Es gibt Gesprächspartner, denen muss man ihre Geschichten aus der Nase ziehen. Und dann gibt es solche wie Koldo Royo - bei dem man sich glücklich wähnt, wenn er irgendwann mal kurz Luft holen muss. Der Koch aus San Sebas­tián gestikuliert, schneidet Grimassen, wischt mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die Bilder auf seinem Tablet, twittert nebenbei ein Foto vom Interview und hat währenddessen auch noch ein Auge auf vorbeilaufende Passanten, um ja alle zu grüßen, die ihn kennen.

Und das sind einige - schließlich lebt der Baske seit 28 Jahren auf der Insel. „Die Hälfte meines Lebens!", ruft er aus. Und das stets in der Öffentlichkeit: Lange Jahre hatte Koldo Royo ein nach ihm benanntes Restaurant am Paseo Marítimo. Die Prominenz ging dort ein und aus, doch dann verlor er seinen Michelin-Stern, und die Wirtschaftskrise brach über das Land hinein. Koldo Royo schloss sein Lokal und verwandelte es in die Tapas-Bar Aquiara, von der er sich 2013 wieder verabschiedete. Seither verkauft er in Mallorcas „erstem Imbisswagen" Hotdogs. Zudem ist er seit Jahren im spanischen Fernsehen präsent, schreibt Bücher und eröffnete 1995 mit afuegolento.com einen der ersten spanischen Koch-Blogs im Netz.

„Sicher gibt es welche, die wegen des Imbisswagens die Nase gerümpft haben. Ich sehe das einfach so: Es muss immer jemanden geben, der etwas Neues ausprobiert", sagt er. Wobei das in Europa im Allgemeinen und in Spanien im Besonderen gar nicht so einfach sei: „Wenn du hier etwas ausprobierst, und es läuft nicht so wie gewünscht, dann hast du gleich versagt. In den USA nennt man so etwas Unternehmergeist."

Die Idee mit dem Imbiss­wagen, für den er den amerikanischen Ausdruck food truck benutzt, hatte er schon länger. Als dann plötzlich „ein Verrückter" kam und ihm Geld für sein Tapaslokal Aquiara bot, schlug er zu. „Es ist gar nicht so einfach, einen Laden zuzumachen und ihn erhobenen Hauptes, also ohne Schulden, zu verlassen", sagt er. Ihm sei es gelungen.

Plötzlich hatte er also Zeit für seinen Truck. Seine ehemalige Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin Mercedes Palmer stieg mit ein, der Lebensmittelgroß­handel Makro bot ihm einen festen Stellplatz für den Wagen. Dort genießen nun die Kunden des Großmarkts nach einem anstrengenden Einkauf Hotdogs und Burger - beide natürlich ein bisschen anders als üblich. Der Lamm­burger ist fast schon eine Delikatesse, und die Würstchen kommen als mallorquinische Ver­sion beispielsweise mit Sobrassada-Mayonnaise und lokalem ­Escabeche-Gemüse daher.

Koldo Royo selbst steht an zwei oder drei Tagen die Woche hinter der Theke, den Rest der Zeit widmet er seinen anderen Projekten. Er gibt Kochkurse, schreibt für seinen Blog, eine regelmäßige Kolumne für das Magazin „Hola" und berät andere Restaurants: „aber in Nett", grinst er.

Zudem steht Koldo Royo auch immer wieder vor der Kamera - zuletzt als Juror für das Format „Cuina i ­guanya", bei dem der balearische Fernsehsender IB3 Laienköche gegeneinander antreten lässt. „Wer kann schon von sich sagen, dass er über 750 hausgemachte Gerichte probiert hat?" Dass weder die Teilnehmer der Sendung noch Passanten auf der Straße ehrfürchtig zu ihm aufschauen, sondern ihm vielmehr freundschaftlich auf die Schultern hauen, kommt ihm entgegen: „Ich bin eher der volksnahe Typ ohne Berührungsängste, und die Leute wissen das. Ich habe die Marktleute gegrüßt, als ich noch keinen Michelin-Stern hatte, und danach genauso - das haben sie mir hoch angerechnet."

Trotz oder vielleicht auch gerade wegen seiner kumpelhaften Art kochte die Gerüchteküche nach dem Schließen seines Sterne­restaurants nur so über. „So ist das halt, wenn man zur Avantgarde gehört", sagt Koldo Royo ganz selbstsicher - um direkt danach auf seine Visitenkarte zu deuten, mit der er seine Beraterdienste anbietet: „Da steht mit keinem Wort, dass ich preisgekrönter Spitzenkoch mit Michelin-Stern war."

Drei Sätze später schwärmt er schon wieder davon, was er damals, als er 1989 auf die Insel kam, alles neu eingeführt hat: „Gänseleber gab es hier damals noch gar nicht. Und ich war auch der erste Koch, der aus der Küche raus an die Tische kam und die Gäste begrüßte." Wer ihm zuhört, der kann über die amüsante Mischung aus erklärter Bescheidenheit und nahezu plakativem Selbstbewusstsein nur schmunzeln.

Dass er aber den Kontakt mit den Menschen sucht, das glaubt man ihm aufs Wort: „Das genieße ich am food truck: Wenn ich hinter der Theke stehe und all die Kellner, Köche und Einkäufer der Restaurants aus dem Laden kommen, die genauso gerne essen wie ich - und mit denen ich dann tratschen kann." Seine Entertainer­qualitäten sind denn auch für viele ein Grund für den Stopp am Truck. Bei aller Kumpanei ist der bald 56-Jährige aber auch zurückhaltend: „Das gefällt mir an den Deutschen: Die stellen dir nur sehr wenige Leute als ´Freunde´ vor, die meisten hingegen als ´Bekannte´. So ähnlich halten das auch die Basken und die Mallorquiner."

Als nächstes Projekt will er das Food-Truck-Konzept weiter ausbauen. Er hat bereits einen kleineren zweiten Wagen angeschafft, der es beispielsweise auch die engen Straßen nach Sa Calobra hinunter schafft. Dass der Truck trotzdem auf den Namen seiner Ex läuft, erklärt er mit seinen vielen anderen Tätigkeiten.

Außerdem sei ihm nun endlich gelungen, woran die erste Beziehung scheiterte: „Mehr Zeit für meine Lebensgefährtin zu haben." Und der Laden müsse ja auch ohne ihn funktionieren, „das wäre mit der Marke Koldo Royo schwierig." Die Marke Koldo Royo? Was genau macht die aus? „Ehrlich, verlässlich, innovativ und großzügig. Und dabei auch ein bisschen hyperaktiv." Grinst, springt auf und eilt zum nächsten Termin.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 11. September (Nummer 749) lesen Sie außerdem:

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