Claudia Joest macht das Handy aus und steckt es in die Handtasche. Der Himmel ist grau bewölkt an diesem Freitagnachmittag, aber wir sitzen draußen, eine Bar am Carrer Arxiduc. Ein descafeinado con leche. Wache Augen blicken unter den knallroten Locken hervor, auch jetzt, auch in diesem Moment, wo es etwas ruhiger zugeht.

Hundert Meter weiter, um die Ecke, steht die Stierkampf­arena von Palma. Am Donnerstag (12.5.) findet hier das Finale von „Germany´s next Topmodel" statt. Dass die TV-Show ausgerechnet von der Arena aus live übertragen wird, das ist Joest zu verdanken. Die 64-Jährige Argentinierin arbeitet seit 17 Jahren als Location­scout auf der Insel. „Meistens für deutsche Fernsehproduktionen", sagt sie in fließendem Deutsch. Sie hat 20 Jahre lang eine exklusive Boutique in Frankfurt geführt.

Locationscout - das heißt, dass sie mit ihrer Firma Mallorca Specials und gemeinsam mit ihrem Sohn Fabian geeignete Orte für Fernsehproduktionen oder Foto­shootings auf der Insel sucht. „Das kann man nicht lernen, da ist viel Instinkt dabei." Joest teilt die wesentlichen Aspekte ihrer Arbeit in drei Säulen auf. „Der Erste ist zu interpretieren, was der Kunde möchte. Ich muss für jede Art von Location mindestens drei gleichwertige Möglichkeiten anbieten."

Gerade im Fall „Germany´s next Topmodel war das am Anfang gar nicht so einfach. „Ich habe Ende Januar den Auftrag bekommen, etwas zu suchen, allerdings wurde mir nicht gesagt, worum es geht. Nur, dass es eine große Party sei." Mit dieser Information checkte

Joest erstmal die üblichen Diskotheken ab - Pachá etwa oder Tito´s. „Zunächst denkt man da nicht an so etwas Großes wie ´Germany´s next Topmodel´."

Mallorca gelte als relativ teuer für TV- und Filmproduktionen, sagt Joest, weil man für jede Genehmigung zahlen muss. „Da ist Marokko deutlich billiger." Auch einige Staaten des Balkan locken mit einer ähnlich schönen Landschaft und billigeren Preisen. Dennoch würden die meisten Produzenten immer wieder herkommen. „Wenn hier einmal ein Preis genannt ist, dann steht er. Das erlaubt eine verlässliche Kalkulation."

Als mehr durchsickerte, worum es gehen könnte, schlug Joest das Castell Bellver vor. „Immer noch kein großer Ort, aber immerhin 200 Zuschauer." Zwei Monate lang beantragte sie die entsprechenden Genehmigungen. Bis Stadtverwaltung und Produktionsgesellschaft merkten, dass die denkmalgeschützte Burg vielleicht doch nicht der ideale Ort für eine

TV-Großproduktion ist.

Für die Modelshow hatte Joest fünf Optionen als Location angeboten. Einen außergewöhnlichen Ort konnte sie allerdings nicht bekommen. „Ich hab sogar mit dem Bischof gesprochen, ob wir es nicht in der Kathedrale machen können. Aber ich konnte ihm nicht versprechen, dass keine Bikini-Damen da herumlaufen würden."

Blieb die Stierkampfarena, der Joest zunächst mit Vorbehalten begegnete. „Da ist erst mal diese Zahl: Da passen bis zu 10.000 Zuschauer rein. Das muss man erst mal managen können. So eine Show ist ja kein Konzert, wo man die Leute reinlässt, dann ist Konzert und dann gehen sie wieder raus. Bei einer Liveshow gibt es eine besondere Interaktion mit dem Publikum."

Joest besichtigte das Coliseo Balear gemeinsam mit dem Regisseur Mark Achterberg. Sie ­beschlossen, dass 3.000 Zuschauer für die erfolgreiche Umsetzung der Show ausreichten. Das Wort des Regisseurs sei für sie stets Gesetz. Ob bei „Germany´s next ­Topmodel" oder bei einer studentischen Filmproduktion. „Ich gebe alles dafür, dass er bekommt, was er will." Und: „98 Prozent kriege ich auch immer zusammen."

Das Gespenst von „Wetten, dass..?" in der Stierkampfarena habe hingegen nur eine Nebenrolle gespielt. „Der positive Aspekt ist, dass man dadurch wusste, dass sich eine Show dieser Größenordnung in der Arena durchführen lässt." Andererseits dürfe nichts an die Sendung mit Thomas Gottschalk erinnern. „Wir machen in der Stierkampfarena auf jeden Fall etwas komplett Neues."

Und die anderen beiden Säulen ihres Erfolgsrezeptes? Zum einen das Menschliche: „Ich möchte ja wiederkommen. Deshalb achte ich darauf, dass alle Locations genau so hinterlassen werden, wie das Team sie vorgefunden haben." Zum anderen die Ethik: „Wenn ich einen permit nicht bekomme, dann wird da nicht gedreht. Und alle Inhaber von Locations werden im Vorfeld bezahlt."

Sie selbst motiviere vor allem das Kreative an ihrer Arbeit, die die meiste Zeit eigentlich darin besteht, um Drehgenehmigungen anzustehen. „Mein Job ist eine große Verantwortung und bietet einen großen Spielraum. Am Anfang gibt es nur ein Buch oder eine Idee. Durch einen Drehort kann die Sprache des Films entscheidend geprägt werden." Viel Fernsehen zu gucken, gehöre übrigens nicht notwendigerweise zur Jobbeschreibung. „Ich mache das aber trotzdem, denn ich muss auf dem Laufenden bleiben. Das Fernsehen entwickelt sich ja ­ständig weiter."