Es war einmal ein Paradies. ­Esteban Sánchez wurde 2010 daraus vertrieben. 34 Jahre lang war der Sunnyboy mit den inzwischen grau melierten Haaren der Herr über die legendärste der drei Bars direkt am Traumstrand Es Trenc im Süden von Mallorca: „El último paraiso" (Das letzte Paradies). Dort wurde getrunken und ausgelassen gefeiert, Cava und Sangria flossen in Strömen, oft bis spät in die Nacht. Unter den zahlreichen Gästen fanden sich hin und wieder sogar echte Prominente wie Mick Jagger. „Die Partys waren einfach herrlich", sagt der Mann Anfang 60 und wird dabei fast ein wenig ­melancholisch.

Jahrelang hat die Gemeinde Campos seine Konzession immer wieder verlängert, für jährlich 20.000 bis 25.000 Euro. Dann bekam auf einmal ein anderer Pächter den Zuschlag - der eine dreistellige Summe berappte, bei der Esteban Sánchez nicht mehr mithalten konnte. „Letztes Jahr haben sie für die Konzession mehr als 170.000 Euro verlangt, das ist ungeheuerlich. Diese Politiker sind doch alle Gauner", schimpft Esteban Sánchez. Dafür muss der neue Betreiber nun spätestens bei Sonnenuntergang zusperren. Den wilden Feten hinter den unter Schutz stehenden Dünen hat das Rathaus damit den Garaus gemacht. Und all das, was der ­Spanier mit seinem chiringuito verbindet, ist nun Geschichte.

„Das ist vorbei, und ich will auch nicht dorthin zurück", sagt Esteban Sánchez, drei Jahre, nachdem für ihn eine Welt zusammenbrach. Inzwischen spricht er zumindest schon wieder vom Glück auf Erden. „Hier fühle ich mich wohl", sagt er am Tresen seiner Ersatz-Bar in Ses Covetes. Da das Gebäude ihm selbst gehöre, könne er tun und lassen, was er wolle, und sei nicht mehr der Willkür der Kommunalpolitiker ausgesetzt. Grund für die gute Laune des Lebemanns mit der getönten Brille und dem ausgefallenen Kleidungsstil ist zudem, dass er seit Kurzem sogar ein zweites, letztes Paradies sein Eigen nennen darf: „Can Senae" am Kilometer 7 der Landstraße zwischen Campos und Sa Ràpita. Das Restaurant hat am vergangenen Freitag (14.6.) seine Pforten geöffnet.

Ganz so paradiesisch wie früher sind die Zustände allerdings - objektiv betrachtet - nicht mehr. Das Lokal in Ses Covetes, an der Stichstraße zum weißen Sandstrand, einen guten Kilometer von seiner alten Wirkungsstätte entfernt, kaufte Esteban Sánchez 2011. Er verpasste dem Laden einen weiß-blauen Anstrich, ließ das bekannte Emblem, die Silhouette eines Pärchens im Sonnenuntergang - „das bin ich mit einem Schweizer Mädchen" - an Wände und Tresen malen und eröffnete das „Último paraiso" kurzerhand neu. Dem Namen, den Esteban Sánchez einst als Warnung an die Politiker wählte, damit sie sich für den Erhalt dieses traumhaften Fleckchens einsetzen, wurde die neue Bar zunächst allerdings kaum gerecht. Von der Terrasse aus blickten die Gäste zwei Sommer lang auf die hässlichen Bauruinen einer nie vollendeten Apartmentanlage.

Dieses traurige Kapitel ist inzwischen abgeschlossen. Tag für Tag verfolgte Esteban Sánchez im Mai mit, wie die Bagger einen Betonklotz um den anderen dem Erdboden gleich machten. „Ich dachte schon, das Monster verschwindet nie", erzählt er. Doch vor ein paar Wochen war es so weit. Seitdem ist die Sicht auf die Dünen wieder frei - und das ist gut so. „Für mich, für die Insel, für die Gäste." Schließlich schürfen die ihren Cocktail lieber mit Ausblick aufs türkisblaue Meer statt vor einer graue Wand.

In Sánchez´ neuem Lokal „Can Senae" sollen nun ebenfalls paradiesische Zustände Einzug halten. Das etwas heruntergekommene Restaurant haben er und sein Geschäftspartner Isaac Armijo zunächst fünf Monate lang rundum erneuert. Außen wurde das Haus knallgelb gestrichen und ebenfalls mit dem Logo des „Último paraiso" versehen. Von der Überdachung der Terrasse, die einer Laube gleicht, baumeln originelle Lampions aus alten Kräuterschnapsflaschen.

Drinnen erwartet die Gäste ein rustikaler Speisesaal mit Kamin und Platz für eine Bühne. „Demnächst soll es hier auch Konzerte geben", sagt Isaac Armijo, der Esteban Sánchez kennt, seit er 14 ist, und viele Sommer lang in der legendären Beach-Bar gekellnert hat. Allerdings verstehe man sich nicht als Konkurrenz zur Bar S´Embat in Ses Covetes, wo im Sommer jedes Wochenende Bands spielen. „Wir wollen etwas Ruhigeres machen, nicht für das ganz junge Publikum, eher für Pärchen."

Locken sollen zudem - wie den auf Siphon- und Tres Caires-Flaschen aufgeklebten Speisekarten zu entnehmen ist - Fleischgerichte vom Grill, die klassischen pa amb olis und Tapas. „Mit dem ersten Wochenende waren wir sehr zufrieden", sagt Isaac Armijo. Viele der Paraiso-Stammkunden, die Esteban Sánchez über all die Jahre die Treue gehalten haben, würden nun auch im „Can Senae" einkehren.

Wenngleich sie ihre Ansprüche vermutlich noch weiter zurückschrauben müssen. Denn mit dem einstigen „El último paraiso" am Traumstrand hat das Restaurant direkt an der Straße, an der die Autos vorbeibrausen, nicht mehr viel gemein. „Abends ist hier kaum mehr Verkehr", sagt Isaac Armijo, während Esteban Sánchez stumm bleibt. Er scheint zu ahnen, dass es kein Zurück gibt, wenn man einmal aus dem Paradies vertrieben wurde.

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