In Anlehnung an eine alte Dorflegende haben sich die Menschen in Sineu eine eigene Identifikationsfigur gebastelt. Die Fabelgestalt ist halb Stier, halb Teufel, mit einer rosa Blume geschmückt und heißt Muc, wahlweise Much geschrieben. Unter diesem Namen wurde er erstmals 2003 gefeiert. Seither strömen Jahr für Jahr, stets am 14. August, immer mehr rosa bekleidete Anhänger nach Sineu. Auch heute wieder...

18:00. Festivalmitorganisator Joan Munar ist zufrieden mit der Party. Es sind viele Leute da. Wieviele? Egal. Woran er aber auch zweifelt: "Ob diese ganzen Legenden, die wir über den Muc und die Mucada erzählen, wirklich wahr sind."

17:35. Das Fest wendet sich wieder dem normalen Rythmus zu. Trinken, tanzen, feiern. Stefan Horeis ist mit seiner Familie aus Hamburg da: "Es ist toll, was die jungen Leute hier auf die Beine stellen."

17:20 Es ist endlich soweit. Der Muc trifft auf seine Frau, die Muca. Die Leute drängen auf die Strasse. Das Ganze ist eine Parodie auf die traditionellen Osterprozessionen, bei denen sich die Mutter Gottes und der auferstandene Jesus treffen. Auch die Fiestas auf Menorca werden aufs Korn genommen. Doch statt auf Pferden rasen sie in Sineu auf Motorrädern durch die Menge. Jetzst ist die Atmosphäre am kochen. Viele, die heute noch arbeiten mussten, drängen ins Zentrum des Dorfes.

16:50. Auch die neue gewählte Bürgermeisterin von Búger, Liniu Siquier, ist hier. Was machen die Menschen in Sineu besser als in Búger, was die Fiestas angeht? "Sie können besser die Dorfbewohner aktivieren, sich an solchen Feierlichkeiten zu beteiligen."

16:28 Gespräch mit der Mallorquinerin Matilde Dam. Sie ist zum ersten Mal bei dem Fest. Ihr Mann kümmert sich um die Kínder. Sie ist mit Freundinnen hier. "Die Mucada ist ein relativ neues Fest, aber sie steht den anderen Fiestas in nichts nach." Zu diesem Zeitounkt ist die Mucada nicht anders als andere mallorquinische Dorffeste. Bier, Pomadas, lachende Menschen auf der Strasse. Wäre es nicht wegen der rosa Klamotten, würde man den Unterschied nicht merken.

16:00. Die Menschen versammeln sich wieder auf der Plaça Es Fossar. Es fängt an zu regnen. Die Musikkappele spielt trotzdem. Gegen jede Widerstände, wie auf der Titanic. Die Menschen verstecken sich in den Bars. Es wird noch etwas dauern, bis der Muc wieder rauskommt.

15:45. Interview mit dem Historiker Antoni Vives von der Universität Barcelona, der sich mit dem Phänomen Much auseinandergesetzt hat. Er sagt: "Die Mucada ist reine Erfindung. Und zelebriert genau das."

12:50. Kurz darauf erscheint auch der Muc in der Stadt. Auch er kommt ans Fenster und grüsst die Menschen. Diese jubeln ihm zu. Der politische Gedanke des Muc kommt auch hier zu tragen. Es ist eine Verballhornung aller inszenierten Politikershows, wo sich diese von den Masssen feiern Lassen. Der Muc wünscht ein frohes Fest. Es lebe Sineu. Und wünscht sich, dass das Fest auch im kommenden Jahr stattfinden möge. Aus einem anderen Fester wird Wasser aus einem Schlauch in die Menge gespritzt. Wenn die Leute zu wild herumspringen, pfeift einer der Veranstaler in eine Trillerpfeife und guckt sie fragend an. Meist sind es Jungs, sie haben getrunken, die Sonne brennt. Sie beruhigen sich schnell. Aggressiv ist die Stimmung hier nicht.

12:33. Der pregó geht los. Maribel Servera trägt ihn von einem Rathausfenster aus vor, eine bekannte mallorquinische glosadora. Gloses sind die traditionellen, improvisierten Dichtungen, die häufig sozialkritisch sind. Servera hält sich nicht zurück, auch wenn sie diesmal nicht improvisiert, sondern vom Zettel abliest. Sie betont die Einzigartigkeit des Muc, der sich von der Steifheit der anderen Fiestas befreit hat. Sie erzählt von einem Fest, dass die Gesellschaft kritisch hinterfragt. Dass die Menschen wieder Menschen sein lässt, Kinder wie Erwachsene. Das für die katalanische Sprache steht und die Verteidigung der eigenen Kultur. Das für Toleranz steht. Sie macht sich über Lokalpolitiker lustig. Vom Rathausfenster wirken die Worte nochmal eindrucksvoller. Die Massen jubeln, lachen, reissen die Augen aus, angesichts dessen, was sie da hören.

12:02. Der Rathausplatz ist brechend voll. Wir warten auf den pregó, die Ansprache. Es ist heiss. Statt des angeküdigten Regens sind es 32 Grad. Die Sonne brennt nieder. Immer mehr Menschen strömen auf den kleinen Platz. Aus den Lautsprechern döhnen die Beatles. "All You Need Is Muc", singen die Leute mit. Sie hüpfen rum. Von oben werden aufblasbare Wale und Bälle runtergeworfen. "Wir sind aus Sineu, aus Sineu", gröhlen die meist jugendlichen Besucher. Kínder sind hier keine mehr. "Bist du aus Sineu?", fragt ein junges Mädchen. "Nein." Sie zeigt mir den Mittelfinger. Muc ist auch irgendwie der Stolz von Sineu. Die Touristen können am Nachmittag kommen.

11:35 Dann ist es soweit. Aus einem Gebüsch kommt er heraus. Ein absurdes Fabelwesen mit gepiercter Nase, einem spöttischen Grinsen im Gesicht und eine Kippe zwischen den Zähnen. "Muc, Muc, Muc, Muc", rufen die rosa gekleideten Menschen. Dann stürmen sie auf ihn los, werfen ihn in die Luft und feiern ihn wie einen erfolgreichen Fussballtrainer. Es kurzes, aber intensives Spektakel. Dann laufen alle wieder zurück zu den Traktoren, Fahrrädern und Autos, mit denen sie hergekommen sind.

11:15. Die Araber haben gewonnen. Mässiger Applaus. Die Xeremiers spielen auf. Als nächstes folgt die Weltmeisterschaft im Olivenkernweitspucken. Es ist eine Mischung aus Kindergeburtstag, Klassenfahrt und Dorffiesta. Noch wird der Alkohol eher mässig konsumiert. Es gibt einen Stand, wo Pomada, also Limonade mit Xoriguer-Gin, verkauft wird, aber die wenigsten haben Gläser in der Hand.

11:06. Auf dem Puig de Reig. Die Mucada imitiert traditionelle Feste ohne jedoch darauf Bezug zu nehmen. Nachdem der Muc mit einem Lied beschwört wurde, stellen die Teilnehmer nun die Schlacht zwischen König Jaume III. und den Arabern von Sineu nach, in dem sie tauziehen spielen. Allerdings mit Öl im Mund. Es gewinnt die Mannschaft, die am Ende noch am meisten Öl im Mund hat.

10:17. Die Karawanne ist auf dem Weg zum Puig de Reig, um den Muc zu beschwören. Wir sitzen in dem Anhänger eines Traktors. 25 Menschen. Kínder, Ältere. Es ist verrückt, wie viele Klamottenvariationen es in rosa gibt. Es ist extrem ruckelig. Die Zieleinfahrt auf einem Acker am Puig de Reig gleicht einer Szene aus Mad Max. Ein Radfahrer sprintet gegen einen Lastwagen und einen Traktor. Er trägt ein Ballerinakleid.

09:30. Es ist noch ruhig in Sineu. Die Strassen und Plätze sind geschmückt. Hiere geht es heute nur um eins: Den Muc. Die Menschen, die wir auf der Strasse sehen sind in rosa Klamotten gekleidet. Selbst die Ältern. Das hier ist ein Fest für das ganze Dorf.