Als Bàrbara Duran Bordoy am 19. Mai 1971 als kleines Mädchen vor dem Justizgebäude in Manacor und neben ihrer Schule dieses so gar nicht auf die Insel passende Ehepaar sah, stach ihr die klein gewachsene Frau ins Auge und nicht so sehr der Mann. „Yoko Ono war die erste Asiatin, die ich in meinem Leben gesehen hatte", so die Musikwissenschaftlerin und Sekundarschullehrerin zur MZ. Den weltberühmten John Lennon (1940-1980) nahm sie nur nebenbei wahr.

„Damals waren Menschen aus fremden Ländern für die Mallorquiner etwas völlig Neues, kaum einer sprach hier Englisch." Die Schülerin Bàrbara Duran erfuhr erst später, dass die in einem Hotel in Palma festgenommenen Prominenten in Manacor vor Gericht erscheinen

mussten, weil sie Onos Tochter Kyoko aus einem Kindergarten in Calas de Mallorca entführt ­hatten. Das Ehepaar wurde zwar sieben Stunden verhört, doch das ­Ganze löste sich danach in nichts auf, weil der Vater, der Filmproduzent Anthony Cox, die Anzeige ­zurückzog.

Cox hatte sich in Calas im Hotel Samoa von dem damals unter celebrities hoch angesehenen indischen Sektenführer Maharishi Mahesh Yogi (1918-2008) in die Trans­zendentale Meditation einführen lassen. So wie Hunderte andere zahlungskräftige und meist ebenfalls englischsprachige Ausländer, darunter auch Mitglieder der Beach Boys. Und eben John Lennon. „Er wollte lernen, vom Boden abzuheben - allein durch Konzen­tration", sagt Bàrbara Duran.

Dazu sei er nicht nur einmal auf die Insel gekommen, wie immer behauptet wurde, sondern dreimal: 1969, 1970 und 1971. In einem Aufsatz, der in einer von der Stadt Manacor unterstützten Zeitschrift für Lokalgeschichte „Cent per Cent" erscheinen soll, beruft sich Duran etwa auf Mitarbeiter des Blumenladens Fullana in Manacor. Die belieferten den Sektenführer Maharishi, der auf Mallorca nach eigenen Angaben besonders intensiv den Wind vom Himalaja verspürte. Und auch Bauern aus dem Weiler Son Macià, wo die Maharishi-Leute Wäsche waschen ließen, wollen rückblickend Lennon gesehen haben.

Vor fast einem halben Jahrhundert hielt man das nicht für so bedeutend. „Damals kannte hier im Osten der Insel kaum jemand die Beatles, da fast niemand Schallplatten oder einen Plattenspieler hatte und ausländische Zeitschriften nur ab und zu auf die Insel gelangten." Auch der Naturheilkundler Cosme Pila, einer der ganz wenigen Spanier, die an den Meditationskursen teilnahmen, will John Lennon in unterschiedlichen Jahren dort zu Gesicht bekommen haben.

Laut Bàrbara Duran blieb Lennon anders als andere bei der Belegung der Kurse zurückhaltend. „Manchmal flog er zwischendurch auch nach London." Zudem sei er unter dem wenig originellen Namen Smith in Hotels in Palma und anderswo auf Mallorca abgestiegen, zumal Yoko Ono mit dem Maharishi gar nicht viel am Hut gehabt und deswegen keine Kurse besucht habe. Der bärtige Seelenheiler hatte den Ruf weg, mit westlichen Jüngerinnen gerne auch mal intim zu werden - darunter angeblich auch mit der US-amerikanischen Schauspielerin und späteren Woody-Allen-Gefährtin Mia Farrow.

John Lennon war dem Sektenführer 1968 in Indien begegnet, vor dem ersten Mallorca-Aufenthalt. Das in dieser Lebensphase ausgeprägte Interesse Lennons für Spiritualität gilt als einer der Gründe für die von Paul McCartney schließlich am 10. April 1970 offiziell verkündete Auflösung der Beatles.

Der Maharishi und seine Jünger belegten ab 1969 in dem erst sechs Jahre zuvor vom damaligen spanischen Tourismusminister Manuel Fraga Iribarne gegründeten Urlaubsort Calas de Mallorca das Hotel Samoa. Von dem regen Zulauf profitierten viele Menschen der Gegend.

Schon damals waren die Flugverbindungen zur Insel gut, was als eigentlicher Grund dafür gilt, dass der geschäftstüchtige Guru hier und nicht woanders seine Zelte aufschlug. „Der Maharishi wollte sogar eine eigene Stadt hier auf Mallorca aus dem Boden stampfen", weiß Bàrbara Duran. „Doch 1972 kamen die Sektenmitglieder das letzte Mal, weil sie der Baulärm in Calas de Mallorca fast in den Wahnsinn trieb."

Und auch John Lennon sollte - soweit bislang bekannt - nicht mehr auf die Insel zurückkehren.