Dass Agustín „El Casta" im Café von Real Mallorca am Stadion Son Moix zum Gespräch empfängt, hat eigentlich praktische Gründe: Er war sowieso gerade hier für einen Foto-Termin anlässlich des 100. Geburtstags des Vereins im kommenden Jahr. Doch der Ort passt auch zu seinem Comedy-Programm. „Utz Claassen ist eine faszinierende Figur", so der Comedian über den deutschen Präsidenten von Real Mallorca. „Ich liebe seinen Haarschnitt, seinen Bodyguard, seinen Akzent im Spanischen - er hat einen großen Wortschatz, spricht aber wie ein Roboter." Der Komiker improvisiert spontan eine Kostprobe.

Man darf davon ausgehen, dass Claassen eine immer wichtigere Rolle im Programm von El Casta spielen wird. Ein Deutscher als Präsident einer urmallorquinischen Institution - so etwas muss einfach in eine Comedy-Show, die seit inzwischen 24 Jahren ein Zerrspiegel des aktuellen Insel-­Geschehens ist. Jeder Mallorquiner kennt denn auch El Casta, der mit bürgerlichem Namen Agustín Martínez heißt. Woche für Woche tritt er im Café de Cala Gamba an der Playa de Palma auf, und zum Jahreswechsel wird er wieder mehrere Tage das Auditorium in Palma füllen - im vergangenen Jahr war der große Saal an vier von sieben Tagen restlos ausverkauft.

So gehört für viele Mallorquiner El Casta zu Weihnachten wie der Weihnachtsmann. Zwischen den Feiertagen bietet sich eine willkommene Gelegenheit, um das Jahr mit satirischem Blick vorüberziehen zu lassen. Diesmal verspricht das Programm zwar eine Zeitreise ins Mittelalter: „La leyenda de la bahía", so der Titel, „die Legende der Bucht", und El Casta posiert auf dem Plakat als mallorquinischer König Jaume III. Doch der letzte Monarch eines eigenständigen Königreichs Mallorca im 14. Jahrhundert ist nur ein Vorwand, um die jüngsten Ereignisse Revue passieren zu lassen.

Am Programm gebastelt wird bis zuletzt: Der Skandal um eine „ungebührliche Beziehung" des Bischofs mit einer Ex-Sekretärin, der vor zwei Wochen losbrach, liefert dem Insel-Comedian zum Beispiel weiterhin Stoff. „Damit könnte ich den ganzen Abend bestreiten." Der Ring etwa mit dem eingravierten Namen der Frau, den Javier Salinas zeitweise trug und der angeblich Zeichen einer gemeinsamen Gebetsgruppe war: „Da muss ich nichts mehr selbst hinzufügen". El Casta wird sich allein auf die große Bühne stellen, die Details mit seiner schnarrenden, auch ohne Mikrofon elektronisch etwas verzerrt klingenden Stimme erzählen, den mallorquinischen Akzent in seinem Spanisch immer wieder heftig übertreiben - und die Kunstpausen wirken lassen.

Auch den Korruptionsskandal in Palmas Ortspolizei, die Krisen in der Volkspartei oder das nicht enden wollenden Schlamassel um Palmas Kongresspalast wird El Casta auf diese Weise verarbeiten. Die Geschichte mit Jaume III. und dem eigenständigen Mallorca verspricht Seitenhiebe auf den Katalonien-Konflikt. Wenn es hingegen darum geht, über die Eigenheiten des Mallorquiners an sich zu lachen, kommt Lorenzo Llamas ins Spiel, die beliebteste Kunstfigur von El Casta - ein Junggeselle aus Bunyola, der sich für einen Latin Lover hält.

Fast ebenso populär ist Klaus Kartoffel, ein blondperückter Deutscher, der sich in den vergangenen Jahren vom treuen ­Mallorca-Urlauber über den integrations­beflissenen Air-Berlin-Mitarbeiter zum phantasierenden Touristenführer entwickelt hat. So bekommen alle Nationalitäten ihr Fett weg. Klaus Kartoffel wird im Auditorium nicht auf der Bühne, sondern auf der Leinwand seinen Auftritt haben: Zum Spektakel gehört auch die Projektion eines Kurzfilms, bei dem in diesem Jahr Marcos Cabotá Regie geführt hat - er wurde zusammen mit Toni Bestard für die Doku über Darth-Vader-Darsteller David Prowse für den Goya nominiert, den wichtigsten spanischen Filmpreis.

Worum es im Kurzfilm geht, ist streng geheim, aber der deutschen Zeitung verrät El Casta doch etwas: Wir sehen den sterbenden Jaume III., nachdem er in der Schlacht von Llucmajor im Jahr 1349 tödlich verletzt wurde, bei den letzten Worten zu seinem Sohn. Gegenschnitt, es öffnen sich die Türen, und Klaus Kartoffel platzt mit einer deutschen Touristen­truppe aus Mallorcas Gegenwart in die Szenerie.

Sogar ein echter alemán sei dabei, so El Casta. Er hat ein Faible für die Deutschen, und würde er die Welt jenseits von Mallorca ins Programm aufnehmen, wären Angela Merkel und Papst Benedikt XVI. Stammgäste. Sie seien allemal interessanter als Ex-Premier Jaume Matas oder die „langweiligen Sozialisten" der Insel-Politik.

El Casta teilt nach allen Seiten aus, will aber keinem weh tun. Spanien leide schon so sehr an sich selbst, dass seine Mission die gute Laune sei. „Es ist unglaublich, wie viel Spaß ich nach all den Jahren noch immer an der Comedy habe", meint El Casta, er sprudle über vor Ideen. Das gilt auch für Klaus ­Kartoffel, für den sich der Komiker schon eine Zukunft überlegt hat: Er soll bei Real Mallorca tätig werden, vielleicht als Berater von Utz Claassen.