Wen die Frage nervös macht, was nach dem eigenen Ableben mit seinen Spuren im Internet passiert, kann sich beruhigen. Es gibt neuerdings eine Firma, die sich nach dem Eintritt eines Kunden ins Jenseits mit Akribie um dessen vielfältige Hinterlassenschaft im World Wide Web kümmert. Frank Wannenwetsch (37) heißt der findige Unternehmer, der diese Marktlücke entdeckt hat und seit Mitte ­Februar in Palma Netarius betreibt.

Inspiriert habe ihn sein Bruder, der als Rettungsassistent in gefährlichen Gebieten in Afrika unterwegs ist. „Wenn mir etwas passiert, dann mail das einigen Leuten", hatte er zu Frank Wannenwetsch gesagt – und damit die Initialzündung für die Unternehmensgründung gegeben. So etwas gebe es in diesem Umfang kein zweites Mal auf der Welt, so der Grafiker und Journalist, der seit 13 Jahren auf Mallorca lebt.

Ob Fotos, Blogs, Mitgliedschaften – das alles und noch viel mehr schwebt, wenn sich niemand dieser Dinge annimmt, für immer im World Wide Web. Netarius bietet demjenigen, dem die Stunde in absehbarer oder nicht absehbarer Zeit zu schlagen droht, eine breite Palette von Dienstleistungen für den Fall der Fälle an. So werden die Konten auf Facebook, MySpace oder Twitter geschlossen oder verändert. Außerdem verewigt Netarius vorgefasste Abschieds-Nachrichten an die Leser von Blogs oder Foren, damit diese nicht irrtümlich glauben, dass der Autor noch unter den Lebenden weilt.

Es werden auch Abschieds-Mails an die Hinterbliebenen versendet. Frank Wannenwetsch kümmert sich zudem um virtuelle Erbschaften wie Online-Spielekonten oder Internet-Mitgliedschaften. So überschreibt er beispielsweise die Fotos eines Flickr-Accounts an die Eltern oder sonstige Verwandte eines Verblichenen.

Bislang sei es so gewesen, dass ein verstorbener Internet­nutzer einfach so von der Bildfläche verschwinde, sagt Frank Wannenwetsch. „Keine der Netzfreundschaften erfährt, was geschehen ist, und die weiterhin kursierenden Daten können missbraucht werden." Mit Netarius ändere sich das jetzt grundlegend.

Wenn ein interessierter User an ihn heran tritt, frage er nicht nach den Beweggründen, so der Firmengründer. Krankheiten ­seien Privatsache des Kunden. Erst durch Angehörige erfahre „Neta­rius" in der Regel, warum ein mittlerweile Verstorbener mit ihnen in Kontakt getreten sei. Von diesen Verwandten komme oft auch die Sterbeurkunde. Erst wenn diese vorliegt, werde Netarius aktiv.

Um den Service in Anspruch nehmen zu können, müssen sich Interessierte auf der Netarius-Website registrieren. In einem Online-Formular kann man sein digitales Testament festlegen. Das Unternehmen bietet zwei Arten von Mitgliedschaften: die sehr eingeschränkte, aber dafür kostenlose Variante, bei der lediglich Facebook-Accounts gelöscht werden, und einen umfangreichen Premium-Account für günstige 20 Euro im Jahr oder einmalig 120 Euro.

Unter Umständen wollen die Nutzer auch nicht, dass die Verwandtschaft von bestimmten Dingen erfährt – etwa die Mitgliedschaft auf Internet-Seiten des horizontalen Gewerbes. „Manche Dinge müssen eben verschwinden", sagt Frank Wannenwetsch und verspricht, im Verwischen von Spuren sehr gründlich zu sein. In diesem Zusammenhang betont er, dass seine neue Firma selbstverständlich nicht bei der Vertuschung von Straftaten behilflich ist. Er und seine drei festen und weiteren freien Mitarbeiter sorgen vielmehr dafür, dass vertraulich bleibt, was vertraulich bleiben soll. Daten der Kunden werden auf einem High-Security-Server 2.000-mal verschlüsselt, so wie das auch beim Online-Banking üblich ist.

Frank Wannenwetsch hofft auf weiter regen Andrang – der Lauf der Zeit steht auf jeden Fall auf seiner Seite. Schon jetzt sind es offenbar nicht wenige Menschen, denen es keineswegs egal ist, was mit ihnen in den virtuellen Weiten geschieht. „Wir haben bereits jede Menge Kunden", versichert Frank Wannenwetsch. Und die seien nicht etwa betagteren Alters, sondern eher jung – eben Angehörige der Facebook-Generation.

In der Printausgabe vom 10. März (Nummer 566) lesen Sie außerdem:

- Im Gespräch: ZDF-Moderatorin Gundula Gause

- "Misshandelte Zukunft": Neues Buch über Kinderheime

- Spaniens starke Politikerinnen: Drei Powerfrauen im Porträt

- Kult-Bar: Joan Frau in der Markthalle von Santa Catalina

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