Die Glocke läutet das Ende der Pause am IES Joan Maria Thomàs in Palma ein. Die Schülerströme schieben uns in den ersten Stock des öffentlichen Gymnasiums, wo wir mit Lourdes Crespo in ein Klassenzimmer einbiegen. „Hallo, das sind zwei Journalisten aus Deutschland", sagt die Deutschlehrerin. Die Schüler - 14 und 15 Jahre alt - schauen uns mit schüchterner Neugier an: „Hallo, wie geht´s?" Auf den Tischen liegen sieben überdimensionale Puzzle-Teile. Alle sind grundiert, teils in Schwarz-Rot-Gelb, einige bereits mit bunten Bildern beklebt, andere sind noch leer.

Das wird sich bis Freitag ändern. Am Nachmittag des 2. Oktobers hat das deutsche Konsulat in Palma anlässlich des 25. Jubiläums der Deutschen Einheit zu einem Empfang im Innenhof des Museums Es ­Baluard geladen, der wegen des drohenden Regens in den alten Wasserspeicher verlegt wird. Mit dabei sind auch Crespo und ihre Schüler. Sie sind Teil der Aktion „Zusammen zur Einheit", die weltweit 34 deutsche Auslandsvertretungen und Goethe-Institute organisiert haben. „Das Konsulat hat mich angerufen und gefragt, ob wir mitmachen wollen, die Schüler hatten Lust, und ich dachte mir, das könnte ein schönes Projekt sein", erzählt Crespo. Am Freitag wollen sie gemeinsam mit Schülern der deutschen Schule Eurocampus und anderen Deutschlernenden insgesamt 28 Teile zu einem gut 25 Quadratmeter großen Puzzle in Form einer Deutschlandkarte zusammenfügen. Die Deutschland-Puzzles sollen symbolisch daran erinnern, dass auf dem Weg zur Einheit viele einzelne Teile zusammengefügt wurden.

Die 17 Schüler des IES Joan Maria Thomàs, die derzeit zwei Stunden Deutschunterricht in der Woche haben, näherten sich dieser Aufgabe aus verschiedenen Richtungen. Ihre Puzzle-Teile widmen sich Daten der deutschen Geschichte, Gegensätzen zwischen BRD und DDR, dem deutschen Fußball, dem Oktoberfest und dem Dreiklang aus Wissenschaf, Musik und Dichtung, verkörpert durch Einstein, Beethoven und Goethe. „Ich habe die Schüler gefragt, wie sie Deutschland sehen und was sie interessiert, und so haben sich die Themen ergeben", sagt die Lehrerin.

Crespos eigenes Leben wäre ohne die Wiedervereinigung sicherlich anders verlaufen: Die gebürtige Madrilenin zog 1994 für ein Erasmus-Jahr nach Leipzig und erlebte die ostdeutsche Stadt in ihrer Sturm und Drang-Phase. „Ich habe in einem Studentenwohnheim gewohnt, das noch viel von den alten Zeiten hatte, dann in einem Altbau mit Berliner Öfen. Wenn wir ein Bad nehmen wollten, mussten wir das Wasser im Kphleofen erwärmen", erzählt sie. In der Buch- und Messestadt lernte sie auch den Vater ihrer Tochter kennen. „Ich hätte auch nach Köln gehen können, aber ich habe mich immer sehr für den Osten interessiert", sagt Crespo. Die Leipziger haben sie jedenfalls mit offenen Armen empfangen: „Die Stimmung war gut, und die Leute wollten Kontakt zu Ausländern, wir waren exotisch. Ich habe damals mit vielen Menschen gesprochen. Man hat aber auch gemerkt, dass die Wiedervereinigung manchen zu schnell gegangen ist", erzählt sie. Leizpig hat sie zuletzt vor drei Jahren besucht „Ich habe die Stadt nicht mehr wiedererkannt, aber man sieht bis heute noch Unterschiede zwischen Ost und West", sagt Crespo.

Ihre Schüler haben indes beim Puzzeln jede Menge gelernt: „Franz Beckenbauer war der beste Innenverteidiger der Geschichte", sagt ein Schüler. „Ich wusste nichts über das Oktoberfest", ergänzt eine Mitschülerin. „Bei so einem Projekt bleibt bei den Schülern viel mehr hängen", sagt die Lehrerin.

Wir präsentieren eine Fotogalerie zum Empfang im Es Baluard.