Bis zur Casting-Show „Unser Star für Oslo" am 2. Februar 2010 hatte kaum jemand je von ihr gehört: Lena Meyer-Landrut. Trotzdem hat die 19-Jährige aus Hannover mit ihrem Lied „Satellite" und ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest (zuletzt gewann Deutschland vor 28 Jahren mit Nicole) das ganze Land ins „Lena-Fieber" versetzt. Was aber ist dran an der Abiturientin, die weder eine Gesangsausbildung hat noch Noten lesen kann? Wieso wird sie bei ihrer Rückkehr aus Oslo gefeiert wie eine Fußballmannschaft?

Persönlich begrüßt vom niedersächsischen Ministerpräsidenten, beglückwünscht von der Kanzlerin? Die MZ fragte deutsche Musiker auf Mallorca, die seit Jahrzehnten im Geschäft sind …

„Als Sängerin, von der Stimme her, finde ich Lena jetzt nicht die allergrößte. Aber sie hat etwas. Ihre unbekümmerte, frische Art erinnert ein wenig an die junge Nena. Warum jetzt so ein

Hype um ihre Person gemacht wird? Das ist halt so, wenn gewonnen wird. Dann flippen alle aus", sagt Mel Jersey. Der 66-Jährige (Judith & Mel) war selbst zweimal bei der deutschen Vorentscheidung zum Grand Prix dabei. Daneben schreibt er Schlager für andere Interpreten wie Lena Valaitis, ­Florian Silbereisen, Stefan Mross. Den Eurovisionsabend erlebte er vor dem Fernseher, zusammen mit Heino und Hannelore und Stefan Mross. „Der Einfluss von Stefan Raab auf ihren Sieg ist nicht zu unterschätzen. Er ist der Ralph Siegel des 21. Jahrhunderts, macht das intensiv, sucht die richtigen Leute aus." Mel Jersey hat nicht schlecht gestaunt, „dass wir Punkte bekommen haben von Ländern, die uns 30 Jahre lang kaum beachtet haben, wie die Schweiz und Belgien. Raab hat dort gute Promotionarbeit geleistet. In den vergangenen Jahren war der Grand Prix ja fast zu einer Zirkusveranstaltung verkommen. Es ging nur noch um Effekthascherei, nicht um die Lieder." Wie es mit Lena wohl weitergeht? „Das hängt davon ab, wie sie weitergeführt wird. Dazu kann man noch gar nichts sagen."

Jürgen Drews (65) fand den Titel „sehr nett", ist „aber nicht ausgerastet vor Begeisterung". Er sagt: „Das ist oberes Mittelfeld. Wichtiger ist die Person. Etwas an Lena ist einfach besonders: ihre Frische. Sie wirkt so unkapriziös, ungelernt, als sei sie gerade aus der Schule gekommen. Sie könnte jedermanns Tochter sein, erinnert mich auch an meine eigene 14-jährige Tochter. Sie passt perfekt in unsere Zeit, ist einfach ganz typisch für ihre Generation: locker, frisch, frech. Damit kommt sie auch bei Jugendlichen aus anderen Kulturen gut an. Schließlich haben die sie gewählt, nicht die Deutschen. Ganz viele Stimmen für sie kamen von Jugendlichen übers Internet." Warum sie auch im Ausland so beliebt ist, erklärt sich Drews so: „Die Jugendlichen in allen europäischen Ländern haben sich so angeglichen, können sich mit ihr identifizieren. Lena könnte auch Französin sein oder Schwedin. Mit ihrer Musik verbindet sie die Jugendlichen." Noch etwas findet Drews wichtig: „Endlich ändert sich das Image der Deutschen im Ausland. Vorurteile wie: Die arbeiten ja nur, sind humorlos. Lena kommt mit ihrer lockeren, lustigen Art einfach sehr gut an." Am Ballermann kann er sich die 19-Jährige nicht vorstellen: „Damit würde sie sich selbst konterkarieren, ihrer Karriere schaden. Denn Auftritte dort haben immer noch einen Beigeschmack: Einmal Ballermann, immer Ballermann – den Ruf wird man nicht mehr los."

Mickie Krause (39) ist ein wenig kritischer, was die Lena-Mania angeht: „Ich habe die Übertragung im Radio verfolgt, weil ich unterwegs war. Der Song ist kompatibel und damit massentauglich." Typisch frech sein Kommentar zur Person Lena: „Ich nenne sie auch Lena Meyer-Stuhlgang! Sänger mit Doppelnamen? Das kann nicht gut gehen! Aber ernsthaft: Mit dem Mädel kann ich persönlich nicht so viel anfangen. Sie wirkt mir zu überdreht und etwas albern." Und noch etwas: „Lena macht einen auf ganz lieb. Dabei hatte ich den Eindruck, dass das von ihr knallhart vorbereitet ist. Schließlich hat sie schon mal bei RTL ihre Brüste raushängen lassen (in der RTL-Doku-Soap „Bitte helfen sie mir!", Anm.d.Red.). Ich glaube nicht, dass sie ganz so brav ist." An die Playa de Palma? „Passt sie auf keinen Fall. Lena würde schon gut ankommen, zum Beispiel im ­Pueblo Español oder in der MegArena.

Aber die Leute hier wollen vor allem eines: Party. Und sie würde sich da kaum wohlfühlen."

Rainhard Fendrich (55) hat den Grand Prix erst gar nicht gesehen: „Aber unterwegs sah ich Horden von Mädchen. Es war unglaublich, wie bei der WM: Jedes Lokal der Insel war voll. Die Begeisterung hat mich angesteckt! Ich finde Lena ganz süß, sie ist genau der Typ, den man in diesen Zeiten braucht. Toll, wie es einem 19-jährigen Mädchen, das gerade Abitur gemacht hat, gelingt, dieser Belastung, die mit dem Grand Prix verbunden ist, standzuhalten. Auch wie Stefan Raab die Dinge bewegt, ist einzigartig."

In der Print-Ausgabe lesen Sie außerdem:

- Generation Lambruso: Helmut Bohlens neuer Mallorca Romen

- Lili Marleen: Lale Andersons Sohn erinnert sich

- Trauer um Carlota von Münchhausen

Diese Artikel finden Sie auch hier.