Wenn Thomas Hürter vom deutschen Zentralverband der Raumausstatter und Sattler (ZVR) rednerisch in Fahrt kommt, dann fallen stakkatohaft Wörter in die Runde, die man als Otto Normalo noch nie gehört hat: „Computerlüfter" oder „passive Sitzklima­tisierung" etwa. Oder andere, die man schon einmal gehört hat, aber mutmaßlich nicht im Zusammenhang mit der Materie, um die es hier in einem der blitzblanken ­Sitzungssäle des Vier-Sterne-Hotels „Playa Golf" direkt neben dem mythenumwobenen Bierkönig im Workshop „orthopädische Autositze" geht.

In dem Experten-Privatissimum der dieses Jahr erstmals auf der Insel stattfindenden jährlichen ZVR-Jungmeister-Tagung dreht sich alles um neueste ergonomische Entwicklungen in Sachen Autositzen. Die werden von sogenannten Fahrzeugsattlern hergestellt. Und die wissen ganz genau, wie es etwa die Firma Mercedes Benz im Augenblick mit Lüftern in den Sitzen ihrer Edelgefährte hält. Und mit Luftkissen. Und wie die Spezialfirma Recaro verfährt. Und dass man sich vom „Gartenstuhlniveau des Fiat Panda", wie er vor 20 Jahren produziert worden war, inzwischen „Gott sei Dank" Lichtjahre entfernt habe. Und wie schlimm es für die Gesundheit sein kann, wenn einem so eine Lüftung, wie es Thomas Hürtler ausdrückt, „immerzu in den Rücken bläst".

Neues von den Feintäschnern

Um Ideen zur Förderung des individuellen Wohlbefindens auf dem Autositz auszutauschen, sind die etwa 120 fast durchweg launig gestimmten und darüber hinaus angenehm kumpelhaften Teilnehmer aus dem Branchen-Nachwuchs jetzt hier am Ballermann. Und natürlich, um andere spannende Neuigkeiten aus der Welt des Raumausstatter- und Sattlergewerbes zu hören: Besondere Finessen im Finanz-Management etwa, und Tipps zur Unternehmensführung, ein Thema, das gerade ein Stockwerk über dem der Autositzprofis behandelt wird. Oder wie die Entwicklung im Bereich von Lkw-Planen, Sonnensegeln und sonstigen „technischen Textilien" aussieht. Oder welche neuen Produktlinien im Outdoor-Gewebe - also besonders strapazierfähige Stoffe - gerade angesagt sind. Oder was die Reitsportsattler so alles ersonnen haben. Oder was für Vertikal-Jalousien gerade besonders gern gekauft werden. Oder was die Feintäschner - also die zum Sattlergewerbe gehörenden Handtaschen-Hersteller - gerade machen und wie die Lage an der Front der Möbelpolsterer oder Bodenbelags-Kapazitäten ist.

„Auf diesen Tagungen wollen wir Jungmeister auf ihr Berufsleben vorbereiten", definiert Thomas Wittig vom ZVR das zentrale Anliegen seiner 3.000 Mitglieder zählenden Vereinigung. „Hier werden Erfahrungen weitergegeben und Freundschaften geschlossen". So wie das in den vergangenen Jahren zwischen Hamburg (2001), Butzbach (1996), Weil am Rhein (2008) und Warnemünde (2010) auch war, und dies in so gut wie allen Bundesländern.

Ein bisschen wie Urlaub

Und jetzt ist man eben hier, „im 17. Bundesland", lacht Wittig. Und weil das ein bisschen wie Urlaub ist, wird den Teilnehmern in diesen vier Tagen auch allerhand anderes geboten. Eine Stadtführung durch Palma etwa. Und an einem der Abende ein trautes Zusammensein in einem traditionellen Weinlokal. „Höhepunkt wird allerdings eine Fahrt mit dem Roten Blitz nach Sóller sein", freut sich Thomas Wittig. „Außerdem besichtigen wir das Ledermuseum, wobei wir wieder bei unserer ureigenen Materie sind." Richtig fröhlich dürfte es kurz vor Beendigung der Tagung im Strandlokal Nassau Beach werden, „wo ein zünftiges Barbecue steigen wird". In Palma sei es gottlob nicht mehr ganz so still wie im Winter. „Um gemütlich ein Bier zu trinken, reicht uns das aus."

In aufgeräumt-positiver Stimmung ist auch Susan Jäger aus Hannover. Die Unternehmerin ist etwas, was hier kaum ein anderer von sich sagen kann: Raumausstatterin und Sattlerin zugleich. „Ich habe in der üblichen dreijährigen Ausbildung Raumausstatterin gelernt, habe aber einen Sattlerbetrieb übernommen", sagt sie. Nun beschäftige sie sich mit der Innenausstattung von Autos, einem Handwerk des Sattlergewerbes, und der Verlegung von Teppichböden, ein klassisches Betätigungsfeld der Raumausstatter. Ein einziger Verband wie der vor 20 Jahren aus Raumausstattern und Sattlern entstandene ZVR sei sinnvoll, sagt sie. Weil es so viele Berührungspunkte gebe - etwa bei der Polsterung von Sofas.

Auf der Insel auf die Beine gestellt wurde der fidele Jungmeister-Kongress von der auf Mallorca befindlichen Eventagentur Primarena" (www.primarena.com). So wie viele andere Tagungen und Incentive-­Veranstaltungen von deutschen Verbänden oder Firmen, wiewohl viele davon in ­luxuriöseren Hotels wie dem St. Regis Mardavall in Portals Nous, dem Blau Porto­petro oder dem Nixe Palace in Palma über die Bühne gehen. „Und eher nicht am Ballermann", so eine vor Ort befindliche Mitarbeiterin der Firma. Von der Aufstellung der Tische mit den Häppchen während der Vortrags- und Workshop-Pausen hin zu den Ausflügen hat die Agentur alles bis ins kleinste Detail vorbereitet.

Im Erdgeschoss neben dem Bierkönig ist derweil der Autositz-Workshop zu Ende gegangen. Die Teilnehmer sind weiter sonnig gestimmt, Referent Thomas Hürter auch. Man freut sich auf ein Mittagessen im Hotel, sicher auch auf einen Vortrag zum Thema Sachverständigenwesen, und besonders auf den vergnüglicheren Teil, die Stadtführung danach und den Weinkeller. „Wir wollten zum 20. Jubiläum eben ein Highlight bieten", sagt Verbandschef Thomas Wittig.

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