecker aus. Wiesner hat alle Mühen, sein 340 Kilo schweres Bike an dem bereits halb auf der Straße stehenden Traktor vorbeizulenken.

Erinnerungen an einen Unfall

Mehr als auf Glück setzt Wiesner im Sattel auf Sicherheit und Konzen-tration. In den 32 Jahren, in denen er fast täglich Motorrad fährt, war er erst zweimal in einen Unfall verwickelt, der schwerste Mitte der 90er Jahre im karibischen Inselstaat Trinidad-Tobago. „Ich hatte mir an diesem Tag extra eine rote Leuchtweste übergezogen", erinnert sich der Konsul. Auf einer einsamen, schnurgeraden Straße sei es dennoch passiert. „Eine Autofahrerin, die aus einer Seitenstraße abbog, hat mich wohl nicht kommen sehen. Bremsen war nicht mehr möglich, ich schoss einmal über ihre Motorhaube." Ernsthafte Verletzungen zog er sich dabei aber nicht zu.

Unser Weg führt uns auf malerischen Nebenstrecken von Felanitx über Cas Concos weiter Richtung Santanyí. Gegen Viertel vor eins erreichen wir schließlich den Leuchtturm von Ses Salines, den „südlichsten Zipfel Mallorcas", wie Monti Galmés bei unserer kurzen Rast erklärt. Trotz der wieder aufgezogenen Bewölkung lässt sich der vorgelagerte Cabrera- Archipel von hier aus fast gestochen scharf erkennen. Konsul Wiesner ist von der naturbelassenen Landschaft begeistert. „Es ist unglaublich, wie viele unbebaute Flecken es doch noch auf der Insel gibt." Nach einem kurzen Vortrag unseres Reiseführers Galmés über die einheimische Pflanzenwelt geht es schließlich weiter. In Ses Salines wollen wir zum Tapasessen in der Kultbar Manolo einkehren, doch die ist heute geschlossen. Wir fahren also über Es Llombards zurück nach Santanyí. Auf der Plaza ist gerade Wochenmarkt. Zwischen Obst- und Gemüsekisten parken wir unsere drei Bikes und gehen Sobrassada-Brot essen. Die würzige Paprikaschmierwurst schmeckt Wiesner. Er ist froh, dem Konsulats-Alltag für ein paar Stunden entflohen zu sein. „Man glaubt ja gar nicht, wie viel Arbeit hier anfällt", sagt er. Spaß mache sie ihm dennoch. „Jeden Tag erlebe ich etwas Neues. Nichts ist Routine. Nie weiß man, was der nächste Tag einem bringt."

Von Mogadischu bis Mallorca

Neue Herausforderungen, Überraschungen und Unvorgesehenes ist Wiesner gewohnt. 1978 begann er seinen diplomatischen Dienst in Mogadischu (Somalia). Einen Tag vor der Abreise ehelichte er damals Hals über Kopf seine Frau. Natürlich der Liebe wegen, aber auch ein Stück weit, um die damaligen Dienstvorschriften zu erfüllen. „Wir hätten dort sonst nicht zusammen wohnen können."

Von Afrika ging es vier Jahre später nach Trinidad-Tobago, von dort weiter nach Paris. „Dort wäre ich am liebsten den Rest meines Lebens geblieben", schwärmt Wiesner noch heute von den Jahren in der französischen Hauptstadt. Zusammen mit seiner Frau und den beiden Töchtern packte er am Ende aber doch wieder die Koffer. In Bonn begann Wiesners Frau anschließend mit ihrer Ausbildung zur Kosmetikerin. „Das ist auch der Grund, warum ich so jung aussehe", scherzt er. Von der ehemaligen Bundeshauptstadt ging es weiter nach Madrid, es folgten Nairobi (Kenia), wieder Bonn, Karatschi (Pakistan), Amsterdam und schließlich Mallorca. Und auch für uns drei Harley-Biker geht die Reise vorerst ihrem Ende entgegen. Nachdem wir unseren Gastgeber Monti Galmés auf der Plaza in Santanyí verabschiedet haben, fahren wir über s´Alqueria Blanca und Cala d´Or zurück in den Club Robinson. Auf dem Weg von der Rezeption zum Parkplatz wirft Wiesner noch einen letzten Blick auf die Harley. „Spaß hat sie ja wirklich gemacht", sagt der Konsul. „Aber für jeden Tag wäre sie mir doch etwas zu anstrengend."

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