In einer Anwaltskanzlei am Borne-Boulevard in Palma klingelt das Telefon. „Nein, das Konsulat auf Ibiza gibt es nicht mehr", spricht Ekkehardt Boxberger in den Hörer und klingt dabei ein bisschen wehmütig. „Solche Anrufe bekomme ich momentan ständig", sagt der Jurist dann. Er war 34 Jahre lang deutscher Honorarkonsul auf Mallorcas Nachbarinsel - bis der 74-Jährige vor gut zwei Monaten in den Ruhestand verabschiedet und das Honorar­konsulat geschlossen wurde.

Zu seinem Amt war der Deutsche, der seit 1975 auf Mallorca lebt, Anfang der 80er Jahre durch Zufall gekommen: Im selben Bürogebäude, drei Stockwerke über seiner Kanzlei, befand sich damals noch das deutsche Konsulat. So freundete er sich mit dem damaligen Konsul an, der ihn schließlich vorschlug, als auf Ibiza der Posten des Honorarkonsuls neu zu besetzen war. Von da an stieg Boxberger einmal pro Woche in den Flieger, um in San Antonio Sprechstunde zu halten. Nach einem Jahr verlegte er das Konsulat nach Ibiza-Stadt, wo alle wichtigen Behörden liegen und er außerdem eine Außenstelle seiner Kanzlei einrichtete. Neben seinen wöchentlichen Besuchen hielten dort montags bis freitags zwei Büromitarbeiterinnen die Stellung - wofür Boxberger eine kleine Aufwandsentschädigung vom deutschen Staat bekam, der Rest war Ehrenamt.

„Es war eine sehr schöne Zeit", sagt Boxberger - der anfangs noch ein recht rustikales Ibiza erleben durfte: Gefangene besuchte er in einer Art Verlies statt in einer modernen Haftanstalt, sein alter Seat parkte direkt am Rollfeld, Personenkontrollen am Flughafen gab es nicht. Der Wandel der Zeit machte sich zwar nach und nach auch auf der Hippie-Insel bemerkbar, aber Ibiza sei immer noch ganz anders als ­Mallorca, so Boxberger. Für Ausländer gebe es, neben Tourismus und Gastronomie, kaum Arbeitsmöglichkeiten. „Im Winter ist alles zu. Aber die Menschen wollen das so, um ihre Ruhe zu haben." Und die positive Begleiterscheinung: Es gebe auch keine Radfahrer, die auf Mallorca eine regelrechte Landplage seien.

Bis zu 3.000 Besucher pro Jahr zählte das Honorarkonsulat in der Anfangszeit. Dank Internet und Handy sank die Zahl inzwischen deutlich. Doch in der Hauptsaison stünden an manchen Sprechtagen immer noch bis zu 20 Leute Schlange, erinnert sich Boxberger. Die meisten kämen in einem Notfall, weil sie ihre Papiere verloren haben oder ausgeraubt wurden. Dazu erledigte er das übliche Konsulatsgeschäft: Geburtsanzeigen, Namensänderungen nach der Heirat, Sterbeurkunden, Erbschaftsangelegenheiten.

Und dann sind da natürlich noch all die Geschichten und Erlebnisse: etwa das unerwartete Wiedersehen eines Alt-Hippies und seiner Mutter nach 30 Jahren. Oder der deutsche Koch, der hinter Gitter musste und erst nach Boxbergers Einschreiten wieder auf freien Fuß kam - was die Gefängnisleitung aufgrund seiner vorzüglichen Kochkünste offenbar möglichst lange hinauszögern wollte. Auch traurige Momente blieben dem Honorarkonsul nicht erspart - wie der Tag in den 80ern, an dem ein Motorradfahrer in einen Reisebus mit deutschen Urlaubern raste. Sieben Menschen verbrannten, man habe sie teils nur anhand ihrer Schmuck­stücke identifizieren können.

Am 30. November musste Boxberger seinen Hut nehmen, weil er mit seinen 74 Jahren die Alters­obergrenze erreicht hatte. „Ich hätte gerne noch weiter gemacht, aber ich darf nicht mehr - zum Leidwesen der Deutschen auf Ibiza", sagt er. Auch an Bewerbungen potenzieller Nachfolger - vom deutschen Zahnarzt bis zum spanischen Notar - habe es nicht gemangelt. Doch das Auswärtige Amt sah offenbar keinen geeigneten Kandidaten und entschied sich für eine andere Lösung: Für die Belange der gut 3.500 auf Ibiza und Formentera gemeldeten Bundesbürger sowie der gut 200.000 deutschen Urlauber im Jahr ist nun das deutsche Konsulat in Palma zuständig. Das Ausscheiden Boxbergers sei Anlass gewesen, die Konsularbezirke in Spanien neu zu überdenken, sagt Konsulin Sabine Lammers. „Und die Zuordnung zu Mallorca als Haupt­insel der Balearen schien da sinnvoll." Bislang war das Generalkonsulat in Barcelona dem Honorarkonsulat auf Ibiza übergeordnet.

Aus Sicht der Ibiza-Deutschen - oder zumindest ihres Sprachrohrs, des deutschsprachigen Magazins „Ibiza Heute" - bringt die Neuregelung große Nachteile mit sich. Die Monatszeitschrift sprach sich immer wieder für den Erhalt des Honorarkonsulats aus und startete sogar eine Online-Petition und Unterschriftensammlungen. „Uns ist bewusst, dass die Fußstapfen, die Herr Boxberger hinterlässt, groß sind, aber ich versichere den Deutschen auf den Nachbarinseln, dass wir uns ihrer Bedenken und Befürchtungen jederzeit annehmen werden und uns Anregungen und Vorschläge stets willkommen sind", versucht Lammers die Wogen zu glätten. Zudem helfe das Konsulat in Palma jederzeit telefonisch oder per E-Mail weiter, um Unklarheiten im Vorfeld zu klären - damit niemand unnötig oder mit unvollständigen Unterlagen in den Flieger oder aufs Schiff steigt.

Und wenn jemand aus Gewohnheit bei Ekkehardt Boxberger anruft, hilft auch der weiter. „Aber mehr als die neue Telefonnummer durchzu­geben, kann ich jetzt nicht mehr tun." geben, kann ich jetzt nicht mehr tun."