Der Kies knirscht, als wir um das Rondell mit knorrigem Olivenbaum fahren. Viktoria Garten kommt den Besuchern schon entgegen, unangemeldet landet in der Casita Victoria am Golfplatz von Pollença dank elektrischem Rolltor niemand. Die Entschuldigung für die zwanzig­minütige Verspätung wird mit einem Lächeln angenommen. „Allerdings müssen wir uns jetzt sputen", sagt Viktoria Garten und übermittelt mit festem Handdruck, dass ihre Zeit kostbar ist. Die russische Unternehmerin führt in Düsseldorf ihre Firma Viktoria Garten Hüttenindustriebedarf, die sie 1993 mit gerade mal 26 Jahren - als eine der wenigen Frauen in der Branche - gründete.

Da das Metall-Geschäft mal besser, mal schlechter läuft, investiert sie seit fünf Jahren auch in Traubensaft und ihre Bodega Jardí Lavica in Pollença. Ein Unternehmenszweig mit Zukunft, glaubt die Ingenieurin für Eisen und Stahl, die in den 80er-Jahren nach dem Studium in Moskau nach Ostdeutschland übersiedelte, heiratete und inzwischen von ihrem Mann getrennt lebt.

Auf Mallorca ist Viktoria Garten eher zufällig gelandet. Zum anstrengenden Arbeitsalltag in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt wünschte sich die Mutter einer erwachsenen Tochter ein entspanntes Plätzchen im Süden. Sie entdeckte zufällig die moderne Villa aus Stein, die auf einem Hügel mit unverbaubarem Blick auf die Bucht von Alcúdia thront, verguckte sich in sie und kaufte sie. Die Empfangshalle ist groß und offen gestaltet wie in einem Hotel, das Panorama hinter der Terrasse mit Pool so fantastisch, dass man sich kneifen möchte.

Zum Entspannen diente die casita der Unternehmerin tatsächlich nur ein paar Monate. Dann beschloss sie, dass mit dem dazugehörigen Land - darauf stehen auch 400 Olivenbäume, deren Früchte sie zu Öl presst - etwas geschehen müsse. „Zwei Hektar Weinberge sind zu viel für den Eigenbedarf und zu wenig zum Verkaufen", so Viktoria Garten. Sie erstellte einen Businessplan, um herauszufinden, wie groß die „kritische Masse" für eine rentable Kellerei auf Mallorca sein muss, und kam auf eine Zahl um die 30 Hektar.

Seither kauft sie Grundstücke.

16 Hektar im Gebiet von Pollença und Binissalem sind bereits mit Weinstöcken bepflanzt, auch mit autochthonen Traubensorten wie Manto Negro, Callet, Prensal Blanc und Giró Ros. Fünf Hektar Land kommen in diesem Jahr dazu, neun weitere 2017. Und in zwei, drei Jahren soll endlich die Produktionsstätte in Binissalem fertig gestellt sein und die Jahresproduktion von derzeit 27.000 Liter soll dann auf 250.000 Liter steigen. Verkauft werden die Rot-, Weiß- und Roséweine zwischen 13 und 100 Euro pro (Magnum-) Flasche über Viktoria Gartens parallel zur Bodega eröffneten Online-Weinversand Xanthurus. Außerdem können die Tropfen in einem Degustationslokal in Düsseldorf verkostet werden, darunter auch der zuletzt mit einer Goldmedaille von der Berliner Wein Trophy ausgezeichnete Son Brull Rosat 2014. Zu 50 Prozent aus Tempranillo-Trauben gekeltert schmeckt der Rosé fast wie ein junger Rotwein.

Für ihre Weine wählte Viktoria Garten lateinische Namen mit Bedeutung: Animus & Profectio (Mut & Aufbruch), Animus & Sententia (Mut & Wille) oder Per Aspera ad Astra (durch Mühsal zu den Sternen). Ist das Geschäft auf Mallorca mühsamer als in Deutschland? „Aufgaben stellen sich hier wie überall auf der Welt", sagt Viktoria Garten, „man muss sich anpassen, in Geduld üben und zäh bleiben, gerade als Frau in einem von Männern dominierten Gewerbe." Sie erzählt, dass in der russischen Heimat ein Gedicht von Nikolai Nekrassow aus dem 19. Jahrhundert bis heute das Bild der Frau prägt: Sie ist so stark, dass sie in ein brennendes Haus rennt und rasende Pferde aufhält. „Ich würde mich ja gerne anders verhalten", sagt die Unternehmerin, „aber es geht nicht."

Um zwischendurch mal „auszuatmen" tanzt sie Tango, auch auf Mallorca, wenn sie zweimal im Monat ein verlängertes Wochenende auf der Insel verbringt. In der übrigen Zeit kümmert sich ihr Team um die Bodega, das Haus mit fünf Schlafzimmern, Heimkino, Whirlpool und Sauna vermietet sie an Feriengäste. Die Vermietung sei neben dem Weinhandel Bestandteil des über drei Millionen Euro schweren Finanzierungsplans für Jardí Lavica, erklärt die Unternehmerin.

Zukunftspläne? Hat Viktoria Garten natürlich. Mit einem italienischen Önologen möchte sie im nächsten Jahr eine Champagner-Gärung vornehmen - wenn es klappt. Das gemächliche Tempo Mallorcas habe sie durchaus gelassener gemacht, sagt Viktoria Garten. „Ich habe gelernt, dass ich nicht immer sofort aufspringen muss, weil sich Dinge manchmal von allein erledigen."

www.bodega-lavica.es