Eilig betritt sie die Lobby des Hotels St. Regis Mardavall auf Mallorca. Alexandra Kamp (43) macht hier ein paar Tage Osterurlaub mit ihrer Familie, kommt gerade zurück von einem Ausflug nach Sóller. Ob im letzten Sommer als First Lady in Hape Kerkelings „Isch kandidiere", als trauernde Mutter im Kurzfilm „The Quartering Act", am 22. April als Gaststar in „Soko Stuttgart", in „Happy Valentine" (demnächst im Kino) - die Schauspielerin lässt sich in keine Schublade stecken. Zurzeit ist sie auf Lesereise.

Für Ihr Hörbuch ´Sexus´ von Henry Miller bekommen Sie gerade tolle Kritiken. Dabei finden viele das Buch langweilig …

Es ist die Autobiografie eines Mannes, gelesen von einer Frau. Das macht es auch für Frauen zugänglicher. Das Buch habe ich schon als Teenager in der Bibliothek meiner Eltern entdeckt. Aber damals nicht verstanden, worum es ging. Henry Miller hat sich darin seitenweise mit Nietzsche verglichen und en détail sexuelle Kollisionen beschrieben. Ich fand den Roman erst fürchterlich, bin aber drangeblieben. Heute verstehe ich, warum Henry Miller eine Ikone war.

Warum?

Er ist einer der wenigen Schriftsteller, der seine sexuellen Fantasien nicht nur niedergeschrieben, sondern sie komplett ausgelebt hat. Hut ab vor solcher Selbstbeichte. Und das im Jahre 1947. Für seine Zeit war das ein Skandal, das Buch stand auf dem Index, schockierte. Heute ist das alles relativ.

Was schockiert heute noch?

Nacktheit an sich finde ich überhaupt nicht schockierend. Pornografie im Zusammenhang mit Brutalität schockiert mehr. Die Verrohung in unserer Gesellschaft. Dass 13-, 14-Jährige auf ihren Handys im Internet schon harte Pornos sehen. Sie wissen noch gar nicht, was Liebe ist, und können die Schattierungen gar nicht mehr sehen: Was ist schon Liebe, was ist noch Sex? Leider dreht sich so das Rad der Welt, man kann es nicht zurückdrehen. Da sind die Eltern gefragt, die den Kindern erklären müssen, dass Pornos nicht der Realität entsprechen.

Seit Ihrer Rolle im Horst-Schlämmer-Film sind Sie auch als Komikerin bekannt. Eine neue Richtung?

Es gab eine Zeit, in der spielte ich nur ernsthafte Rollen. Hape Kerkeling hat in mir das komische Potenzial entdeckt. Manche Leute denken jetzt vielleicht: Die spielt nur komische Rollen. Mein Ziel war und ist es, so breit und variabel wie möglich aufgestellt zu sein. Deshalb spiele ich auch keine Serien. Höchstens Episodenhauptrollen. Nicht, weil ich sie doof finde. Sondern weil ich es einfach nicht mag, in einem festen System eingespannt zu sein.

Was ist daran so schlimm?

Ich bin Lebenskünstlerin, liebe es, zu reisen und spontan zu entscheiden. Ich mag nicht jetzt schon wissen, welchen Film ich in drei Jahren drehen werde. Ich bin in der glücklichen Situation, frei entscheiden zu können. Wenn ich morgen Lust habe, nach Australien auszuwandern, mache ich das. Natürlich könnte ich so nicht leben, wenn ich ein Kind hätte.

Haben Sie sich je ein klassisches Familienleben gewünscht – heiraten, Kinder?

Ich habe mir darüber nie Gedanken gemacht. Ich höre auch jetzt, mit 43, weder Hochzeitsglocken noch die biologische Uhr ticken! Ich mag mein Leben, so wie es ist. Das Wichtigste ist für mich, dass meine Familie und ich gesund sind. Und dem Beruf nachzugehen, den ich gewählt habe und der mir Spaß macht.

Ist das eine Einstellung von innerer Stärke, die mit den Jahren wächst?

Sicher. Ich fühle mich mit 43 viel wohler als mit Anfang 20. Ich kann mittlerweile sagen, dass ich gelernt habe, in mir zu ruhen. Ich mache mir über viele Dinge keinen Kopf mehr. Erst recht nicht, wie ich auf andere wirke.

Der Schauspielerberuf ist mit viel Unsicherheit verbunden. Hat Ihnen das nie Angst gemacht?

Ich habe keine Zukunftsangst. Ich spreche fünf Sprachen, ich könnte theoretisch in jedem Land arbeiten. Wenn ich morgen nicht mehr in meinem Beruf arbeiten könnte, hätte ich kein Problem, mich umzu­orientieren und zum Beispiel wieder in einem Restaurant zu arbeiten.

Hatten Sie dieses Selbstbewusstsein schon immer?

Ja und nein. Mal mehr, mal weniger. Angstfrei aufzuwachsen, ist Erziehungssache. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar. Meine Eltern sind beide ausgebildete Schauspieler, können ganz verschiedene Berufe. Sie haben mich immer als Freigeist erzogen und mich unterstützt. Als ich nach dem Abitur nach New York auf die Schauspielschule gehen wollte, haben sie gesagt: ´Du bekommst kein Geld, musst dich selbst durchschlagen.´ Ich habe neben dem Schauspielstudium in einem französischen Sterne-Restaurant als Kellnerin angefangen. Und wurde innerhalb kürzester Zeit zum maître d´hôtel befördert, weil die Gäste sich bei mir wohlfühlten. Mein Schauspielstudium konnte ich mir dann mit Kellnern und Modeln verdienen.

In Paris sind Sie während Ihres Schauspielstudiums Haute-couture-Schauen gelaufen, etwa für Dior und Givenchy. Wie hat Ihnen diese Welt gefallen?

Ganz ehrlich? Ich fand sie uninspirierend, langweilig und verblödend. Aber es hat mir die Möglichkeit gegeben, zu reisen und neue Sprachen zu lernen.

Bislang waren Sie kein Mallorca-Stammgast. Wann waren Sie zum letzten Mal auf der Insel?

Vor 35 Jahren! In unserer Familie waren wir immer große Formentera- und Ibiza-Fans. Es ist mein Onkel, der uns hierhin eingeladen hat. Das Hotel ist traumhaft schön, ich genieße jeden Moment hier. Ich könnte aber genauso gut mit einem Rucksack in einer Pension wohnen. Es ist doch faszinierend, dass jeder Mallorca-Fan hier sein Plätzchen findet.

In der Print-Ausgabe lesen Sie außerdem:

- Frohe Ostern mit Kunst und Mode

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