Irgendwie kommt einem das verdammt vertraut vor: diese durch die Lüfte fliegenden Elfen­figuren mit Masken, diese Gnome mit Schnäbeln, die hässliche alte Vögel darstellen sollen und ein bisschen an aufgetakelte ­Megären im Schloss Versailles im 17. Jahrhundert erinnern, Gestalten wie der nette Tamir oder der durchtriebene Fleur und so weiter und so fort. Und alle - 55 sind es insgesamt - sind so bunt angezogen. Einige gucken zuweilen dermaßen unheimlich-schräg drein, dass manch ein Kind davon träumen dürfte. Und wenn sie durch die Lüfte springen oder fliegen, dann ist das mit stets durchdringend klangvoller, teils heiter-fetziger, teils langsam-verträumter Musik unterlegt. Man fühlt sich ein wenig erinnert an Hobbit-Filme oder sonstige Fantasy-Geschichten aus Comics oder dem Fernsehen, auch Harry Potter drängt sich einem ins Gehirn.

Diese charakterlich so verschiedenartigen, aber optisch sich ähnelnden Fabelwesen sind Teil des Programms „Alegría" des wohl erfolgreichsten Zirkusses der Welt, dem 1984 in Kanada gegründeten Cirque du Soleil, der zwischen dem 22. und 30 August erstmals überhaupt auf Mallorca gastiert. Man kann sich schon jetzt ausrechnen, dass das 1994 uraufgeführte und zweieinhalb Stunden dauernde Farb-, Kostüm-, Akrobatik- und Sound-Feuerwerk die Insel-Bewohner in Scharen in die sonst so selten genutzte Palma Arena locken wird. Schließlich haben sich die Show den Veranstaltern zufolge bereits zehn Millionen Menschen in Nordamerika und Europa zu Gemüte geführt.

Es ist wohl diese ganz besondere Mixtur aus Märchenhaft-Heiterem und Buntem mit eingängigen Klängen, die diese Show weltweit so erfolgreich macht. Wer will sich einem durchaus magischen, gar nicht schwermütigen Spektakel für fast alle Sinne auch entziehen! Ist es nicht schön, für eine begrenzte Zeit einfach mal in eine Parallelwelt einzutauchen, abzuschalten und lediglich zu genießen? Dazu darf man dann auch noch positiv denken, denn das Thema der „Alegría"-Show ist Machtmissbrauch und die ­Wiedererlangung der Freiheit. Ende gut, alles gut!

Mit dem guten alten Zirkus hat die gigantische und irgendwie auch schicke Farb- und Musik­orgie nur entfernt zu tun: Weder werden Tiger oder Pferde unter Peitschenhieben durch die Manege getrieben, noch lässt sich irgend ein Magier unter Trommelwirbel von Schwertern durchlöchern. Das ist vorgestrig, der Cirque du Soleil ist dagegen politisch korrekt und aktuell, so wie auch der Zirkus Roncalli, der ebenfalls so ganz anders geartet, wenn auch weit entfernt vom bombastischen Selbstverständnis der Kanadier anzusiedeln ist. Ja, Trapez-Künstler gab es schon immer, aber im Cirque du Soleil gerät das Durch-die-Lüfte-Fliegen zum Erlebnis, was im Übrigen manchmal ungute Folgen hat: Erst kürzlich, am

29. Juni 2013, kam die Akrobatin Sarah Guyard-­Guillot während der Show „Kà" im Hotel MGM Grand in Las Vegas ums Leben, weil sich ein Sicherheitskabel von ihrem Körpergurt gelöst hatte.

Gegründet wurde der Cirque du Soleil von dem ehemaligen Straßenkünstler Guy Laliberté. Der perfektionierte diese Idee über die Jahre so sehr, dass ein regelrechtes Imperium mit 5.000 Mitarbeitern entstand, das momentan mit mehreren parallel laufenden Shows in allen Ecken und Enden der Welt zugegen ist. Der einst bitterarme Teufel aus Québec wurde zu einem schwerreichen Unternehmer. 300 Städte auf fünf Kontinenten sind bislang abgegrast worden. Für bestimmte Gegenden wurden bestimmte Darbietungen ersonnen - etwa „Varekai" für Asien oder „Ovo" für Nordamerika und Mexiko. Und an neuralgischen Punkten der Vergnügungsindustrie ist man ebenfalls anwesend - etwa mit einer permanenten Show in Disney World in Orlando oder mit einem Elvis-Presley-Gedächtnis-Spektakel in einem Casino in Las Vegas sowie mit einer Beatles-Show ein paar hundert Meter weiter.

Schon in der Schule habe er sich aufs Handeln und Verkaufen verstanden, sagte Gründer Guy Laliberté einmal in einem Interview mit der Business-Schule IMD in Lausanne. „Und organisieren konnte ich schon immer." Da er seit jeher gleichzeitig reisen und unterhalten habe wollen, sei der Cirque du Soleil sozusagen sein Ich, das zu einem multinationalen Fun-Unternehmen wurde. „Mir gelang es immer, die Balance zwischen Kreativität und Kunst auf der einen Seite und Geschäftssinn auf der anderen zu halten." Was sicher zu seinem Erfolg beitrug.

„Alegría", 22.-30.8., Palma Arena, 22 Uhr, Tickets bei www.ticketmaster.es und www.ticketmaster.eswww.corteingles/entradas

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 8. August (Nummer 692) lesen Sie außerdem:

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