Vor der Bundestagswahl waren Sie in einem Spot zu sehen, in dem Sie sich als vermeintlicher Nicht-Wähler outeten …

Es war eine amerikanische Kampagne, die wir adaptiert haben, die gab es auch im Obama-Wahlkampf und sie war dort sehr erfolgreich. Die Idee dahinter war, dass bekannte Menschen provokant behaupten, dass sie nicht wählen gehen. Im zweiten Teil haben wir dann gesagt, dass wir nicht wählen wollen, aber es uns noch einmal überlegen.

Die Kampagne hat nicht jeder verstanden …

Ich habe mich nur gewundert, dass es auch manche Profis nicht verstanden haben. Wir haben uns an die Nichtwähler gewandt, das konnte man nur über Provokation erreichen.

Kritiker werfen der Tagesschau vor, zu langweilig zu sein und fordern nach US-Vorbild einen Anchorman, der den Zuschauern unterhaltsam die Politik erklärt. Was halten Sie davon?

Wir müssten mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn wir das ändern würden. Wir sind die erfolgreichste europäische Nachrichtensendung, können Sie mir mal erklären, warum wir etwas anders machen sollten? In Amerika werden Sie das gleiche vorfinden, die Anchormen sitzen in den Regionalsendern, bei den großen Nachrichtensendern sitzt eine seriöse Person, die glaubwürdig das Weltgeschehen vermittelt. Wir würden einen Fehler machen, wenn wir den Boulevard hereinlassen würden. Das überlassen wir dem ZDF und RTL …

Es gab aber mal eine Tagesschau-Sendung, in der gemeldet wurde, der Sänger Daniel Küblböck sei in einen Gurkenlaster gefahren …

Das war die Entscheidung eines einzelnen Redakteurs, der an diesem Tag Chef vom Dienst war. Der hat dafür auch reichlich Prügel bekommen, zu Recht. Das war aber kein Beinbruch.

Welchen Einfluss hat das Internet auf die Tagesschau genommen?

Wir sind ganz weit vorne, haben als erste Handyfernsehen gemacht, die ´100 Sekunden´, wir haben im Netz den Nachrichtenkanal EinsExtra, der ununterbrochen abrufbar ist, wir haben Internet-Fernsehen, wir selektieren heute Nachrichten, das heißt, sie können an jedem Punkt, zu jeder Zeit Nachrichten bekommen, da sind wir viel weiter als andere.

Private Website-Betreiber kritisieren, dass die Öffentlich-Rechtlichen sich im Internet breit machen, obwohl das nicht ihr Aufrag ist.

Ich kann das zum Teil verstehen, aber wir haben uns auf Regeln festgelegt und halten uns daran, machen zum Beispiel keine Angebote zur Drittverwertung. Sie können doch nicht erwarten, dass man sich als TV-Sender in einer digitalen Welt vom Internet abschneidet.

Können Sie sich vorstellen, in Ihrer Fernsehkarriere noch einmal etwas ganz anderes als Tagesschau und Moderation zu machen, zum Beispiel Satire wie zu Beginn Ihrer Karriere?

Das würde sich nicht vertragen. Man müsste ja immer erklären, dass ich gerade keine Tagesschau mache und dann wäre die Geschichte obsolet. Ich bin der Meinung, andere Formate machen jüngere Leute besser. Mein Gesicht gehört zur Tagesschau, da möchte ich mich ehrlich gesagt woanders auch nicht so gerne sehen. Wie lange ich das noch mache, weiß ich aber nicht.

Was haben Sie den Studenten von Ascenso erzählt?

Ich habe einen Vortrag über das Nachrichtengeschäft gestern und heute gehalten. Warum wir bei der Tagesschau bestimmte Dinge so oder so machen. Natürlich war das auch eine gute Gelegenheit, wieder nach Mallorca zu kommen.

Sie haben hier zwölf Jahre ein Haus besessen. Was sind Ihre Lieblingsecken auf der Insel?

Es gibt so unfassbar viele schöne Ecken jenseits des Trubels, der aber auch dazugehört. Ich fahre nicht nach Mallora, um in der Abgeschiedenheit Zeitung zu lesen, sondern ich will auch Spaß haben. Es ist eben die Vielfalt, welche die Insel so beliebt macht.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Serie: 20 Jahre Mauerfall – Von Kopf bis Fuß auf Trabbi eingestellt