Es war ein jahrelanges Martyrium, das Johanna Rosenwald und ihren Ehemann Martin Hilpert 2006 dazu brachte, nach zehn Jahren ihrem geliebten Port d´Andratx den Rücken zu kehren. „Wir sind verjagt worden von höllischem Baulärm", so die in Travemünde lebende Ex-Residentin zur MZ. „Es waren 100 Dezibel, und das nicht selten 14 Stunden am Tag."

Schon damals kam der entsetzten Insel-Liebhaberin in den Sinn, die explodierende Bautätigkeit auf der Insel zu einem Roman-Thema zu machen. Nach jahrelanger Arbeit mit Unterbrechungen ist nun ein 400 Seiten starkes, passagenweise vergnüglich zu lesendes Werk mit dem Titel „Atalaya" beim Neubrandenburger Spica-Verlag erschienen. Im Mittelpunkt steht der Immobilienunternehmer Michael Prinz, der an einer Bergkuppe namens Atalaya das große Geld machen will, sich aber in einem Dickicht von mafiosen Machenschaften verfängt. Dabei kommt er mit allerlei dubiosen Figuren in Kontakt, die sich auf der Insel bekanntlich herumtreiben und sich wie Skorpione in Schach halten - angefangen vom aufstrebenden deutschen Jung-Galeristen mit purpurrotem Ferrari bis hin zur durchtriebenen Dorf-Bürgermeisterin.

Mitunter verliert man beim Lesen den Überblick - so viele Figuren tauchen auf. Dennoch fesselt so manche Szene. Wenn etwa der penetrant großmäulige Michael Prinz wie James Bond mit dem Helikopter auf dem Atalaya landet und mit raumgreifenden Schritten umherläuft, wird seine Gier geradezu fühlbar. Bei der Schilderung solcher Begebenheiten spart die Autorin nicht mit Sarkasmus. Der Immobilienmensch nennt sein Projekt großspurig „El Dorado". Andere Figuren protzen mit ihrem Schmuck, gestylten Haarzöpfen oder komplett enthaarter Brust.

Wobei sich Johanna Rosenwald sämtliche Personen ausgedacht hat und sich ausdrücklich nicht an lebenden Insulanern orientiert hat, wie sie betont. Doch beobachtet habe sie „durchgestylte Staffagen" mit reichen Leuten schon. Die Orte heißen bei ihr denn auch „Cala Valpareis" oder „Antelm Hills".

„Ich will mit dem Buch vor allem zeigen, wie eine internationale Community, wie es sie auf Mallorca ja gibt, funktioniert", sagt die mittlerweile 74-jährige Autorin, die vor ihrer Übersiedlung nach Mallorca im Jahr 1996 an der Internationalen Schule in Hamburg unter anderem Deutsch und Philosophie auf Englisch unterrichtete und zuvor jahrelang in Kanada gelebt hat.

Trotz der Begebenheiten im Roman erinnert sich Johanna Rosenwald mit Wohlgefallen vor allem an die Deutschen auf Mallorca. „Sie waren zu unserer Zeit die Ersten, die sich bemühten, Spanisch zu lernen." Wenn sich das zum Schlechten verändert haben sollte, dann habe das wohl damit zu tun, dass viele altersbedingt weggegangen und nunmehr Angehörige einer neue Generation auf die Insel gezogen seien.

Das Problem seien damals nicht die Deutschen, sondern eher die Einheimischen gewesen: „Als wir vor 30 Jahren erstmals auf Mallorca Urlaub machten, wurden wir ziemlich unfreundlich und fast abweisend bis misstrauisch begrüßt." Dabei seien es doch die Fremden gewesen, die geholfen hätten, diese „Armutsinsel" nach oben zu bringen. Das anfänglich ablehnende Verhalten der Mallorquiner habe sich über die Jahre geändert, weil sich die Deutschen „im Allgemeinen als zuverlässige und anständige Partner und höfliche Gäste erwiesen".

Diese erfreuliche Entwicklung gelte aber nicht für das Verhältnis zwischen Engländern und Deutschen auf Mallorca, das ebenfalls im Buch thematisiert wird. „Die Engländer empfinden sich als überlegen, bei manchen älteren spielt immer noch eine Feindseligkeit mit, die sicherlich noch von den beiden Weltkriegen stammt."

Dennoch: Johanna Rosenwald will nicht verallgemeinern. Weil es nationalitätenunabhängig überall freundliche und dubiose Menschen gebe, dürfe das Thema des Buchs - die entfesselte Immobilien­spekulation - nicht ortsgebunden gesehen werden. An der Ostsee komme so etwasgenauso vor.

Es mag sein, dass Johanna Rosenwald ein verklärter Blick auf die Vergangenheit („unsere zehn Jahre auf Mallorca waren die schönsten in unserem Leben") ein Schnippchen schlägt. Die Insel ist für sie „immer noch ein Paradies", dem sie nachtrauere. Und dies trotz all dem, was sie und ihr Mann erleben mussten: „Wir haben mit Wut beobachtet, wie mit der Natur umgegangen wurde." Auch die „Protzigkeit" der Neubauten habe sie gestört. Und die Rechtsunsicherheit habe besonders ihren Partner, einen Juristen, zur Weißglut gebracht. Dass man in manch einem Rathaus mit einem „Geschenkkorb" habe auftauchen müssen, um etwas zu bewegen, sei „ekelhaft" gewesen.

Dass sie nicht mehr zurück auf die geliebte Insel ziehen wolle, habe allerdings mit alledem nichts zu tun. Gesundheitliche Probleme ihres Mannes machten die Rückkehr leider unmöglich.