Vor elf Jahren krempelten Rolf Winters und Renata Heinen ihr Leben um und zogen zunächst in die Wälder von Michigan. Schuld daran waren die drei Kinder des holländischen Paares. „Wir waren immer Großstadtmenschen. Als wir Eltern wurden, änderte sich unsere Perspektive auf das Leben, unseren Lebensstil und den Beitrag, den wir für die Zukunft leisten wollen", sagt Winters. Der Wirtschaftsberater und die Künstlerin hinterfragten vieles, vor allem aber die Strukturen westlicher Konsumgesellschaften.

„Wir häufen falsche Sicherheiten an, geben die Verantwortung für unser Leben an Institutionen ab und haben ein System geschaffen, das uns von unserem wahren Wesen trennt", sagt der Familienvater. Seine Ausführungen spiegeln die Thesen des französischen Philosophen Michel Foucault wider. Ein weltfremder Hippie ist der 51-Jährige nicht.

Mit 30 hatte er sich selbstständig gemacht, arbeitete mit der Führungsriege internationaler Konzerne. Die Geschäfte liefen gut, trotzdem war er unzufrieden. „Je weiter ich die Karriereleiter emporstieg, desto enttäuschter war ich von den Führungskompetenzen, die mir begegneten", sagt er. Statt ganzheitlicher Weitsicht erlebte er die negativen Folgen kurzfristiger Lösungen.

Schließlich beschloss er mit seiner Frau, für einige Zeit aus dem Hamsterrad auszusteigen. Auf den Rat eines Freundes hin reiste Winters zunächst alleine nach Michigan, dem Land der Anishinaabe. Nur mit einer Adresse bewaffnet kam er spätabends in einem Motel in den Wäldern an. „Ich öffnete die Tür, drinnen saßen alle beisammen, schauten mich an und fragten: ´Wo warst du die ganze Zeit?´", sagt er. Es war der Beginn einer großen Reise.

Die Holländer verkauften ihr Hab und Gut und zogen mit ihren Kindern in die USA. Sie bauten ein Haus, eine Schule, legten einen Garten an und lernten von den Ureinwohnern. Die Häuptlinge der Anishinaabe erzählten ihnen unter anderem, dass sie versuchen, Entscheidungen so zu treffen, dass sie auch für sieben künftige Generationen von Nutzen sind.

Und sie berichteten der Familie von Nowaten. Es dauerte mehr als zwei Jahre, bis sie den 80-jährigen Schamanen persönlich kennenlernten, der zurückgezogen im Wald lebte. Ein Schlüsselerlebnis. „Ich kam mit vielen Fragen zu ihm und schaffte es über Stunden kaum, einen Satz einzuwerfen", sagt Winters. Dabei bedeutet Nowaten „Der, der zuhört". Sein holländischer Besucher war dementsprechend verwundert.

„Später habe ich festgestellt, dass er auf einer anderen Ebene zuhört", sagt Winters. Nowaten habe seine Fragen wiederholt ignoriert und ihm stattdessen eine Geschichte erzählt. „Auf dem Weg nach Hause habe ich dann gemerkt, dass er mir genau das erzählt hat, was ich in dem Moment gebraucht habe", sagt Winters. Zudem war Nowaten ein Heiler. Das Erstaunen steht Winters noch ins Gesicht geschrieben, als er beschreibt, wie er mehrfach erlebt habe, dass der Mann krebskranke Patienten heilte - mit der Kraft seiner Gedanken. Seine Weisheit liege aber an anderer Stelle. „Es geht darum, aus dem Herzen zu leben und nicht mit dem Kopf, wo das Ego und das Chaos regieren", sagt Winters.

Nowaten war der erste „Hüter der Erde", dem die Familie begegnete. Winters und Heinen fragten, ob sie ihn filmen durften, um seine Weisheit auch anderen zugänglich zu machen. Es dauerte beinahe ein Jahr, bis er überhaupt antwortete: positiv. „In dem Moment wussten wir, dass wir uns auf eine größere Reise begeben würden", sagt Winters. Vom Schamanen inspiriert beschlossen sie, rund um den Globus nach Menschen zu suchen, die im Einklang mit der Natur leben, und einen Film zu drehen. 2009 verließ die Familie ­Michigan und begab sich ein Jahr lang mit den sechs, sieben und zehn Jahre alten Kindern auf Weltreise. Kein Team, keine Techniker, nur einen Rucksack und eine Kamera pro Person. Sie besuchten Völker in den Anden und im Amazonas, trafen Maori, lebten mit Aborigines auf einer Insel, tanzten in der Kalahari mit den San, besuchten Massai und schließlich auch Schamanen in Europa. „Alle haben uns gesagt: ´Ihr müsst auch eure eigenen Leute treffen´", sagt Winters. Ironischerweise sei genau das am schwierigsten gewesen. Doch schließlich wurden sie in Irland und bei den Samen in Norwegen fündig.

2010 wurden die Selfmade-­Filmemacher südlich von London wieder sesshaft und machten sich daran, die 200 Stunden Film zu schneiden. „Wir sind fast verzweifelt", sagt Winters. Fünf Jahre später feierte „Down to Earth" beim Illuminate Film Festival in Arizona Premiere. Derzeit feilen Winters und Heinen an der Vermarktung. „Wir wollen, dass der Film etwas bewegt. Deshalb können wir keine Methoden aus der alten Welt verwenden", sagt Winters.

Er arbeitet inzwischen wieder mit hoch dotierten Managern, doch mit anderen Methoden. Und offenbar hören die Konzernbosse gut zu, wenn Winters ihnen sagt: „Wir haben unsere Welt zu kompliziert gemacht. Eigentlich ist das Leben ganz einfach."