Zum Interview kommt Jenny Jürgens mit ihrem Lebensgefährten David Carreras

Frau Jürgens, haben Sie ein Ritual, wenn Sie nach Hause zurückkommen?

Ein wirkliches Ritual ist es nicht, aber wir setzen uns mit einer Flasche Rotwein auf unsere Terrasse und genießen die Aussicht.

Ihren Lebensgefährten haben Sie hier auf der Insel kennengelernt - allerdings ist das schon länger her €

Stimmt, das war 1999 bei den Dreharbeiten zu der Serie „Mallorca - Suche nach dem Paradies". Das hab ich ja jetzt gefunden (lacht). Allerdings haben wir damals nur zusammengearbeitet - ich war zu dem Zeitpunkt fünf Jahre lang verheiratet. Es gibt da so eine Art Tür, und wenn die einen Spalt offen steht, ist es gut. Aber wenn sie geschlossen ist, kann auch Brad Pitt vorbeikommen, und es passiert nichts. Das war damals der Fall. Als wir uns zehn Jahre später wieder trafen, stand diese Tür eben einen Spalt breit offen.

Aber Sie waren immer noch verheiratet.

Ich möchte nicht ins Detail gehen, obwohl ich mich mit meinem Ex-Mann gut verstehe. Aber das Leben ist nicht immer vorhersehbar oder planbar, und manchmal schlagen Dinge mit einer positiven Wucht zu, die dann auf allen Seiten Verwirrung auslöst. Man kann sich viel im Kopf zurechtlegen, wie man sich moralisch verhalten sollte. Aber ich habe mir damals nur eine einzige Frage gestellt: Wäre es mir möglich, David nicht mehr zu sehen? Denn das wäre ja die Konsequenz gewesen, um meine Ehe zu retten. Und in der selben Sekunde kannte ich die Antwort: Nein. Damit hatte ich schlagartig alle Antworten auf alle anderen Fragen. Es war mir einfach nicht möglich, dieses Geschenk, das in mein Leben trat, wieder herzugeben. (Lächelnd zu Carreras:) Du warst eben ein spanischer Tsunami!

Sie haben auch danach zusammengearbeitet - war das leichter oder komplizierter?

Am Anfang war ich nervös, weil ich dachte: Was sieht er jetzt alles durch die Kamera? Und er kennt mich so gut, weiß vor mir, wann ich Hunger habe oder friere, dass ich nichts mehr verstecken kann - was man als Schauspieler dem Regisseur gegenüber ja manchmal ganz gerne macht.

Fällt Ihnen der zeitlich begrenzte Umzug nach Lüneburg schwer?

Auf der einen Seite ja - auf der anderen Seite darf man ja auch offen sagen, dass es in unserer Branche heutzutage ein Geschenk ist, wenn einem eine Rolle wie die in „Rote Rosen" angeboten wird. Aber natürlich habe ich zunächst geschlottert und mich gefragt: Was bedeutet das für uns? Aber David sagte sofort: Klar, so ein Angebot lehnt man nicht ab. Die Arbeit ist auch wirklich toll, das Team großartig - und Ende April ist es ja dann auch schon wieder vorbei.

Wenn Sie hier in Sóller unterwegs sind, werden Sie da erkannt?

Von deutschen Urlaubern schon hin und wieder. Aber glücklicherweise habe ich nicht die Aura, die Leute dazu bringt, mir auf die Schulter zu klopfen. Ab und zu kommt jemand und sagt: ´Ich habe Sie gestern in Rote Rosen gesehen€´ Aber eigentlich fühle ich mich genau deshalb hier so wohl, weil es nicht so häufig vorkommt. Wir haben zu 80 Prozent spanische Freunde, und auch der Aufmerksamkeitsmodus wegen meines Vaters fällt hier weg. Das ist ein angenehmes und befreiendes Gefühl.

Wo Sie es schon ansprechen: Ist der Nachname Jürgens eher ein Fluch oder eher ein Segen?

Weder noch, er ist eine Herausforderung. Man muss sich damit aussöhnen. Außerdem bin ich auch eine unheimlich stolze Tochter und poste andauernd seine Songs auf meiner Facebook-Seite, weil ich wirklich darauf abfahre. Mit diesem großen Namen umzugehen, sollte nicht ein permanentes Rennen aus seinem Schatten heraus sein, sondern ein stetiges Wandern zum eigenen Licht.

Trotzdem werden Sie vermutlich oft auf ihn angesprochen.

Die Leute denken, sie tun dir einen Gefallen, wenn sie dir erzählen, dass sie 1986 in dieser Kneipe in Baden-Baden neben Udo am Tresen standen und ein Bier tranken. Aber wenn du so etwas in der Pause des Theaterstücks zu hören bekommst, in dem du dir gerade zwei Stunden die Seele aus dem Leib gespielt hast, dann langweilt das kolossal. Ich ­versuche natürlich, das nicht zu zeigen, die Leute meinen es ja nicht böse. Nur wenn man selbst einen schlechten Tag hatte, dann nervt das eben.

In den vergangenen Wochen war Ihr Vater in der deutschen Presse praktisch omnipräsent.

Mit seinem 80. Geburtstag und dem Tourneebeginn war das für uns als Familie liebevoll gesagt schon ein bisschen anstrengend: Jeden Tag wurde ich von Journalisten angerufen, um hier einen offenen Brief an ihn zu schreiben oder dort einen Kommentar abzugeben.

An seinem Ehrentag selber konnten Sie wegen der Arbeit in Lüneburg nicht mit ihm feiern. Da wären viele beleidigt€

Nein, das war bei Udo überhaupt nicht so. Ich wollte unbedingt hinfahren, aber es war zeitlich einfach nicht möglich. Ich habe ihn dann ganz verzweifelt angerufen und gesagt, dass ich nicht weiß, was ich machen soll - aber er selbst kennt das so gut, dass er einfach sagte: Wir werden dich vermissen, aber das ist gar kein Problem. Wir telefonieren fast jeden Tag und sind uns so nahe, dass man das nicht an einem einzigen Tag festmachen muss. Und wie oft mein Vater nicht bei unseren Geburtstagen oder Weihnachten war €

Haben Sie das damals als schlimm empfunden?

Mein Bruder John und ich haben das damals schon als Verlust empfunden, seine dauernde Abwesenheit. Aber heute verstehen wir das und wissen, dass die Rolle des ständig Windeln wechselnden Vaters und diese Karriere, die er nun mal gemacht hat, nicht miteinander vereinbar gewesen wären. Um das zu schaffen, was er geschafft hat, muss man schon auch ein bisschen seinen Ego-Trip fahren.

Wie erleben Sie die Auftritte Ihres Vaters?

Am Dienstag (4.11.) fliegen wir zum Konzert nach Düsseldorf, in der Pause treffen wir ihn hinten in der Garderobe, danach ziehen wir alle zusammen noch auf einen Drink los. Allerdings wird es wohl nicht allzu spät, denn am nächsten Tag steht er ja schon wieder auf der Bühne. Und er steht ja nicht einfach nur ein Stündchen auf der Bühne, wie das andere machen. Seine Konzerte dauern von 20 Uhr bis 22.45 Uhr. Das müssen Sie sich mal vorstellen! Aber er macht das einfach mit Leidenschaft, er liebt es. Schlussendlich kamen in seinem Leben vor den Frauen, den Kindern und den Geliebten immer die Musik und das Klavier. Trotzdem, dass er in seinem Alter noch eine solche Kraft hat €

Wie stehen Sie selbst zum Thema Alter?

Ich bin 47 und habe kein Problem damit, das auch zu sagen. Ein paar Kolleginnnen versuchen ja, sich auf den Agenturseiten drei oder vier Jahre jünger zu machen - das ist nicht souverän. Und außerdem ist es eine kleine Unverschämtheit gegenüber den Frauen, die das nicht tun.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 6. November (Nummer 757) lesen Sie außerdem:

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