A wie Ankunft. Matthias Kühn ist Ende November 1958 in Hamburg zur Welt gekommen – dieses Jahr wird er demzufolge 50. Sein Vater war ein im Getränkegeschäft tätiger mittelständischer Unternehmer. Auch seine Mutter stammt aus einer Unternehmerfamilie – ihr Vater besaß ein Betonsteinwerk. „Meine Eltern trennten sich, als ich ein halbes Jahr alt war“, erzählt Kühn bei einem langen Gespräch vergangene Woche in der Firmenzentrale im Pueblo Español in Palma. 

Fortan wuchsen er und sein ­älterer Bruder Michael hauptsächlich bei der Mutter und den Großeltern auf. Die Familie lebte in Hamburg-Alstertal, ­Matthias Kühn tobte beim Uhlenhorster Hockeyclub über Hockey- und Tennisplatz, schon als Kind leistungsbetont. Die Urlaube aber verbrachte die Familie auf Mallorca - dort, in Cala Estancia bei Palma, hatten die Großeltern mütterlicherseits 1960 ein Haus gekauft. Es steht noch, ist jedoch nicht mehr in Familienbesitz (die Kühns verkauften und bauten 1978 gleich nebenan ein neues Haus).

Matthias Kühn ging aufs Gymnasium, machte Abitur, schloss das BWL-Studium in Hamburg als Diplomkaufmann ab und hängte auch noch ein Jurastudium dran, das er bis kurz vor dem ersten Staatsexamen durchzog. Er erwog eine Promotion in Betriebswirtschaftslehre, überlegte es sich dann aber anders: „Ich habe mir gedacht, wenn ich in Hamburg bleibe, dann renne ich das ganze Jahr im dunkelblauen Anzug um die Außenalster rum - das war mir dann doch zu langweilig." Er wollte raus, aus Hamburg, aus Deutschland. „Eine andere Kultur kennenlernen, andere Erfahrungen machen. Im Hintergrund schwang natürlich auch mit: schönes Wetter, Strände, wenig arbeiten, viel Geld verdienen ? wie man sich das so halt so vorstellt."

Also ging Matthias Kühn 1987 nach Mallorca und zog nach Cala Estancia. „Ein Dach über dem Kopf hatte ich ja schon." Es war nicht nur ein Ausstieg aus Deutschland, sondern auch ein Einstieg ins Berufsleben. Hochwertige Immobilien auf Mallorca - da ging doch was. Der 28-Jährige hatte Lunte gerochen.

F wie Familie, Frauen und Freundschaft. „Sicherlich ist es enttäuschend, dass ich meine ursprüngliche Familie nicht so erfolgreich führen konnte, wie ich das eigentlich angestrebt habe." Matthias Kühn ist von einer Deutsch-­Mallorquinerin geschieden und hat aus dieser Ehe zwei Söhne, acht und elf Jahre alt. „Sie ist die Mutter meiner Kinder, arbeitet immer noch bei mir, und wir sind inzwischen richtig gut befreundet." Er ist jetzt mit einer Mallorquinerin zusammen, die ebenfalls geschieden ist und ein Kind hat. Beide leben getrennt. „Wir lassen uns Zeit", sagt Kühn.

Womit der Immobilienunternehmer allenfalls noch ein „halber Junggeselle" ist. Und keineswegs ein Womanizer, wie er beteuert. „Ich wirke anders, als ich bin. Weil ich eine große, kräftige Erscheinung bin und auch noch - so lange sie noch da sind - blonde Haaren habe, denken die Leute vielleicht, ich sei ein Playboy." Aber er ziehe schon lange nicht mehr um die Häuser. „Das habe ich alles mal gemacht, aber das war damals, bevor ich angefangen habe zu arbeiten".

Da ist es wieder, 1987, das Schicksalsjahr im Leben des Matthias Kühn. Der Umzug nach Mallorca und der Berufseinstieg hat auch seine Freundschaften geprägt. Zunächst kamen die Freunde aus Schule, Verein und Studium ihn ja noch besuchen, immer mit großem Hallo. Dann aber wurde es ihm zu viel - Kühn erging es in dieser Hinsicht nicht anders als vielen anderen Mallorca-Deutschen. „Irgendwann habe ich mir gesagt: Matthias, das geht doch nicht, du willst hier doch arbeiten. Ich beschloss, dass ich eigentlich keine Leute mehr bei mir haben wollte. Das hat mir die Jugendfreundschaften ein bisschen genommen. Je älter man wird, desto schwieriger ist es leider, klassische lebenslange Freundschaften zu schließen."

Je älter und je erfolgreicher. Geld und Ruhm erschweren den unvoreingenommenen Umgang mit den Menschen. „Wenn man sich bis in die erste Reihe hochgearbeitet hat, muss man schon aufpassen, dass die gutgläubige Art - und ich bin ein gutgläubiger Mensch - nicht missbraucht wird. Man legt sich so eine Art Schutzmantel um, der für andere Leute vielleicht arrogant erscheinen kann." Er sei schon häufig menschlich sehr enttäuscht worden. Auch Neid spiele immer wieder ­eine Rolle. „Das ist wohl so, je weiter man oben ist: Den Neid muss man sich erst erarbeiten." Und trotzdem: „Ich habe hier ein paar wenige gute Freunde gefunden, denen ich sehr vertraue."

P wie Prestige. Wobei Matthias Kühn natürlich tagein, tagaus mit sehr vielen Menschen zusammen ist. Viele davon sind bekannte Zeitgenossen: Spitzenpolitiker, Wirtschaftsbosse, Showstars, Sportskanonen. Er lässt sich gerne mit ihnen fotografieren. „Wie wichtig mir das ist? Natürlich ist es wichtig. Das gehört zu dem Beruf, den ich ausübe, dazu. Das Interessante dabei ist aber letztlich nicht das Foto, sondern der Kontakt zu diesen Leuten. Was sind das eigentlich für Menschen? Ich bin neugierig auf sie, möchte mehr über sie wissen. Aber Achtung: Meine Welt ist keine reine Prominentenwelt. Das Leben ist bunt. Ich treffe ebenso gerne auf andere Menschen." Das stünde dann halt nur nicht in der Zeitung.

In dem Netzwerk einflussreicher Menschen, in dem sich Kühn bewegt, verschwimmen häufig die Grenzen zwischen dem Privaten und dem Geschäftlichen. Immobilienunternehmer und Kunde treffen sich auch schon mal am Wochenende, auf dem Golfplatz oder beim Cocktail. „Letztlich sind das natürlich auch wieder Geschäftskontakte", sagt Kühn, „aus denen sich dann doch schnell wieder etwas entwickeln kann ..." Es gehe in diesen Kreisen immer internationaler zu, die Welt der Reichen und Erfolgreichen globalisiere sich rasant: „Eigentlich könnte ich ständig in Europa unterwegs sein, man trifft sich hier, man trifft sich dort, aber ich reduziere diese Reisen auf ein Minimum."

Mallorca könnte ein prima Drehkreuz für diese internationale Elite sein. Das ist die Vision von Matthias Kühn, auch dieses Jahr wieder in einem spektakulären, 315 Seiten starken Katalog zu Papier gebracht. Die Häuser für die Superreichen stehen bereit.

R wie Reichtum. „Geld verschafft eine gewisse Unabhängigkeit und ist natürlich wichtig", gesteht er zu. Er will es aber auch nicht überbewerten. „Es ist eher so ein Mischding: Ja, ich wohne in tollen Häusern, aber ich tue das auch gewissermaßen gewerblich. Wenn ich will, kann ich sie ja immer wieder verkaufen. Mache ich ja auch." Dabei legt er Wert darauf, dass er noch geerdet ist: „Nur weil ein Matthias Kühn nicht eine Sache von A nach B tragen kann, ist sein Haushalt nicht brechend voll mit Personal. Ich muss ja nicht immer warten, bis jemand was wegräumt, das kann ich ja auch ein Stückchen selber machen. Wo ist das Problem?" Personal sei selbstverständlich wichtig, aber er versuche, es auf ein Minimum zu reduzieren. Im Garten arbeiten, die Pflanzen sprengen, das genieße er, da könne er entspannen. „Ich kann mich auch noch selber bücken, das habe ich so gelernt."

Und soziale Verantwortung trage er als Unternehmer natürlich auch. Matthias Kühn verbucht darunter die Fürsorge für die Mitarbeiter seiner Unternehmensgruppe (zu der über 30 Einzelfirmen gehören, unter ihnen auch das Inselradio 95,8), seine Kulturstiftung Fundació Matthias Kühn sowie das Sponsoring einer Fußballmannschaft namens Atlético Balears. Die spielt derzeit in der vierten Liga. „Den Mallorquinern bedeutet dieser Club sehr viel, es ist der Club der kleinen Leute, und ich werde häufig darauf angesprochen. Da merkt man, dass man etwas Gutes tut. Ich muss doch morgens in den Spiegel gucken, und mir sagen können: Was du da siehst, ist in Ordnung."

T wie Tugenden. Wenn es nicht allein das Geld ist, was treibt Matthias Kühn noch an? Im Gespräch kommt er immer wieder auf klassische unternehmerische Charaktereigenschaften zu sprechen. Die Rede ist dann von Ehrgeiz („Ich würde nicht sagen, dass ich krankhaft ehrgeizig bin, aber dass ich gesund ehrgeizig bin, bestimmt"), von Fleiß („Ich wüsste gar nicht, was ich machen sollte, wenn ich nicht arbeiten würde"), und, besonders häufig, von Disziplin („Am Ende ist im Leben alles Disziplin. Das ist nun mal so."). Gute alte deutsche Sekundärtugenden also, die er von seiner Mutter vermittelt bekommen hat und die er jetzt auch an seine Söhne weitergeben möchte. Heiligabend hat er mit den beiden Jungs den Tennisspieler Rafael Nadal besucht. Der hat am ­24. Dezember nicht gefeiert, sondern trainiert, und das stundenlang, bei klirrender Kälte: „Seht her, wenn ihr nach oben kommen wollt, müsst ihr trainieren, ob es Spaß macht oder nicht. Das Leben ist Disziplin", sprach der Vater zu seinen Söhnen.

Aber es gibt noch eine andere, überraschende Leidenschaft, die ihn umtreibt: Ästhetik. „Ich habe das Glück, mit schönen Sachen umgehen zu können, sie gestalten zu können. Ich mag schöne Dinge." Erst als Erwachsener habe er entdeckt, wie visuell geprägt er sei. Rückblickend mag das auch daran gelegen haben, dass er als Kind sein Auge geschult habe - mit den „Original" und „Fälschung"-Zeichnungen in der „Hörzu". „Ist wirklich wahr!", ruft er an diesem Nachmittag im Pueblo Espanyol aus. Und Monopoly, Monopoly habe er auch für sein Leben gern gespielt.

T wie Tyrann (oder auch nicht). Dabei sind die besten Geschichten, die auf Mallorca über Matthias Kühn im Umlauf sind, die über sein manchmal ungebremstes Temperament. Einiges an dem Gerede mag übertrieben sein. Aber an schlechten Tagen ist in der Unternehmens­zentrale die Angst der Mitarbeiter vor einem Ausraster des Chefs tatsächlich in der Luft zu greifen. Das hängt auch mit der von ihm selbst so bezeichneten „Mogelpackung der Kühn-Erscheinung" zusammen: 1,91 Meter Körpergröße, über 100 Kilo Gewicht, dunkle Stimme. Ganz unabhängig von seinem Gemütszustand kann so ein Mensch einen Heidenrespekt einflößen. Und wenn es dann zum Äußersten kommt, ist Holland tatsächlich in Not. Dann geht es um hohe Ansprüche - „die Kunden fordern sie schließlich von mir auch ein", rechtfertigt sich Kühn - und häufig auch schlicht und einfach um Druckablassen: „Ich bin ein temperamentvoller Mensch. Ich sage, was ich denke. Aber dann ist die Sache auch raus. In den vergangenen Jahren bin ich schon wesentlich ruhiger geworden, kann viel gelassener mit einigen Sachen umgehen. Dass ich in der Führung zum Teil unbequem bin, unbeherrscht, das mag wahr sein, aber ich bin auch derjenige, der wieder auf die Leute zugeht. Die nehmen das schon gar nicht mehr ernst. Den Druck muss ich halt nach innen ablassen. Nach außen geht nicht - ich bin doch Dienstleister!"

Z wie Zukunft. Innehalten ist das Seine nicht. Es muss alles immer schnell, schnell gehen. Das sei schon immer so gewesen, sagt er: Wenn er das Gefühl habe, er beherrsche etwas, verliere er bald die Lust daran. Derzeit überlegt er, ob er nicht die Bauträger-Tätigkeit ausweiten soll, auch international. Die auf der Insel gemachten Erfahrungen und der hohe hier erreichte Standard könnten ohne weiteres auf andere Märkte übertragen werden. Die Immobilienagentur wolle er dabei auf jeden Fall behalten. „Vielleicht wollen die Kinder da eines Tages mitmachen." Und der Vater bleibt Mallorca natürlich auch auf jeden Fall erhalten. „Es ist meine Heimat. Ich wüsste nicht, wo ich sonst hinsollte. Hier bleibe ich. Me quedo."