Er hätte diese sündhaft teure ­Riesen-Villa nicht kaufen brauchen. Doch Iñaki Urdangarin empfand wohl das bohrende Gefühl im Bauch, die königlichen Ansprüche seines Neu-Schwiegervaters Juan Carlos befriedigen zu müssen. Ob er denn in einer schnöden Wohnung wie der des Ex-Handballstars nächtigen müsse, wenn er nach Barcelona komme, soll der Monarch wiederholt gemäkelt haben. Und überhaupt: Seine Tochter Infantin Cristina, die Urdangarin 1997 geheiratet hatte, verdiene nun mal mehr als eine x-beliebige Wohnung.

Und so ließ das Paar 2004 den Kauf der dreistöckigen Pedralbes-Villa mit 1.063 Quadratmetern Wohnfläche ins Grundbuch eintragen. Kosten: 6,316 Millionen Euro.

Der durchaus eitle Juan Carlos war oft in dem Anwesen zu Gast, offenbar in erster Linie für Anti­aging-Behandlungen in der feinen Planas-Privatklinik. Das schreiben jedenfalls die „El Mundo"-Journalisten Eduardo Inda und Esteban Urreiztieta in einem neuen, schnittig durchformulierten Buch über den königlichen Schwiegersohn („Urdangarin, un conseguidor en la corte del Rey Juan Carlos". La Esfera de los Libros, 20,10 Euro). Urdangarin wird von einem Untersuchungsgericht in Palma der Veruntreuung und des Betrugs als Leiter des angeblich gemeinnützigen Nóos-Instituts beschuldigt. Am Mittwoch (21.11.) beantragte die Staatsanwaltschaft eine Kaution von vier Millionen Euro.

Die große Zeit des Scheffelns

Irgendwo musste das Geld für die Villa ja herkommen. Urdangarin und sein Kompagnon Diego Torres dürften mit dem Nóos-Institut richtig Kasse gemacht haben - vor allem mit öffentlichen Geldern. 20 Millionen Euro wurden angeblich in nur drei Jahren - nämlich 2003 bis 2006 - eingenommen, um eine Reihe dubioser Veranstaltungen zu organisieren oder Kontakte herzustellen.

Es war Urdangarins große Zeit des Scheffelns, und alles lief so einfach ab. Klar: Offenbar wurde angesichts der Tatsache, dass der Schwiegersohn des leibhaftigen Königs am Werk war, nicht genau nachgerechnet. Der kann doch kein Lump sein, wird man vielerorts gedacht haben. Und nebenbei sprang auch mal heraus, die Edelleute bei irgendwelchen Empfängen begrüßen zu dürfen. Was für eine Ehre aber auch!

Das viele Geld scheint Urdangarin allerdings nicht gereicht zu haben. Oder wollte er bei Hofe nur so tun, als sei er eher arm? Denn wie anders ist zu erklären, dass er im Jahr 2008 zu Kreuze kroch? Bei einer Zusammenkunft mit Thron­folger Felipe am 18. Januar soll Urdangarin - so die Buchautoren - diesem mit Muffensausen gestanden haben, seinen Anteil der Hypothek - 20.000 Euro pro Monat - nicht mehr bezahlen zu können. Ob man so freundlich sei, ihm vom Hofe her geldtechnisch entgegenzukommen. Felipe soll aus allen Wolken gefallen sein und dem Neu-Verwandten nur einen Satz ins Gesicht gezischt haben: „Du hättest dir das Haus ja nicht kaufen müssen!"

Stachel im Fleisch

Ohnehin war es für Urdangarin noch nie einfach bei Hofe. Er kam sich jahrelang wie ein unerwünschter Eindringling vor, wie die Buch­autoren schreiben. Wie ein Stachel im Fleisch. „Hier bin ich ein Nichts", wird er zitiert. Er war zwar ein erfolgreicher Handball-Spieler, hatte aber kein Studium absolviert. Im ehrwürdigen Zarzuela-Palast zu Madrid soll sich der König ob dieser Tatsache perplex an den Kopf gefasst haben. ¡Dios mío!

Aber Cristina war nun einmal - und ist es wohl weiterhin - bis über beide Ohren verliebt in diesen Mann, der zwar aus gutbürgerlichem Elternhaus stammt, aber kein Groß-Intellektueller ist.

Urdangarin musste also etwas tun, um sich das Wohlgefallen des Monarchen zu sichern. Und so schrieb sich der Herzog von Palma nach der Hochzeit in der feinen Manager-Schmiede „Esade" in Barcelona ein, um Betriebswirtschaft zu studieren. Dort lernte er seinen späteren Geschäftspartner Torres kennen, einen blitzgescheiten Dozenten, der schnell auf den Trichter kam, dass man mit einem Top-Adeligen an der Seite auf kreative Weise richtig Geld verdienen konnte - erst recht im autoritätsgläubigen Spanien. Urdangarin glänzte auf der „Esade" dem Vernehmen nach zwar nicht mit herausragenden Leistungen, erlangte 2001 aber immerhin einen Abschluss.

Endziel neuer Samaranch

Jetzt endlich konnte der nunmehr in die Geheimnisse des Managements Eingewiesene etwas Handfestes vorweisen. Das wurde denn auch - Adel verpflichtet - bei Hofe goutiert: Der an sich umgängliche Juan Carlos verstand sich auf einmal bestens mit Urdangarin, Königin Sofía hatte ihn ohnehin immer schon in ihr Herz geschlossen, und auch mit dem ebenfalls 1968 geborenen Felipe war er gut Freund.

Und weil Urdangarin jetzt jemand war, wurde er von Blütenträumen übermannt. Er äußerte den Wunsch, als neuer Juan Antonio Samaranch an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees Geschichte machen zu wollen. Also jenem 2010 verstorbenen Mann nachzueifern, der eine Ewigkeit einfach nur Mister Olympia war. Vizepräsident des spanischen Landes-Gremiums war Urdangarin schon seit 2004, und schließlich hatte er ja an mehreren Spielen teilgenommen - 1992 in Barcelona, 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney. Warum also nicht ganz hoch hinaus?

Zwar blieb dieses Vorhaben ein Luftschloss, doch Anlass zum Wehklagen hatte Urdangarin nicht. Das Nóos-Institut spülte gehörig Geld in die Kassen. Als dann zu Hofe ruchbar wurde, dass diese Geschäfte wohl nicht ganz koscher waren, verschaffte ihm 2006 die energische Vermittlung Ihrer Majestät einen neuen Job mitsamt fürstlichem Gehalt. Urdangarin war zunächst in Barcelona und ab 2009 in Washington für den Teléfonica-­Konzern tätig.

Diese Letizia!

Doch dann kam es - wie man weiß - knüppeldick: Diverse Zeitungen veröffentlichten stückchenweise Enthüllungen über das Geschäftsgebaren des Nóos-Instituts, ein Untersuchungsrichter in Palma schaltete sich ein. Das alles ließ alte Gräben innerhalb der ­Royals wieder aufbrechen. Während Königin Sofía demonstrativ zu Urdangarin hielt, ihn sogar im Dezember 2011 in Washington besuchte, mieden Juan Carlos, ­Felipe und die ebenfalls angeheiratete Prinzessin Letizia den lästig gewordenen Mann plötzlich wie einen Pestkranken.

Überhaupt Letizia! Urdangarin scheint die Prinzessin - wenn man den Buchautoren Glauben schenkt - regelrecht gefressen zu haben. Erst recht jetzt, da alles um ihn zusammenbricht. Er sei davon überzeugt, dass die Ex-TV-Journalistin „hinter all den Veröffentlichungen steckt", soll der in die Enge getriebene verbittert geunkt haben. Und Ex-Kompagnon Torres tritt nach: Er will den Verlobungsring der Schönen auf Kosten von Nóos erstanden haben.

König Juan Carlos soll seine Tochter Cristina gar mit Engelszungen, aber letztlich erfolglos bezirzt haben, sich von ihrem Mann zu trennen. Urdangarin ist zu einer unerwünschten Person geworden, die sich diesen Sommer nicht mehr im Marivent-Palast auf Mallorca blicken lassen durfte und auch, ebenso wie Cristina, der traditionellen Militär­parade am 12. Oktober in Madrid fernblieb.

Urdangarin, Cristina und ihre vier Kinder sind inzwischen wieder nach Barcelona zurückgekehrt. Sie wohnen jetzt in einem weitaus bescheideneren Einfamilienhaus. Die Pedralbes-Villa steht inzwischen zum Verkauf.

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