Von Jutta Christoph

Über Langeweile kann sich Frank Fröhlich in den vergangenen 65 Jahren nicht beklagen. Der Bogen spannt sich von den deutschen Nachkriegsjahren in Berlin, wo er geboren ist und als Kind zwischen Trümmern spielt, bis heute, als pensionierter „Boss von der Playa de Palma".

Sein Weg nach Mallorca beginnt mittendrin. Mit 24 Jahren fährt Fröhlich auf der „MS Hanseatic" als längster Salon-Steward Deutschlands zur See. Er misst damals wie heute stolze 2,01 Meter. Zusammen mit Benny Benndorff, mit 1,57 Meter der kleinste Besatzungsmann an Bord, wird er zur Werbe-Ikone für Seereisen. „Wir waren damals die bekanntesten Stewards im Land", erzählt Fröhlich. „Unser Foto wurde in allen möglichen Zeitschriften abgedruckt."

Der lange Deutsche wollte eigentlich nach Amerika auswandern, doch Benny schwärmt ihm von einer spanischen Insel vor, auf der seine Eltern ein Haus besitzen. Also fährt Fröhlich erst mal mit seinem Freund nach Mallorca. „Ich wollte eigentlich nur einen Winter bleiben, mich ein bisschen ausruhen, Spaß haben." Doch der Winter wurde lang. Sehr lang. „Wir hingen mittags immer im Celler Sa Premsa in Palma rum, da kostete die Paella gerade mal 35 Peseten, das Glas Rotwein 15 Peseten." Das Geld wird trotzdem irgendwann knapp, Fröhlich muss sich einen Job suchen. Er lernt einen Deutschen namens Erich Becker kennen, der ein Kellerlokal und eine Strandbar an der Playa de Palma eröffnen will. Fröhlich stellt sich hinter den Tresen.

„In den 60er Jahren herrschte eine ganz besondere Atmosphäre an der Playa, eine Aufbruchstimmung sondergleichen", erzählt er. Ein gewisser Mr. Wimpy sei zum Beispiel in einem kleinen Auto am Strand entlanggefahren und habe Softeis verkauft. Nachtclubs seien aus dem Boden geschossen, Pensionen und Hotels hätten eröffnet. „Das Einzige, was noch fehlte, war ein Tanzlokal für junge Leute."

Zusammen mit Erich Becker eröffnet Fröhlich also die erste Disco in

Arenal, das Big Apple wird schnell über Mallorcas Grenzen hinaus bekannt. „Dabei war unser Konzept äußerst primitiv", so Fröhlich, „unten gab es eine Tanzfläche und Bühne mit Kapelle, oben eine Galerie zum Runtergucken." Mit der Zeit wird der Laden immer größer, an allen Ecken angebaut. Es kommen Einheimische und Urlauber, das Publikum ist international. „Europawelle Saar und die ARD waren da und haben bei uns gedreht. Und als ich 1966 die erste Discokugel aufgehängt habe, ist ganz Mallorca zusammengelaufen."

Im Big Apple wird gerockt und getrunken, was das Zeug hält. Immer wieder springen die Sicherungen raus oder der Verstärker macht schlapp. „Da wurde nicht lange gefackelt und das Kabel zur Nachbarin rübergeworfen", erzählt Fröhlich. „Die hat es dann in ihrem Wohnzimmer wieder eingestöpselt." Während andere Nachtlokale in Arenal zwischendurch geschlossen werden, gibt es im Big Apple nur selten Probleme mit der Polizei. Fröhlich hat jeden Abend eine Gruppe von 20 bis 30 Leuten abgestellt und die Gäste beobachten lassen. „Küssen in der Öffentlichkeit war ja noch nicht erlaubt, sonst hatte man gleich die Kirchenpolizei am Hals."

1969 laufen die Pachtverträge aus, der spanische Besitzer will das Big Apple selbst weiterführen. Fröhlich beschließt, nach Deutschland zu gehen, um im Taunus einen großen Märchenpark mitaufzubauen. „Das war mal wieder etwas Neues für mich und ich lernte zum ersten Mal, wie man eine Gastronomie führt." Doch es vergeht kaum ein Jahr, da wird er nach Mallorca zurückgerufen. Im Big Apple ist tote Hose, Fröhlich soll die Disco wieder in Schwung bringen. „Nach einer Woche unter meiner Hand lief der Laden wieder."

Doch Fröhlich wäre nicht Fröhlich, hätte er nicht bereits Pläne für etwas Neues. „Zuerst habe ich für drei Jahre eine kleine Pension mit Cafeteria übernommen, aber das war nicht mein Ding." Als 1975 das Angebot einer deutschen Firma kommt, ein Hofbräuhaus in Arenal zu eröffnen, ist er sofort mit dabei. Sieben Jahre später wird auch das langweilig. Nach einer kurzen Karriere als Hoteldirektor im Fabiola geht er 1989 mit seiner mallorquinischen Frau und seinen Kindern nach Deutschland und baut ein Tagungshotel in der Ex-DDR auf.

1999 ist Fröhlich auf Mallorca zurück. Er lebt heute als Rentner in Ciudad Jardín. „Ich habe ein paar Mal gelebt, und ich bin auch ein paar Mal kräftig auf die Schnauze gefallen." Doch sei er immer wieder aufgestanden und vorne mit dabei gewesen. Ob Fröhlich für den Rest seines Lebens auf der Insel bleiben will, ist ungewiss. „Einmal Berliner, immer Berliner", sagt er dazu. Und die Aufbruchstimmung in Berlin sei einfach gigantisch. Gut möglich, dass Fröhlich da noch mitmischen will. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Der Hit-Maschinist aus Arenal: DJ Sammy

Mallorca abstrakt

Als das Glück an die Tür klopfte

Bizarres Tanzvergnügen: Jedem seine eigene Mucke