Die Serpentinen können enger nicht sein, in manch ein Schlagloch würde ein kleinerer Kinderwagen fast zur Gänze hineinpassen, die Steigungen sind nur im ersten Gang zu bewältigen. Wer sich zum Hauptdrehort für den Psychothriller "The Stranger Inside" vorarbeiten möchte, darf sein Auto nicht lieben. Dort angelangt, bekommt man ein edel-gediegenes, aber nicht protziges bräunliches Anwesen weit oberhalb der Steilküste bei Port de Sóller zu Gesicht, von dem man einen traumhaften Blick auf die Weite des Mittelmeeres hat. Ganz einsam und windumtost steht das Gebäude dort in der Landschaft.Kann es einen besseren Drehort für ein abgründiges Psycho-Delirium mit einem Mann und zwei Frauen geben?

Hollywood-Schauspieler ­William Baldwin (48) sitzt in ein dunkelblaues Sweatshirt gehüllt mit einem iBook in der Hand auf einer Steintreppe im Innern des weiträumigen Hauses, dessen Besitzer Produzent Michael Aoun nicht nennen will. "Hi, how are you", ruft der US-Amerikaner mit den markanten Gesichtszügen, die sowohl aus dem Fernsehen als auch von seinem berühmteren Bruder Alec Baldwin bekannt sind. In der Nähe von ihm stehen wohl sortiert im Regal aus mutmaßlich edlem Gehölz mutmaßliche Bücher des Haus-Eigentümers, auf an die Türen geklebten Zetteln werden die Mitarbeiter der Film-Crew angewiesen, zuvörderst draußen zu essen. Genächtigt wird hier nicht.

Baldwin, der sich bereits im Erotik-Thriller "Sliver" mit Sharon Stone an die Nieren gehende Verbal-Auseinandersetzungen geliefert hatte, gibt sich dünn lächelnd als bescheidener Naturbursche zu erkennen. €Ich wandere gern, bei Santa Barbara sieht es ähnlich wie hier aus", sagt der gebürtige New Yorker und heute in Kalifornien wohnhafte Star in sämtliche Fernsehkameras. Er sei außerdem über alle Maßen an sozialen Entwicklungen auf der Welt interessiert, äußert der ehemalige Politik-Student auch noch.

Unkompliziert und geradezu bemüht unarrogant geben sich auch die anderen Stars der Low-Budget-Produktion, die von dem dänischen Regisseur Adam Neutzsky-Wulff durchgezogen wird und von der dieser hofft, dass sie - nachdem sie auf diversen Festivals gezeigt werden soll - so viele Menschen wie möglich im nächsten Sommer in die Kinos locken möge. Sarah Butler (26/ "CSI Miami"), die in der Dreiecks-Geschichte ein Rucksack-Mädel spielt, das sich in die nicht unproblematische Beziehung zwischen einem Psychiater (Baldwin) und seiner gemütsmäßig mehr als angeschlagenen Ehefrau (Estella Warren) hineinschlängelt, lächelt unschuldig und offen wie ein Schulgirl aus Kansas in alle Richtungen und trinkt Cola light aus einer Dose. Die Kanadierin Estella Warren, im "Planet der Affen" und auch als wohlgeformtes Model zu Ruhm und Ehre gelangt, lässt sich von Fotografen bereitwillig herumkommandieren. Auf die Frage, wie ihr Mallorca gefalle, sagt sie mit weit aufgerissenen Augen "gorgeous" (großartig) und "stunning" (atemberaubend). Dann entschwindet sie Richtung Drehort.

Gearbeitet wird hier, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, konzentriert, sechs Tage pro Woche, bis kurz vor Weihnachten, mit gelegentlichen Abstechern an andere Drehorte wie beispielsweise Palma, wo sogar Open-Air-Aufnahmen, die New York zeigen sollen, entstehen. Im Januar geht es dann ins eiskalte Kopenhagen.

Heute ist das Schlafzimmer ganz oben im Türmchen des Anwesens mit Wow-Blick in die Ewigkeit der Hauptdrehort. "Silence" (Ruhe), zischt ein Helfer in die Runde der Pressevertreter, denn in dem Geviert arbeitet gerade die schöne Estella teils unter und teils über einem blütenweißen Federbett. Und weil die Sonne nicht scheint, wird diese mit mehreren an meterhohen Gestellen befestigten Riesen-Leuchten, die durch die Fenster strahlen, quasi gedoubelt. Fünf Minuten später sagt der gleiche Helfer "cut" (Schnitt), und man darf wieder reden.

Genauere Angaben zur Handlung und zum Ende des Films - der dritten Produktion nach "Cloud Atlas" und "Jappeloup" auf Mallorca in wenigen Wochen - werden nicht gemacht, was nachvollziehbar ist. Nur so viel wird verraten: Die Personen seien nicht nur gut und nur böse, sondern beides, so Regisseur Neutzsky-Wulff. Es gehe um das Verhalten von Menschen in Extrem-Situationen. Und ja, die Spannung sei kaum steigerbar. By the way wird im Umkreis des Regisseurs der Name des Suspense-Gottes Alfred Hitchcock fallen gelassen.

Auch dass eine zum Film-Genre passende schwarze Katze vorkommt, ist zu erfahren. Die heute am Set anwesende Kreatur namens Nawa ist kein trainiertes Star-Tier, sondern wurde der Crew von Bekannten des Villen-Besitzers geborgt, kommt also von der Insel, die im Film übrigens nicht namentlich erwähnt wird.

Nawa ist im Schlafzimmer zugegen, als gedreht wird. Sie ist sehr dick und alles andere als schön.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 15. Dezember (Nummer 606) lesen Sie außerdem:

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