In den Gassen von Artà staut sich die Hitze. Seit 9 Uhr steht Ruth Maria Kubitschek, die am 2. August 79 Jahre alt wird, vor der Kamera („Im Fluss des Lebens"). Inzwischen ist es 18.30 Uhr – wieder einmal ist der Drehtag länger als geplant. Aber sie ist durch und durch Profi, klagt nicht. Nur manchmal ist ihr die Anstrengung anzusehen. Immer wieder fächeln Assistentinnen ihr frische Luft zu. Oder reichen ein Tuch – gegen die Luftfeuchtigkeit ist selbst der beste Puder machtlos...

Angesichts der Anstrengung – macht das Drehen Ihnen noch Spaß?

Ja, das macht es. Nur heute war es körperlich extrem anstrengend. Aber schwierige Szenen, die mich fordern, machen Spaß.

Zwei Tage vor Drehbeginn hatten Sie einen Unfall. Was ist passiert?

Ein Auto hat mich angefahren, als ich über einen Zebrastreifen ging. Ich fiel hin, die Fahrerin holte die Polizei, die brachte mich ins Krankenhaus. Ich hatte eine leichte Kopfverletzung, ein dickes Knie – nicht so schlimm. Der Schock war größer.

Sie sind auch Malerin und Autorin. Das Drehbuch für Ihren aktuellen Film entstand nach Ihrem Roman ´Im Fluss des Lebens´. Wie viel von Ihren Geschichten ist autobiografisch?

Die Geschichten sind immer frei erfunden. Aber das, was die Menschen denken und fühlen, bin schon ich.

Wie schaffen Sie es, mit fast 79 Jahren so fit zu sein?

Durch Meditation. Ich meditiere jeden Morgen. Wenn ich arbeite, manchmal nur 15 Minuten. Sonst eine Stunde. Ich kann nur immer wieder sagen: Ich habe nur durch die Meditation mein Leben entwickelt. Dadurch und durch Lesen und Lernen bin ich an dem Punkt, an dem ich heute bin. Deshalb habe ich auch keine Angst, dass ich etwas nicht schaffe, mir zum Beispiel ein Text nicht einfällt. Ich weiß, dass ich jede Szene bewältige.

Wie funktioniert das?

Ich habe ein Gebet, dass ich jeden Morgen bete. Eine Art Affirmation. Man kann auch sagen Mantra. Ich zentriere mich in meiner Mitte, frage mich: Was sind meine Gedanken, was sind meine Ängste, was tut mir gut, was erfüllt mich?

Sie sind bekannt für Ihre esoterische ­Lebensweise …

Spirituelle. Esoterisch hat so einen negativen Beiklang. Wie esoterische Messen, auf denen viel dummes Zeug ver-kauft wird. Da grenze ich mich ab. Ich versuche, ein spirituelles Leben zu leben. Was sich in all meinem Tun zeigen muss.

Worin zum Beispiel?

In meiner Ruhe am Set. Weil ich nicht nervös bin. Gestern sagte ein Schauspieler zu mir: Du sitzt so ruhig neben mir, dann kann ich das auch. Früher war ich viel verletzbarer, unsicherer und auch unruhigerer.

Was hat Sie dazu gebracht, sich mit Spiritualität zu beschäftigen?

Der Tod vieler meiner Freunde. Mit Mitte 40 verlor ich fünf meiner liebsten Menschen. Ich musste mich mit dem Leben beschäftigen, weil ich den Tod erlebt habe. Dadurch bin ich wieder offen und lebensbejahend geworden. Ich habe die Kostbarkeit des Lebens begriffen. Und gelernt, im Hier und Jetzt zu leben. Nicht über Vergangenheit und Zukunft zu grübeln.

Meditation als Kraftspender?

Klar. Was die meisten Menschen nicht wissen ist, dass man sich durch Meditation erneuern kann. Geistig, seelisch und körperlich. Wenn man ganz fertig ist und meditiert, ist man anschließend wieder frisch.

Verluste spielen in Ihren Büchern eine große Rolle. Wächst man nur durch Schmerz?

Ja. Man kann auch durch Glück und Zufriedenheit wachsen. Aber das ist schwierig. Da muss man erst hinkommen. Zu wissen, wie kostbar es ist, wenn alles läuft. Und ich in mir zufrieden bin. Heute kann ich sagen: Ich bin in mir zu Hause. Deshalb habe ich mich auch aus der Welt zurückgezogen.

Wie leben Sie heute?

In einem Dorf (Salenstein am Bodensee in der Schweiz; Anm. der Red), in dem es keine Geschäfte gibt. Mit meinem Garten. Ich vergeude mein Leben schon lange nicht mehr mit irgendwelchen Quatsch-Abenden oder Einladungen.

Die meisten Menschen suchen diese Geselligkeit, weil sie denken, dass dort das Leben ist …

Da ist leider nicht das Leben. Jedenfalls nicht für mich. Mein Sohn (Alexander, aus der Ehe mit dem Regisseur Götz Friedrich) lebt mit seiner Frau und meiner Enkelin in der Nähe, wir sehen uns immer sonntags. Jeden Freitag treffe ich mich mit meiner Enkelin. Ich habe Freunde und Freundinnen – das ist das Wichtigste.

Ihr Lebensgefährte, Filmproduzent Wolfgang Rademann (76, ´Die Schwarzwaldklinik´, ´Das Traumschiff´), ist da ganz anders. Sie sind seit über 30 Jahren zusammen. Obwohl Sie so verschieden sind …

Er lebt in Berlin, braucht den Trubel. Aber ich nicht. Gegensätze ziehen sich eben an.

Alltag haben Sie nicht. Bleibt Ihre Beziehung dadurch spannend?

Immer wenn man sich sieht, hat sich jeder verändert. Dann ist es jedes Mal ein neues Wiedererkennen.

Hatten Sie nie Sehnsucht nach der Geborgenheit, die das Zusammenleben bietet?

Doch, manchmal habe ich die schon. Aber wenn ich merke, es ist in meinem Lebensplan nicht drin, es geschieht einfach nicht, muss ich es loslassen. Das habe ich schon vor langer Zeit getan – seit meinem 36. Lebensjahr lebe ich ja praktisch allein.

Sie haben einmal gesagt, man muss im Leben alles annehmen. Ist das nicht fast unmöglich?

Man kann ja gegen viele Dinge nicht angehen. Wenn man es annimmt, auch alles Schlimme, ist es nicht mehr so schlimm. Ich hatte schon viele Schmerzen in meinem Leben. Aber ich habe sie immer wieder bewältigt. Und mich gefragt: Was will mir mein Körper damit sagen? Man kann die Dinge immer wieder zum Guten wenden.

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