Im Kulturcafé Setcels in Bunyola ist man nicht unbedingt am Puls der Nachrichten - das Café gehört zu den wenigen Bars Mallorcas, in denen kein Fernseher läuft. Und dennoch gibt es an diesem Mittwochmorgen (9.11.) kein anderes Thema als den Ausgang der US-Wahlen, die der republikanische Kandidat Donald Trump wider allen Umfragen gewonnen hat. Es debattieren drei enttäuschte Dorfbewohner, die - wie für die internationale Inselbevölkerung typisch - aus drei unterschiedlichen Ländern kommen. „Es müsste Pflicht sein, sich erst einmal zu informieren, bevor man zur Wahl geht", meint Buchhändlerin Marga Castell. „Die Wahl betrifft mich zwar nicht unmittelbar. Aber jemand, der den Klimawandel leugnet, trifft auch Entscheidungen, die sich auf uns auswirken", wettert die 30-jährige Mutter.

„Alles halb so wild, nichts wird sich verändern", unterbricht sie der Argentinier Sebastián Barba (40). „Trump ist ein Unternehmertyp, er wird versuchen, Geld zu machen. Vielleicht verzögert er ein paar wichtige Entscheidungen, ansonsten bleibt alles beim Alten." Alessandro Mootoo (44) aus Italien sieht das völlig anders: „Bei dem Gedanken an Trump als Präsidenten kommt mir der Kaffee gleich wieder hoch", stöhnt er. „Die Amerikaner mussten sich das kleinere Übel aussuchen und haben stattdessen das ganz große gewählt. Der ist noch viel schlimmer als Berlusconi. Bei dem wusste man wenigstens, woran man war. Aber Trump, der ist richtig verrückt!"

US-Residenten: „Heute ist mein Herz gebrochen"

Es ist nicht so leicht, positive Stimmen über den exzentrischen Millionär einzufangen, noch weniger bei den US-Amerikanern, die auf Mallorca leben und die Nacht vor dem Fernseher verbrachten, so wie Weinimporteur Adam Perkal.

„Ich bin noch in Schockstarre. Bis 2 Uhr morgens bin ich wach geblieben und dann wieder um 4 Uhr aufgestanden." Als er gesehen habe, dass Florida an Trump ging, sei die Sache schon absehbar gewesen, so Perkal. „Florida war schwer umkämpft, überrascht hat es mich nicht." Nach dem aggressiven Wahlkampf hoffe er, dass Trump den Riss in der US-Gesellschaft wieder kitten könne.

Die Nacht durchgemacht hat auch Immobilien-Einrichter Ray Chatham. „Ich habe meinen bequemsten Sessel und meine dicke Decke genommen und mich im Fernsehzimmer eingerichtet." Im Laufe der Nacht habe er dann mit­erleben müssen, wie sich die Gesichter der Kommentatoren veränderten und hier und da Augenbrauen hochgezogen wurden. „Ich weiß gerade gar nicht, was ich denken soll. Das Image von Trump war ja, dass er Amerika in eine Bananenrepu­blik verwandeln würde." Als Trump allerdings am Morgen auf die Bühne trat, habe er ihn überrascht. „Er sagt, er möchte für alle Amerikaner da sein. Das wären ja eigentlich Hillarys Worte bei einem Sieg gewesen."

Pessimistischer ist Anthropologin Jackie Waldren aus Deià, die erst am Morgen um 10 Uhr vom Sieg Trumps erfuhr. „Wir wussten, es könnte knapp werden, aber dann das! Ich befürchte, Frauen werden wieder ins dunkle Mittelalter zurückgeworfen." Trump habe die Stimme für die Menschen erhoben, die gehört werden wollten. „Ich glaube allerdings, dass er jetzt einen Gang runterschalten wird, jetzt wo er es geschafft hat."

Froh über das Ergebnis äußert sich dagegen Sport- und Medien­experte John David Jones - obwohl er Trump nicht gewählt habe. „Ich glaube, viele Menschen wissen gar nicht, wie schlecht Hillary wirklich ist. Wenn man einen wirklichen Wandel möchte, dann ist das jetzt möglich", so Jones, der um 4 Uhr die Nachrichten angeschaltet hatte. Die Vorwürfe, Trump sei ein Rassist, hält er für ­ungerecht. „Er hat niemals gesagt, dass er keine Muslime im Land haben möchte. Die Medien haben das verdreht." Nun müsse man abwarten, ob Trump die Dinge, die er versprochen habe, auch wirklich durchziehe.

„Wir sind alle jetzt ein wenig im Stand-by-Zustand", meint Tummy Bestard, ehemaliger US-Konsul auf Mallorca. Das Scheitern von Clinton habe ihm sehr wehgetan. „Ich bin davon überzeugt, wäre die E-Mail-Affäre nicht so kurz vor den Wahlen aufgetaucht, wäre Hillary Clinton Präsidentin geworden. Auch wenn die Vorwürfe aus dem Weg geräumt wurden - die Zeit war zu knapp, die Menschen konnten damit nicht rational umgehen."

„Menschen sind so leicht manipulierbar und lassen sich leiten", meint die ehemalige Journalistin Nicole Szulc Ginn. „Mir ging es physisch richtiggehend schlecht, als ich merkte, was da gerade passierte." Trump müsse man durchaus beim Wort nehmen. „Er hat gesagt, er wird eine Mauer bauen, er wird es tun. Die Ersten, die ihm gratuliert haben, waren extreme Rechte." Hoffentlich trage das Ergebnis dazu bei, dass Menschen in Deutschland, Holland oder Frankreich aufwachten und bei den nächsten Wahlen nicht rechts

wählten.

Liz Barrat-Brown, Juristin für Umweltrecht, schaut bereits auf die nächsten Wahlen. „Wir werden uns wieder erholen und uns wehren, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen", so Barrat-Brown. Damit Anstand und Respekt statt Angst und Bigotterie zählten. „Heute aber ist mein Herz gebrochen."

Skeptische Politiker und Diplomaten

Ein großer Fan der unterlegenen Kandidatin ist der Mallorquiner Jorge Dezcallar, der als spanischer Botschafter in den USA Hillary Clinton in ihrer Zeit als Außenministerin bei zahlreichen Besprechungen persönlich erlebte. Dass diese „fleißige und gewissenhafte" Politikerin, die immer auch das Kleingedruckte kannte, nicht gewonnen habe, sei sehr schade, die USA stünden vor ungewissen Zeiten. Andererseits sei das Land eine bewährte Demokratie, und das institutionelle Gefüge werde für eine Mäßigung Trumps sorgen. „Der Kurs eines großen Dampfers ändert sich nur gemächlich", so Dezcallar. Das gelte auch für die Beziehungen zu Spanien, das werde streng rational gehandhabt.

Im Gegensatz zu neutralen und diplomatischen Reaktionen an der Spitze der spanischen Regierung machten die Vertreter der balearischen Landesregierung keinen Hehl aus ihrer Skepsis. „Man wird abwarten müssen, aber mit dem Sieg von Trump erscheint die Welt heute unsicherer", twitterte der balearische Tourismusminister Biel Barceló (Més per Mallorca). Die sozialistische Ministerpräsidentin Francina Armengol hatte sich am Wahltag hinter die demokratische Kandidatin gestellt. „Meine Unterstützung gilt Hillary Clinton. Man muss progressive Politik und Gleichberechtigung fördern." Die sozialistische Abgeordnete Isabel Oliver forderte zum Nachdenken auf: „Trumps Sieg rührt von einem Gefühl der Ablehnung des Systems her. Das ist weder eine gute Nachricht für die USA, noch für die Welt." Die Deutsche Alice Weber, die für Més im Stadtrat von Inca sitzt, reagierte ungläubig: „Ein Volk zwingt einen Präsidenten wegen einer Affäre zum Rücktritt und wählt einen sexuellen Belästiger zum Präsidenten."

Selbst die Fraktionssprecherin der PP-Opposition im Balearen-Parlament, Marga Prohens, äußerte sich in einem Tweet alles andere als positiv. „Was für ein Erwachen. Oder was für ein Albtraum." Etwas später klang sie in einem Interview etwas moderater: „Trump hat mit einer populistischen Botschaft gewonnen. Nach dem Wahlsieg hat sich sein Tonfall aber schon ganz anders angehört."

Zweckoptimismus bei der Insel-Wirtschaft

Die US-Entscheidung platzte am Mittwoch auch in den letzten Tag des World Travel Market in London. Große Auswirkungen befürchten die mallorquinischen Hoteliers durch den überraschenden Wahlausgang nicht. Trump sei schließlich ein Geschäftsmann, weshalb er die wirtschaftlichen Verbindungen zu den anderen Staaten sicherlich nicht abreißen lasse, kommentierte so mancher Experte aus der Branche. Vertreter der mallorquinischen Hotelkette Melià, die auf Kuba inzwischen mit knapp 30 Hotels vertreten ist, zeigten sich überzeugt, dass Trump mit der von Obama eingeschlagenen Kuba-Politik fortfahren werde und das Geschäft auf der Insel nicht gefährdet sei. Auch ein zuvor befürchteter Börsencrash sei schließlich ausgeblieben.

Wo sich Touristiker zweckoptimistisch äußern, sind Wirtschaftswissenschaftler skeptischer. Eine protektionistische Politik der USA würde europäische Staaten wie Deutschland und Frankreich massiv treffen, so Carles Manera, Wirtschaftswissenschaftler und Ex-Finanzminister auf den Balearen. Bei aller Komplexität der Entwicklungen könne man feststellen, dass die Wahl Trumps ein Unsicherheitsfaktor für die weitere geopolitische Entwicklung sei - „und das Kapital mag keinen Lärm".

Die befragten Wirtschaftswissenschaftler glauben jedoch wenn überhaupt an nur geringe Auswirkungen auf die Inselwirtschaft. Zwar würden verstärkter Protektionismus und die Revision von Freihandelsabkommen zu einem Paradigmenwechsel der vorherrschenden Politik führen, so Universitätsdozent Antoni Riera. Doch auch wenn infolge die japanische und europäische Wirtschaft litten, werde der Tourismus als Hauptwirtschaftszweig der Balearen davon relativ wenig betroffen sein. Ähnlich sieht das MZ-Finanzexperte An­dreas Kunze: „Die Insel lebt vor allem vom Tourismus aus Europa - den wird Trump weder bremsen noch beleben."

Die befragten Wirtschaftswissenschaftler machen sich eher Sorgen um die langfristigen Folgen. „Beunruhigender als die Wahl von Trump an sich ist die Tendenz, für die sie steht, eine Tendenz, die sich gegen die freie Marktwirtschaft richtet, die in der Vergangenheit für viel Wohlstand gesorgt hat", so Josep Ignasi Aguiló, Ex-Finanzminister unter der PP. „Wir haben in diesem Jahr auch das Referendum über den Brexit erlebt, und solche Entscheidungen wirken ansteckend."

In Mallorcas Immobilienbranche fürchtet man weniger konkrete Auswirkungen aufs Geschäft als auf das politische Klima. „Als Präsident der USA hat Trump Einfluss auf das Weltgeschehen, somit auch auf unsere Umwelt und Psyche", meint Heidi Stadler. „Leider nimmt er keine unterschwelligen Ängste, sondern nährt sie eher." Ein geschockter Lutz Minkner hofft, dass es nicht so schlimm wird wie befürchtet. „Wir haben ja auch schon andere US-Präsidenten überstanden." Man könne nur hoffen, dass Trump vernünftige Berater habe und nicht alles das umsetze, wovon er im Wahlkampf gesprochen habe. „Es gibt Politiker, die sind zu nichts fähig. Es gibt andere, die sind zu allem fähig. Ich glaube dass Trump zu der letzten Kategorie zählt", meint Willi Plattes von European@ccounting. „Für Mallorca sehe ich aber keine negativen Auswirkungen, da man umso mehr eine 'Insel' suchen wird, um einem vermeintlichen Bedrohungspotenzial zu entfliehen."