Claus Wilcke hat alles, was ein überzeugender Pfarrer braucht. Einen gutmütigen Blick mit wachen Augen, eine beruhigende tiefe Stimme, weißes Haar, das Respekt einflößt, und die Fähigkeit, Sätze so zu sagen, dass sie Eindruck hinterlassen. Unter anderem deshalb ist er von den Machern der „Verbotenen Liebe auf Mallorca" dazu auserkoren worden, den Dorfpriester von Santanyí zu spielen. Der 72-Jährige war sofort begeistert. „Ich spiele den Monseñor Mateo, weil das eine Vorbildfigur ist und ich mich mit dem, was er sagt, sehr gut identifizieren kann", sagt Wilcke.

Es ist Freitag und der Schauspieler hat frei, nachdem er den Donnerstag vorher von 8 Uhr bis 21 Uhr beinahe ohne Unterbrechung vor der Kamera stand. „Wir haben wichtige Dialogszenen in der Kirche gedreht. Ich habe den jungen Priester Jan Brandner (gespielt von Hubertus Grimm) beraten, der nach 17 Jahren erfährt, dass er eine Tochter hat."

Die Szenen seien für die Dramaturgie extrem wichtig gewesen, außerdem sehr dialoglastig. „Da wird dann ein Tag auch mal sehr lang", bemerkt der gebürtige Bremer, wirkt aber kein bisschen müde. Das junge Team der ARD-Fernsehproduktion auf der Insel hält ihn auf Trab und er geht darin voll auf. „Die Leute am Set kommen auf mich zu und fragen mich nach Ratschlägen, wollen ganz viel von mir wissen. Das finde ich toll. Und umgekehrt gilt das genauso. Ich finde, auch als älterer Mensch kann man noch viel dazulernen, gerade von den Jugendlichen in der heutigen Zeit."

Er spreche sehr viel mit den Nachwuchsschauspielern am Set und bewundere sie für ihre Fähigkeit, mit der Komplexität der heutigen Zeit fertig zu werden. „Als ich jung war, hatte ich es leichter. Es gab nicht so viele Ablenkungen und Einflüsse von außen. Ich konnten mich viel stärker auf mich selbst konzentrieren."

Wenn er als Junge mittags von der Schule heimgekommen sei, habe das Essen auf dem Tisch gestanden und er habe mit der Familie zu Mittag gegessen. „Heute müssen sich viele Kinder selbst organisieren und sich nach der Schule eine Tütensuppe kochen, weil niemand daheim ist. Das wäre in meiner Kindheit unvorstellbar gewesen." Der 72-Jährige zeigt echtes Interesse an seinen jungen Kollegen. Für ihn ist das ein Zeichen von Respekt. Und genau diesen Respekt erfährt er täglich im Umgang mit dem Team. Das wird deutlich, wenn man sich ans Set begibt und in den Drehpausen mit den Schauspielern spricht. Da kommt dann auch mal Remo Schulze, der in der Serie Timo Mendes heißt, zu Wilcke, feixt mit ihm und setzt sich für ein Foto auf den Schoß des Monseñor. Da sieht nichts gekünstelt aus, die Truppe verbindet echte Sympathie und ein großer Gemeinschaftsgeist. Auch zu Florian Wünsche (spielt in der Serie Emilio Sánchez) hat er ein besonders enges Verhältnis.

Die jungen Menschen haben es Wilcke angetan. Deshalb lade er das Team auch gerne auf seine Finca in Son Serra de Marina im Norden der Insel ein. Seit 1980 besitzt er dort ein Haus mit Blick auf das Cap Formentor, das Meer und das Gebirge von Artà. „Ich habe dort auch schon eine Geburtstagsrede für Remo gehalten und ihm einen großen spanischen Schinken geschenkt. Das hat ihm die Sprache verschlagen."

Der Schauspieler möchte allerdings nicht der Team-Opa sein. Generell findet er es gut und belebend, wenn ältere Menschen mit jüngeren zusammenarbeiten. „Das ist auch für den Zuschauer in der Serie viel interessanter und angenehmer."

Gleichzeitig bedauert Wilcke, dass es im deutschen Fernsehen immer weniger ältere Darsteller gibt. Viele seiner ehemaligen Kollegen seien schwer krank oder schon gestorben. Ihm hingegen sieht man seine 72 Jahre kaum an. Er möchte auch noch lange nicht an den Ruhestand denken. „Das kann ich mir gar nicht erlauben", entgegnet er fast entrüstet. Schließlich habe er für seine Frau und deren zwei Kinder zu sorgen. Wilcke ist mit einer 38-Jährigen verheiratet, die zwei Kinder im Teenager-Alter aus einer früheren Beziehung mit in die Ehe gebracht hat. „Mit denen mache ich Hausaufgaben und erlebe, wie sie wachsen und älter werden. Ich fühle mich da wieder wie ein Vater, obwohl ich natürlich längst Opa sein könnte."

Deshalb nehme er auch alle Aufgaben eines Vaters wahr. Er sagt selbst: „Ich könnte mich gehen lassen. Dann würde ich unbeweglich und die Muskeln würden schwinden." Wenn aber die Muskeln anfingen zu verschwinden, schwinde auch der Geist. Wenn er aber mit seinen Kindern, seiner Frau oder auch mit dem jungen Team auf Mallorca zusammen ist, „dann will ich da mithalten. Ich muss doch noch in meinem Alter über eine Mauer springen oder von einer Leiter fallen können, ohne dass ich mir dabei das Genick breche."

Das kann Wilcke aber auch nur deshalb, weil er sein ganzes Leben lang Sport getrieben hat – und es immer noch tut. Am Strand von Son Serra hat er sich eine Laufstrecke für seine Bedürfnisse zurechtgelegt und versucht, so oft wie möglich, dort seine Runden zu drehen. Verglichen mit seinen ersten Rollen im Fernsehen sind seine jetzigen Betätigungen harmlos. Wilcke arbeitete unter anderem in seinen Anfangsjahren auch als Stuntman. „Wir mussten damals ja alles selbst machen. Doubles gab es nicht", erzählt er fasziniert und erinnert sich an wilde Fahrten auf Landstraßen mit Überschlägen. „Einmal habe ich mich im Hamburger Hafen aus dem dritten Stock eines Lagerhauses durch das Fenster ins Hafenbecken gestürzt."

Wilcke hat in seinem Leben schon alles gespielt, was das Theater, das Kino oder das Fernsehen so hergeben. Er sieht in einer Daily Soap nichts qualitativ Schlechtes. „Das hat auch seine Berechtigung. Wenn man das Glück hatte, wie ich auf fast allen deutschen Bühnen zu stehen, dann aber die Einschaltquoten einer Soap sieht, freut man sich, dass man dort einfach viel mehr Zuschauer erreicht. Spielen Sie mal so lange Theater, bis Sie die Quote einer Soap-Folge haben. Das kann dauern."

Er sei jetzt in einem Alter, in dem er in die Abteilung „Charakterfach" falle. Und das könne man eben auch sehr gut in einer Soap darstellen. „Ich lebe jetzt ein halbes Jahr mit dieser Rolle. Ich bin jetzt ein halbes Jahr lang Monseñor Mateo, auch daheim." Da kommen ihm sein gutmütiger Blick, seine tiefe Stimme und sein weißes Haar sehr gelegen.

„Verbotene Liebe auf Mallorca" wird noch bis Oktober produziert. Seit dieser Woche werden die Folgen täglich außer am Wochenende um 18 Uhr im Ersten ausgestrahlt und dauern 45 Minuten.

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