Buddha mag Schokolade. Zu Füßen der neuen goldfarbenen mannshohen Statur im buddhistischen Zentrum Tsongkhapa in Palma türmen sich süße Leckereien. Und zu ihren Füßen betet der tibetische Mönch und Gelehrte Tsering Palden, Gründer des Zentrums und Schüler des Dalai Lama. Langsam hebt er die Hände und drückt sie vorsichtig aneinander. Dabei schaut er die goldene Buddha-Statue mit den blauen Haaren andächtig an. Er spricht einige Worte auf Tibetisch. Dann geht er in die Knie und legt Hände und Stirn auf den Boden. Die Prozedur wiederholt er dreimal.

Palden ist ein Geshe. Das ist der Titel eines tibetischen Gelehrten, ein Doktor in Buddhismus sozusagen. Er ist aber auch ein Lama. Das bedeutet, dass er nicht nur die Bücher studiert und verinnerlicht hat, sondern auch zu geistiger Spiritualität gelangt ist. Von ihnen gibt es nur ein paar Dutzend auf der ganzen Welt. Geistiges Oberhaupt aller Tibeter ist der Dalai Lama. „Er ist mein Herz, mein Meister, mein Freund, mein Vater, meine Vergangenheit und meine Zukunft, er ist alles", sagt Palden über seinen Lehrer, den er ab und zu auch noch besucht.

1959, im Alter von 15 Jahren, musste Palden aus seiner Heimat nach Indien fliehen. Damals lebte er als Mönch in einem tibetischen Kloster in der Hauptstadt Lhasa. Die Chinesen waren bereits 1950 in Tibet einmarschiert und erhoben Anspruch auf das Territorium. In Lhasa kam es 1959 zu Aufständen, die von den Chinesen brutal niedergeschlagen wurden. „Wir mussten über Nacht fliehen", sagt Palden. Er spricht Tibetisch, die Übersetzung übernimmt sein Schüler Ngawang Losel, ebenfalls Geshe und Lama.

Die Flucht aus Tibet

Palden und die anderen Mönche folgten damals dem Dalai Lama, der einige Tage zuvor bereits aus dem Land ins Exil gebracht wurde. „Darüber könnte ich mehr als eine Woche lang erzählen, so viele Geschichten sind passiert, während der Flucht, so viel Leid." Er schaut dabei auf seine Hände. „Wir konnten uns nur nachts bewegen", sagt Palden. Denn die Chinesen hielten tagsüber mit Hubschraubern Ausschau. „Wir sind komplett im Dunkeln durch die Berge gewandert. Viele sind dabei hinabgestürzt und gestorben." Mehr als drei Monate dauerte die Flucht. Seine Familie ließ er in Tibet. Nur einer seiner Brüder floh mit ihm.

Es ist still in dem Gebetsraum im Carrer Pere Martell. Man hält inne, lauscht bedächtig. Eigentlich waren die wenigen Schüler am späten Nachmittag damit beschäftigt, den Gebetsraum mit den bunten Girlanden, dem in grellen Farben leuchtenden Altar und der neuen Buddha-Statue für das Wochenende vorzubereiten. Denn ihr Lehrmeister, der in Madrid lebt und dort ebenfalls ein buddhistisches Zentrum betreibt, ist jeden Monat einmal zu Gast in Palma, um Seminare zu geben, über Wut und Geduld zum Beispiel.

Wütend, enttäuscht oder verzweifelt müsste Palden sein angesichts seiner Flucht und des noch immer anhaltenden Zustands der Unterdrückung in seiner Heimat. Denn China machte sich Tibet mit Gewalt zu eigen. Völkerrechtlich ist der Status Tibets umstritten. China sicherte der Region zwar Autonomie zu, allerdings nur auf dem Papier. Die Realität sieht anders aus. Eine eigene Verwaltung hat Tibet nicht. Sie wird von Peking aus bestimmt. Bilder des Dalai Lama dürfen in Tibet nicht gezeigt werden.

Hoffnung, Glaube, keine Zweifel

„Buddha hilft, all das zu ertragen", sagt Palden ruhig. Er hat ein Lächeln auf den Lippen und schaut zur goldfarbenen Statue. „Es ist schwierig, so viel Geduld zu haben, aber wir Tibeter haben sie bewiesen." Der Buddhismus lehre vor allem ein Leben ohne Gewalt. Seine Heimat vermisst Palden „jeden Tag". Er würde gern wieder zurück, kann es aber nicht. „Was uns Exil-Tibeter zusammenhält, ist der Buddhismus, dass wir ihn in uns tragen und weitergeben", sagt Palden. Er hofft, dass sich Tibet eines Tages von den Chinesen befreien kann.

Hoffnungsvoll schaut er auch auf die Menschheit. „Wir werden nicht als Egoisten geboren", sagt Palden. „Im Grunde sind wir alle ehrlich, anständig, selbstlos." Das belegten mittlerweile auch verschiedene wissenschaftliche Studien, die Experimente zu sozialem Verhalten von Babys und Kleinkindern durchführten. Das Ergebnis: Wir helfen, auch wenn es für uns keinerlei Nutzen bringt. Das ist Selbstlosigkeit, Altruismus. „Wir leben aber in einer Welt, in der mehr zählt, was man hat, als das, was man macht", sagt Palden.

Der Mensch ist Altruist

Die Menschen suchten Glück und Erfüllung im Materialismus. Sie sollten ihr Glück, findet Palden, besser in sich selbst suchen, an ihrem Charakter arbeiten, die Empathie, die in einem steckt, entdecken und ausbauen. „Nur so lernt man auch, die Wünsche und Sehnsüchte anderer zu erkennen und zu respektieren." Respekt -das ist für den Geistlichen ein Schlüsselwort. „Wir alle sind Menschen, wir alle sind gleich. Wenn wir das akzeptieren und unsere Sehnsüchte respektieren, dann gäbe es keine Kriege mehr." Manchmal allerdings habe er das Gefühl, dass viele Menschen daran kein Interesse haben, „so viel Wut gibt es auf der Welt".

Die Wut, das ist im Buddhismus Teil des negativem Geistes. „Man ist nicht mehr man selbst", erklärt der Gelehrte. Diesen Zustand müsse man erkennen lernen, um ihn dann abzulehnen. „Man muss sich setzen, wenn man wütend ist, physisch und mental." Meditation helfe dabei. An Buddha müsse man dafür nicht unbedingt glauben. „Aber es hilft, das ist mein Tipp."