Ein bärtiger junger Mann mit Frauenperücke zieht sich eine Halloween-Maske über den Kopf und lässt eine Kettensäge laufen. Dann rennt er wie von Sinnen durch die Straßen einer unbekannten Stadt. Im Hintergrund wird gejauchzt. Der Mann mit der Frauenperücke nennt sich Elvisa, ist Spanier und wird mit jedem seiner meist nur knapp über eine Minute langen Youtube-Videos nicht selten über eine Million Mal angeklickt. Bei der am Donnerstag (21.4.) im Auditorium Palma erstmals abgehaltenen Gala der „Play Awards" für spanischsprachige Video-Macher war Elvisa in der Kategorie „verrücktester Youtuber" deshalb für eine Auszeichnung nominiert worden. Ähnlich schräg gibt sich die blonde Esbatt. Mit einem indischen Kompagnon macht sie politisch unkorrekte Beziehungswitze zum Gaudium der im Schnitt 13 bis 24 Jahre jungen Youtuber-Gemeinde, lacht aber auch über die Funktionsweise eines neuen Föhns.

„Die Leute, die nach dem Jahr 2000 geboren wurden, schauen kaum noch Fernsehen und machen stattdessen den Computer an", sagt Max Olivier, der mit Bekannten die Gala ersonnen hat. „Youtube kam im Februar 2005 ins Netz, seit fünf bis sechs Jahren beobachten wir diesen Trend." Wobei nicht alle, die zu Hause ohne Mittelsleute Filmchen produzieren oder einfach nur konsumieren, noch halbe Kiddies sind. „Auf Mallorca gibt es eine 80-jährige Köchin, die fleißig dabei ist."

Für 1.000 Views ein Dollar

Es reicht nicht aus, einfach den Blödian zu markieren, sich zu filmen und das Ganze dann bei Youtube einzustellen, um erfolgreich zu werden. „Die guten Youtuber machen sich enorm viel Arbeit", sagt Max Olivier. So wie etwa Dulceida, die in der Kategorie „sexyeste Youtuberin" nominiert war und sich im Bereich Beziehungskisten mit lesbischen Einsprengseln tummelt. Sie hat sogar ein Label ersonnen - „Dulceida TV" mit Herzchen unten rechts. Ein Kurzfilm, in welchem sie und eine Freundin in grellfarbenen Klamotten übers Heiraten schwadronieren, hat deutlich über 800.000 Views eingefahren. „Für jede 1.000 Views zahlt Youtube aus Werbeeinnahmen etwa einen US-Dollar aus", weiß Max Olivier. Der Verdienst erhöht sich, wenn viele User die vorgeschaltete Werbung gucken oder wenn man selbst Werbedeals abschließt.

800.000 Views ist eine gute Ausbeute für einen Film, 17 Millionen hat Dulceida bislang insgesamt eingefahren. Verglichen mit dem König der spanischsprachigen Youtuber, ElRubius, ist das wenig: 17 Millionen Abonnenten schauen sich die zumeist abgefahrenen Kreationen des schulbubihaft daherkommenden 26-jährigen Spaßvogels an. Er löst bereits Begeisterung aus, wenn er mit einer Schirmmütze versehen neben einem Hundefoto gähnt. Seine Jünger jubeln ElRubius erst recht zu, wenn er ein neues Videospiel witzig bewertet. Er kann sich über Hunderte Millionen Views freuen, hat also seit 2006, als er angefangen hatte, ordentlich verdient.

Beliebter als Real Madrid

2015 rangierte ElRubius schon auf Platz 29 einer weltweiten „Diamanten"-Youtuber-Liste, und das nur knapp hinter Popgrößen wie Justin Bieber oder Katy Perry. In Spanien ist ElRubius bei Youtube weit erfolgreicher als der FC Barcelona, Real Madrid oder bekannte Sänger oder Schauspieler. Der Top-Youtuber erhielt in Palma einen Ehrenpreis. Neulich wurde der Spanier auf dem Flughafen von Bogotá von Massen junger Jünger wie ein Boygroup-Geilus angehimmelt. ElRubius war in der kolumbianischen Hauptstadt zu einer Veranstaltung namens „Club Media Fest" gereist. „Er kann gut davon leben, das wollen andere auch", sagt Max Olivier.

Dass die Gala nicht in Madrid oder Barcelona, sondern in Palma über die Bühne ging, hat einen banalen Grund: „Wir Veranstalter wohnen alle auf der Insel." Cine-Ciutat-Chef Pedro Barbadillo hat am Zustandekommen der Veranstaltung mitgewirkt. Er ist Berater des Festivals. „Vieles, was auf Youtube läuft, hat durchaus Qualität, und das sollte mit Preisverleihungen gewürdigt werden", meint er. „Die Medien werden demokratisiert, und das finde ich gut." Der ehemalige Chef der Mallorca Film Commission sieht das Kino durch diese neue Entwicklung nicht gefährdet. Aber: „Schon jetzt verändern ­diese Tendenzen die Film­industrie." Mancher neue Film etwa basiere auf von Youtube verbreiteten Videospielen. Überhaupt ändere sich das Konsumverhalten der Youngster in dieser Hinsicht radikal: „Meine 13-jährige Tochter ist manchmal bei Youtube unterwegs, dann schaut sie fern, dann schaut sie auf ihr Smartphone unterwegs, und zuweilen geht sie auch ins Kino."

Krasse Jungs, schöne Mädels

Im schönen neuen Youtuber-Universum verlegen sich die Jungen hauptsächlich aufs Schräge und Krasse und voll Krasse, die Mädels tauchen dagegen in die Welt der Mode und Schönheit ein. Erfolgreich im Bereich des Abgefahrenen ist unter anderem JoaquinPutoAmo, der den Usern - wenn er gut drauf ist - auch mal sein Haustier, eine Maus, zeigt und ansonsten zuweilen jenseits der Grenzen des guten Geschmacks operiert, wenn er etwa Pizzas mit Erbrochenem kreiert. Damit hat er bislang 10 Millionen Klicks eingefahren, also umgerechnet etwas über 9.000 Euro. Und jetzt einen „Play Award" in der Kategorie „verrücktester Youtuber". Bestens bei Youtube dabei ist auch eine junge Frau, die unter dem Namen HappySunnyFlowers den Beauty-Bereich gestikulierend und mit dramatischen Augenaufschlägen und sonstigen Gesten beackert - mit Schminktipps oder Anziehvorschlägen zu schicken Abendessen etwa. Damit hat die Schöne in den vergangenen Jahren 500.000 Abonnenten gesammelt und bislang 48 Millionen Views generiert.

Ausgezeichnet werden bei der Gala auch ganze Kanäle - der beste Entertainment-Kanal, der beste Spiele-Kanal, der beste Mode-Kanal und der beste Beauty-Kanal. Es kamen nicht nur Gäste aus Spanien, sondern auch aus Mexiko oder Ecuador. Es ging ein wenig wie in Hollywood zu, mit extra rotem Teppich. Schauspielerin Helena de Miguel moderierte das Ganze neben der Youtube-Kapazität Mr. Cheeto. Und alles lief, klar doch, live ab 17 Uhr auf Youtube.