Brooklyn to Berlin" heißt ihr Reise-Blog, der sie ein Jahr lang durch Bali, Thailand und Namibia begleitete. In Berlin endete die Reise 2015 dann aber doch nicht, sondern führte sie weiter über Barcelona nach Mallorca und Son Espanyolet - ihrem neuen Zuhause.

So heißt der Stadtteil am Rand von Palmas Santa-Catalina-Viertel, in dem Melissa Rosenbauer (39) und Thomas Bossert (50) zwei Mini-Apartments mieteten und sie zu einem Wohnatelier zusammenfügten. Sind die beiden daheim, stehen die Eingangstüren immer offen, so haben sie fast das Gefühl, in einem Loft zu leben. „Auf einer Seite wohnen, auf der anderen arbeiten wir", sagt Melissa Rosenbauer, die zwar einen deutsch klingenden Nachnamen hat, aber in Massachusetts geboren ist. Bis 2013 führte die Grafikerin ein Großstadtleben in New York. Seit eineinhalb Jahren wohnt sie nun mit Thomas auf Mallorca, wo sie ihr Textil- und Keramikstudio Espanyolet eröffneten.

Auch Thomas ist Grafikdesigner, mit 26 verließ er die Heimat Essen Richtung USA, um für ein paar Monate zu reisen und Praktika zu machen. Daraus wurden über zwanzig Jahre. 2012 traf er Melissa, die in derselben Firma in Brooklyn arbeitete. In New York tobt das Leben, das ist elektrisierend, aber auch anstrengend, wissen die beiden. „Jeder lebt fürs Wochenende", sagt Melissa. Das Paar entschied ein Jahr „off" zu gehen und sich einen neuen Lebensort zu suchen. Sie verkauften Hab und Gut (Möbel, Kleidung, ein Apartment in Brooklyn) und starteten zu einer Reise, die aus kreativer Arbeit statt Strandurlaub bestehen sollte.

Auf Bali mieteten sie für zwei Monate eine Hütte, Melissa besuchte einen Batik-Kurs, Thomas lernte von Einheimischen das Töpfern. „Statt Ideen zu kreieren, fabrizierten wir etwas mit den Händen, das war unheimlich befriedigend", sagt Melissa. Auch in Thailand mieteten sie eine Bleibe für mehrere Wochen, experimentierten mit Shibori, einer J­ahrhunderte alten Färbetechnik aus Japan. Der Stoff wird mehrmals gefaltet und gedreht, zwischen zwei Holzplatten fixiert und anschließend ins Farbbad getaucht. So entstehen vielfältige, kompliziert aussehende Muster. In Namibia probierten sie dann auch traditionelle Wax-Prints, um gewebte Stoffe einzufärben.

Die Techniken und vor allem die Experimentierfreude benutzen sie heute für ihre eigene Stoffkollektion. „Wir wollten keine normalen Baumwollstoffe färben", sagt Melissa. Sie stießen auf Flohmärkten auf handgewebte Stoffe aus alten Fincas. Die 50, 75 oder gar 100 Jahre alten Decken aus einer Leinen-Hanf-Mischung zierten früher als Überwurf das Ehebett. Der Gebrauch und die Zeit haben ihre eigenen Zeichen in den Stoff geschrieben, so gibt es Flicken, Ziernähte und von Hand gestickte Monogramme.

„Für jeden Stoff entwerfen wir zuerst eine Farbpalette, die zum Alter und Gewebe passt", erzählt Thomas. Aus Pigmenten werden drei verschiedene Farbtöne angerührt, mit Algenpulver verdickt. Dann tragen sie den farbigen Brei in langen Bahnen mit dem Pinsel auf. „Mit dem Pinsel können wir die Farbstärke und den Verlauf kontrollieren, mit oder gegen die Webstruktur arbeiten", erklärt Melissa. Sind die Farbpigmente von der Sonne getrocknet, tragen die beiden weitere Schichten auf, bis das Ergebnis in der Waschmaschine fixiert wird. Heraus kommt ein Stoff, der antik und zugleich fröhlich und modern wirkt. Die Stoffe werden zu Bettdecken, Kissenhüllen und Lampenschirmen weiterverarbeitet und online verkauft (um die 80 Euro bis 360 Euro).

„Es ist nicht leicht, sich hier ein Marketing-Netz aufzubauen", findet Melissa, bisher verkaufen sie fast die gesamte, freilich kleine Produktion in die USA. „60 Prozent unserer Instagram-Follower sind zwar Spanier", so Thomas, „aber sie kaufen nicht oder kaum." Seit ein paar Wochen hat er begonnen, wieder mit Keramik zu experimentieren und so die Kollektion zu erweitern. Den Ton formt er im Atelier in Palma und lässt ihn in Portol brennen. Zu den ersten Stücken gehören Servierbrettchen, bei denen Stoff erneut eine Rolle spielt: In die Oberfläche des Tons hat Thomas die Struktur von alten Leinenstoffen eingebrannt.