Wenn Xisco Clapés in seiner Werkstatt langsam über den ausgebauten und auf Hochglanz polierten Motor einer seiner Vespas streicht, tut er das mit fast zur Schau gestellter Zärtlichkeit. „Ich habe es bisher immer geschafft, alte Motoren dieser Roller wieder zum Laufen zu bringen", sagt er fast ein wenig verträumt. Unter der Woche betreibt er am Rathausplatz in Palma ein Juweliergeschäft. Samstags und sonntags aber trifft er sich im Garten seines Wochenend-Hauses bei Sencelles mit Gleichgesinnten und ihrem Nachwuchs.

Alle schrauben dann den ganzen lieben Tag lang zwischen Kakteen und anderem Gestrüpp an meist schon recht angejahrten Exemplaren der italienischen Kultfirma Piaggio, brettern auch mal über die engen Straßen des mallorquinischen „Pla" und fachsimpeln, lachen und essen und trinken dazu. Das älteste Modell der mallorquinischen Vespa-Freunde stammt aus dem Jahr 1954, einige bringen Lambrettas mit, die ebenso legendären Konkurrenten der Vespas.

„So ein Motor hat nur 9 bis 10 PS und ist alles andere als kompliziert", sagt Clapés und zeigt den MZ-Reportern die erste von zwei Werkstätten - jene, in der alte Roller neu hergerichtet werden. Eine Vespa ist dort aufgebockt, daneben auf einem Tisch befinden sich allerlei für Uneingeweihte fremd wirkende Ersatzteile. Für Xisco Clapés gehören sie zum Leben: „Mittlerweile komme ich mit den Teilen schon fast blind klar." Mit ein wenig Übung könne jeder seine Vespa selbst reparieren, sagt er. „Ich habe das hier schon sehr ­vielen relativ schnell beigebracht." Andreu Pujol aus Inca etwa habe noch vor Kurzem nicht die geringste Ahnung von den Rollern gehabt. „Jetzt arbeitet er dort hinten an seiner Vespa."

Zu Clapés´ selbst auferlegten Aufgaben gehört es auch, sich alte Einzelteile zu beschaffen, die auf der Insel reichlich vorhanden sind. „Letztens bekam ich kostenlos von einem Deutschen aus Port d´Andratx das nur leicht ramponiertes Chassis einer Vespa aus den frühen 60er Jahren." Clapés strahlt über beide Ohren. Andere Teile kommen über einschlägige Facebook- und Whatsapp-Gruppen zusammen. Clapés sammelt sie nach und nach, bis er wieder genügend für ein neues Gefährt zusammen hat. Dann entsteht eine runderneuerte Vespa. „Bis dahin können zwischen zehn Monaten und einem Jahr vergehen, aber wenn ein Motorroller einmal fertig ist, bekomme ich dafür 3.000 bis 4500 Euro", sagt er. Wobei er sich von bestimmten Vespas und Lambrettas nie trennen würde. „Ich besitze einige, die ich für unverkäuflich erklärt habe."

Noch vor wenigen Jahren habe sich kaum wer nach den nicht zuletzt durch italienische Spielfilme zu Kultstatus gelangten Rollern umgesehen, geschweige denn dafür ein paar Tausend Euro ausgegeben. Nun aber ist Vintage in vielen Varianten im Trend. Zuweilen bekommt Clapés auch fahruntüchtige Uralt-Vespas oder -Lambrettas mit sämtlichen Einzelteilen ­angeboten. Dafür zahlt er in der Regel 450 bis 850 Euro und bringt die Roller dann auf Vordermann. „Es macht mich glücklich, so einem schönen Stück wieder Leben einzuhauchen, sie erhalten durch mich eine gewisse Persönlichkeit."

In der zweiten Werkstatt richten Xisco Clapés und seine Freunde Sport-Vespas her. Mit der Eleganz der handelsüblichen Roller haben diese rasanten, 28 PS starken und eher klobig wirkenden Gefährte aber nichts gemein. „Die dürfen nicht auf öffentlichen Straßen unterwegs sein, wir setzen sie nur bei Rennen auf der Kartbahn von Can Picafort und dem Circuit Mallorca bei Llucmajor ein."

„Es gibt immer mehr Mallorquiner und auch Briten und Deutsche auf der Insel, die sich für Vespas interessieren", sagt Jordi Cerdó aus Muro, der einer Genossenschaft von Finca-Besitzern im Norden von Mallorca vorsitzt und schon seit Jahren die Wochenenden mit Xisco Clapés und seinen Rollern verbringt. Wenn die Vespa in Nord- und Mitteleuropa für den mediterranen Lebensstil schlechthin stand, war das Verhältnis zum Roller auf der Insel lange ein anderes. „Hier war immer ausschlaggebend, dass es sich um ein preisgünstiges Fortbewegungsmittel handelt und dass - ganz wichtig - die Hosen und Röcke beim Fahren nicht schmutzig wurden", erzählt Jordi Cerdó. Deswegen seien sie bis heute vor allem bei Büromenschen in der Stadt beliebt.

Jordi Cerdó schätzt, dass es derzeit etwa 3.000 Vespas auf der Insel gibt. Neben denen aus den 50er und 60er Jahren mit den putzig kleinen Reserverädern unter den Handschuhfächern werden auch modernere, nicht mehr allzu elegante, aber bremsstärkere Roller aus den 80er Jahren gesammelt. Sämtliche Vespas erreichen etwa 100 Stundenkilometer, haben vier Gänge und werden mit einem speziellen Benzin-Ölgemisch angetrieben, wobei der Kraftstoff-Anteil 95 Prozent beträgt.

„Besonders begehrt sind englische Vespas oder auch die, die früher in Madrid hergestellt wurden", weiß Jordi Cerdó. Zwischen 1952 und 2003 unterhielt Piaggio dort eine Fabrik für den spanischen Markt und versah die bunten und wohlgeschwungenen Fahrzeuge mit einem speziellen Emblem - „Motovespa Madrid". Wer unter Sammlern etwas auf sich hält, wienert solche Roller fast jeden Tag.

„In den vergangenen zwei Jahren habe ich bei diesen Treffen mehr Leute kennengelernt als in 25 Jahren davor", sagt Xisco Clapés schon fast ein wenig euphorisch über den jüngsten Zulauf. Unter den mallorquinischen Vespa-Fans seien so gut wie alle Berufsgruppen vertreten - von Freiberuflern über Lehrern bis zu Briefträgern.

„Es ist kein teures Hobby, man muss auch keinen Extra-Führerschein dafür machen", sagt Ariel „El Gaucho" Rosamila, ein Argentinier aus Buenos Aires. Mit seinen Insel-Vespa-Freunden besucht er auch regelmäßig große Treffen auf dem spanischen Festland - etwa im vergangenen Jahr in Castellón de la Plana im Nordosten des Landes. „Es ist einfach wunderbar, so viele Leute um sich zu haben, die das Gleiche wie du toll finden." Xisco Clapés zeigt derweil auf eine besondere Kreation: Aus einer Schaufel bastelte er kürzlich einen bequemen Sitz und verlieh einer seiner Vespas eine besondere Note. Als er sein Werk kürzlich zeigte, heimste er gehörig Lob dafür ein. „Wir tranken auf diese Leistung noch ein paar Dosen mehr ­Estrella-Galicia-Bier als üblich."

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