Wenn im Übungssaal der Folklore-­Tanzschule in der Carrer Jaume de Santacilia, 3 im Zentrum von Palma die Kastagnetten besonders laut ertönen und die Drehbewegungen des mallorquinischen Hüpftanzes ball de bot flüssiger als üblich vonstatten gehen, schaut ­Gabriel Frontera fast erlöst drein. Der 61-Jährige leitet seit vielen Jahren die 1975 von Bartomeu Ensenyat gegründete Escola de Música i Danses de Mallorca,

deren zehn Dozenten von der Stadt bezahlt werden. Beim MZ-Besuch am Dienstagabend (10.3) schwingen die erfahrensten Ball-de-Bot-

Profis das Tanzbein.

Wobei das mit dem Tanzen leichter gesagt als getan ist. „Wer hier mitkommen will, muss eine sehr gute körperliche Kondition haben", sagt Gabriel Frontera. Er leitet die heute nicht in die traditionelle Tracht gehüllten Tänzer mit einer Art Headset an und sieht damit so dynamisch aus wie der Chef einer Software-Firma des Silicon Valley beim Vorstellen eines neuen Produkts. Frontera wippt zampanohaft zu den vergnüglich-schnellen Volksmusik-Rhythmen, die von einem CD-Player abgespielt werden. „Jetzt kreuzen", befiehlt der Schulleiter auf Mallorquinisch, und alle kreuzen. „Jetzt drehen", und alle drehen sich.

Fast zwei Stunden drehen, hüpfen und schreiten die Volksmusik-Cracks heute durch den in einem Altbau befindlichen Saal. Vielen rinnt am Ende der Schweiß vom Gesicht. „Man muss immer wieder konzentriert üben, um bei den Festivals mithalten zu können", sagt Frontera. Eins bis zwei Volkstanz-Treffen werden pro Jahr besucht, in Deutschland war man schon mehrfach. „Die Anreisen müssen wir immer selbst bezahlen, für Übernachtungen und Essen kommt der Gastgeber auf." Vor zwei Jahren konnte die auch aus Musikern bestehende Insel-Truppe bei so einer Veranstaltung in Litauen gehörig Preise abgreifen, das soll sich in der ersten August-Hälfte in der Türkei wiederholen. Abordnungen aus 23 Ländern wollen dort ihr Können zeigen.

In der Escola de Música i Danses können Interessierte, auch wenn sie noch gar keine Vorkenntnisse haben, unterschiedliche unter dem Oberbegriff ball de bot zusammengefasste Tänze lernen. Aufgenommen werden Teilnehmer ab 5 Jahren. „Hier werden Jotas, Boleros, Fandangos und Mateixas angeboten", erklärt Gabriel Frontera in einer Übungspause in seinem Arbeitszimmer. Es handele sich um matriarchalische Tänze. „Die Frauen führen, der Mann folgt." Kein einziger dieser Tänze komme von der Insel, so Frontera weiter. „Alle wurden in den vergangenen Jahrhunderten vom spanischen Festland importiert." Die Contradanças, die man hier seit Neuestem ebenfalls lernen kann, wurden im 18. und 19. Jahrhundert in England und Frankreich getanzt. Hinzu kommen noch religiöse Tänze, die hier einige einüben, um sie etwa zum Jahres­wechsel in der Kathedrale von Palma darzubieten.

Die etwa 60 hauptsächlich unter 30 Jahre jungen Mitglieder der eingeübten Kerntruppe treten nicht nur auf allerlei Insel-Festen und eben internationalen Folklore-Festivals auf, sondern unterhalten im March-Palast auch die Gäste von Kreuzfahrtschiffen, die im Hafen von Palma anlegen. „Sieben Auftritte sind schon fest vereinbart", freut sich Gabriel Frontera. Auch bei offiziellen Empfängen der Stadt wie etwa zuletzt vor der Seehandels­börse Lonja im Vorfeld des Balearen-­Tags am 28. Februar ist man tänzerisch aktiv. Und nicht nur das: Auch traditionelle mallorquinische Instrumente wie ximbombas werden dabei vorgeführt. Sie zu beherrschen kann man übrigens ebenfalls bei Gabriel Frontera erlernen.

Seit Gründung der Schule dabei ist María Ángeles Salom. Als 13-jähriges Mädchen stieß sie zu den Gleichgesinnten - so wie ihre Mutter und ihr Bruder. Heute ist die nunmehr 53-jährige Hausfrau nur zum Gucken und Helfen gekommen. „Vor einigen Tagen bin ich beim Tanzen umgeknickt", begründet María Ángeles ihre Zurückhaltung. Sie sei dennoch hier, weil dieser Raum mit der Spiegel­wand irgendwie ihr zweites

Zuhause sei. „Tanzen ist für mich ein Lebensgefühl", sagt sie.

So sieht das auch Mercè Amat. Die 26-jährige Studentin an der Balearen-Uni wurde aber auch von anderen Beweggründen getrieben, sich hier vor etwa einem Jahr anzumelden. „Das sind sehr soziale Tänze", äußert sie. „Und man muss nicht immer mit der gleichen Person tanzen." Überhaupt wolle sie andere Leute kennenlernen und sich mit ihnen wohlfühlen. „Und es ist auch eine Art, Sport zu treiben."

Die Tracht ziehe sie bei Auftritten zwar an, tue dies aber nicht mit allzu großem Enthusiasmus, sagt Mercè. Es sei ein komplizierter Vorgang, sich zu kleiden. „Lange Strümpfe und weiße Hosen sind die Unterwäsche, dann müssen noch zwei Röcke angezogen werden." Verglichen damit gestalte sich das Befestigen des mallorquinischen Kopftuchs rebozillo geradezu einfach. „Ich mache mir einen Zopf, und dann klammer ich das Ding einfach schnell fest." Ihr gefalle, dass es ihr freigestellt werde, die Stoffe selbst auszusuchen. „Ich habe alles bei mir im Schrank zu Hause."

Die Insulaner sind in der Escola de Música i Danses de Mallorca weitgehend unter sich. „Doch Menschen von anderswo sind immer herzlich willkommen", sagt Schulleiter Gabriel Frontera. Bis vor einem Monat habe hier ein Engländer mitgetanzt. „Deutsche haben wir hier leider noch nicht gesehen, aber wir hoffen, dass sich das ändert."

Schnupperstunden sind kostenfrei jederzeit möglich. Der nächste Acht-Monats-Kurs beginnt erst im Oktober (Erwachsene: 130 Euro, Kinder: 80 Euro). Weitere Infos unter Tel.: 670-37 29 84. Nächster Großauftritt der Tänzer: 18.4. um 16 Uhr in der Misericòrdia in Palma.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 19. März (Nummer 776) lesen Sie außerdem:

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