Die beiden Zimmermannsgesellen Samuel Friedrich (21) und Lucas Sautter (24) haben am Mittwoch (5.3.) im Rathaus des Städtchens im Norden von Mallorca die zwei allorquinischen Wanderstöcke, gaiatos genannt, entgegengenommen, die ihnen der Rentner Joan Cañellas versprochen hatte (MZ berichtete).

Es war die versöhnliche Geste für einen unschönen Vorfall, der sich in Sóller am 21. Januar zugetragen hatte. Ein Ortspolizist hatte die beiden jungen Männer, die sich zum Schlafen niedergelegt hatten, auf einem Parkplatz im Zentrum des Ortes überrascht und ihnen nach einem Streit die für ihre Wanderschaft unentbehrlichen Stenze abgenommen. Laut den Aussagen des Beamten, von dem sich sogar seine Kollegen bei der Policía Local deutlich distanziert hatten, warf er die Stöcke danach in den Müll. Die beiden jungen Deutschen hatten daraufhin Fahndungsplakate im Ort ausgehängt und demjenigen 1.000 Euro in Aussicht gestellt, der ihnen ihre Stenze wiederbringen könnte. Gleichzeitig erstatteten sie bei der Guardia Civil Anzeige gegen Tomeu Ramon, den Beamten bei der Policía Local.

Die Geschichte schlug in Sóller hohe Wellen. Zwar verstanden die meisten Bewohner des Ortes nicht, was es mit den sonderbaren Stöcken auf sich hatte. Doch machten sich viele Sorgen um das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Kulturen in dem Tramuntana-Städtchen. Einer wollte den Konflikt aktiv aus der Welt räumen: Joan Cañellas. Der 71-jährige solleric, der zum Zeitvertreib mallorquinische Wanderstöcke aus Olivenholz und Zypresse schnitzt, erklärte sich sofort bereit, den beiden Deutschen zwei besonders schöne Exemplare seiner Stocksammlung zu schenken. Er würde sie ihnen am liebsten persönlich überreichen. Friedrich und Sautter waren allerdings in der Zwischenzeit von der Insel wieder abgereist, die MZ machte sie auf Korsika ausfindig. Von dort aus begaben sich die Zimmerleute auf Einladung dieser Zeitung Anfang der Woche zurück nach Mallorca zur feierlichen Übergabe der gaiatos.

Cañellas war samt Ehefrau und Sohn auf dem Platz vor dem Rathaus erschienen. Außerdem konnten die deutsche Konsulin Regina Lochner, der Bürgermeister Carlos Simarro und der Unternehmer Franz Kraus (Fet a Sóller) für die Versöhnung gewonnen werden. Dazugerufen wurde außerdem die Frau des ungeliebten Ortspolizisten - der Beamte selbst hatte zuvor Nachtschicht und schlief daheim. „Toll, dass Sie das für uns gemacht haben", bedankten sich Friedrich und Sautter bei Cañellas. Die Anzeige gegen den Ortspolizisten bei der Guardia Civil wollten die Zimmerleute allerdings zunächst aufrechterhalten. Als Kraus und Konsulin Lochner ihre gesammelten diplomatischen Fähigkeiten auffuhren, lenkten die beiden Deutschen schließlich ein. Im Gegenzug verlangten sie eine persönliche Entschuldigung von Tomeu Ramon, die am späten Nachmittag erfolgte. Wenn auch widerwillig, stieß der Polizist hinzu. Erst auf erneute Vermittlung von Franz Kraus gab es ein kurzes Händeschütteln, doch ohne ein freundliches Wort zu viel.

Zwischenzeitlich hatten Friedrich und Sautter die Guardia Civil aufgesucht, um die Anzeige gegen den Ortspolizisten zurückzunehmen. Die war zwar bereits vor Wochen nach Palma ins Gericht geschickt worden, doch mit dem Widerruf dürfte die Angelegenheit nun erledigt sein. Nicht so allerdings für die Beamten der Guardia Civil vor Ort. Die zeigten sich richtiggehend enttäuscht über die Rücknahme der Anzeige. Sie würden dem Ortspolizisten allzu gerne mal zu Leibe rücken. Schließlich falle er immer wieder durch ähnliche ­Aktionen auf, sagten die Beamten, ohne Details nennen zu wollen. Friedrich und Sautter fuhren „mit einem guten Gefühl" aus Sóller wieder heim. Doch so schnell wollen sie nicht wiederkommen.