Von Nina Kuschniok

Seine Leidenschaft für Hühner entdeckte der gelernte Industriekaufmann vor einem halben Jahr, die für das Filmgeschäft schon vor zehn. Dabei verlief sein Leben lange Zeit in anderen Bahnen. Der heute 60-jährige Dortmunder brachte es nach einer Lehre bei Hoesch zum Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens ­Hecker, das Glas- und Kunststofftechnik sowie Glaskeramik herstellt. Die Geschäfte liefen gut unter seiner Ägide, die Belegschaft konnte von 9 auf 190 Mitarbeiter ausgebaut werden. Mittlerweile aber hat er sich aus diesem Geschäft fast vollständig zurückgezogen. Nun widmet er sich auf seiner Finca lieber exotischen Hühnerrassen wie Zwerg-Brahmas und Jersey Giants - und eben dem Film­geschäft.

Und das kam so: Als Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär übernahm Wirsing Mitte der 90er Jahre die börsennotierte ems new media und wurde damit zum Vorreiter bei der DVD-Herstellung in Deutschland. „Einige junge Leute baten mich, in die Soft- und Hardware zur DVD-Herstellung zu investieren", erzählt er. Als Kaufmann reizte ihn das Angebot, der Erste zu sein, der in Deutschland einen Spielfilm auf DVD brannte.

Schritt für Schritt ging es von der Produktion der Silberscheiben bis zum Kauf von Film-Lizenzen. Bei der Auswahl der Filmrechte bewies der Dortmunder ein gutes Händchen. „Ich habe ?Monsters´ mit Charlize Theron eingekauft, obwohl in Deutschland alle meinten, der würde bei uns nicht laufen. Und dann bekam Charlize den Oscar", freut er sich noch heute. So rutschte er weiter in das Filmgeschäft hinein. „Als mir auffiel, dass ich dort gelandet war, dachte ich: Oh Gott, da wolltest du doch nie hin!"

Heute betätigt er sich gerne in einer Branche, in der die Menschen sympathischer und fröhlicher seien als in der glasverarbeitenden Industrie. „Beim Film finden Sie selten einen Miesepeter."

Wirsing will sich nun langsam aus der DVD-Sparte bei der ems new media zurückziehen, um sich verstärkt beim Partnerunternehmen 3L als Filmproduzent zu engagieren. „Eine 70-Stunden-Woche muss nicht mehr sein, vor allem möchte ich mehr von dem machen, was mir wirklich Spaß macht." Und das sind, wir sagten es schon, neben den Hühnern die Filmstars. Er will sich jetzt auf die Auswahl von Drehbüchern und Schauspielern konzentrieren. Bis zu fünf Drehbücher landen jede Woche auf seinem Tisch, die wenigsten genügen seinen Ansprüchen. „Mein Ziel ist es, Filme zu machen, in denen der Mensch seinen Kopf gebrauchen muss." Kommerzieller Erfolg müsse dabei nicht immer an erster Stelle stehen. „Nichtsdestotrotz habe ich als Produzent die Verpflichtung gegenüber dem Team, dass der Film auch ein Publikum findet." Vergangenes Jahr brachte er beispielsweise „2 Tage Paris" mit Daniel Brühl und Julie Delpy in die deutschen Kinos.

Wirsings Oscar-Favorit heißt Goldblum

2008 schickt Wirsing unter anderen „Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected" ins Rennen, eine deutsch-israelische Produktion mit Jeff Goldblum in der Hauptrolle. Nachdem der Dortmunder den Schauspieler kennengelernt und Ausschnitte des Films gesehen hat, ist er überzeugt, dass der männliche Oscargewinner 2009 Jeff Goldblum heißen wird.

Mallorca hat er vor drei Jahren neu für sich entdeckt, nachdem er vor 30 Jahren Urlaub auf der Insel gemacht und damals beschlossen hatte, dass er für Pommesbuden und Discomeilen nicht bis nach Mallorca fliegen müsste - die gab´s auch in Dortmund.

Inzwischen hat sich seine Meinung über die Insel geändert. Palmas Promenade sei schöner als die von Nizza und Cannes. Kleiner Wermutstropfen: manche der Landsleute. „Die müssen alle aus Deutschland vor der Polizei, der Frau oder dem Finanzamt geflüchtet sein", glaubt er. Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit und Unehrlichkeit so weit sein Produzentenauge blickt. Den letzten Deutschen, dem er sein Auto auf Raten verkauft habe, hat er seit der Anzahlung nicht mehr gesehen. Das Auto ist

auch weg.

Dennoch zieht er Mallorca seinem früheren Urlaubsdomizil in Arizona vor. Drei Stunden von der Dortmunder Haustür bis zum mallorquinischen Hühnerstall sind unschlagbar für einen Mann, der effizient und ökonomisch denkt. „Außerdem zieht mich absolut gar nichts mehr in ein Land, das so einen Präsidenten wie George W. Bush hat und in dem die Folter legalisiert ist. Heute fliege ich nur noch geschäftlich rüber."

Der spanische Lebensstil hat auf den Ur-Dortmunder abgefärbt, der kein Spanisch spricht. „Ich trinke kein Bier mehr, nur noch Wein. Können Sie sich das vorstellen?" Auch dem Stierkampf kann er einiges abgewinnen. Der Mut des Toreros, die Kraft des Tieres und die Atmosphäre wie bei einem guten Fußballspiel seien faszinierend, sagt der ehemalige Schatzmeister von Borussia Dortmund.

Womit wir wieder beim Film wären. Ab Sommer steht sein Name im Abspann von „Manolete" unter der Rubrik Co-Produzent. In dem Streifen geht es um die tragische Liebesgeschichte des berühmten Toreros Manolete. In den Hauptrollen: Adrien Brody und Penélope Cruz. Als Wirsing die Dreharbeiten besuchte, war er beeindruckt. ­„Penélope Cruz sieht wahnsinnig aus, wie Sofia Loren in ihren jungen Jahren, und Brody ähnelt dem wahren Manolete sehr." Er sichtete einige Szenen, darunter die Schlusssequenz. „Bei der Schlussszene kamen mir sogar die Tränen", wirbt er für seinen Film, bei dessen Dreharbeiten - großes Produzentenehrenwort- kein Tier zu Schaden gekommen sei.

Und vielleicht klappt es ja auch noch mal, Hühnerstall und Studio miteinander zu verbinden. „Vielleicht drehen wir schon in diesem Jahr hier auf der Insel einen Film", meint Wirsing. Verraten will er noch nichts. Außer, dass er bei der Besetzung der Hauptrollen an zwei Oscar-Preisträgerinnen gedacht hat.

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